hier: Aufstellungsbeschluss gemäß § 2 Abs. 1 BauGB
Beschlussvorschlag:
Der Haupt- und
Finanzausschuss beschließt die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. WD 124
„Rathausviertel West“ gemäß § 2 Abs. 1 BauGB. Der Geltungsbereich
umfasst die Flurstücke der Gemarkung Weddinghofen, Flur 8, Nrn. 437, 438, 862,
863, 864 und wird begrenzt
· im Norden durch
die Südseite der Hubert-Biernat-Straße,
· im Osten durch die
Westseite der Töddinghauser Straße,
· im Süden durch die
Nordseite der Zentrumsstraße,
· im Westen durch
die Ostseite der Gedächtnisstraße.
Die zeichnerische
Darstellung in der Anlage 1 ist
Bestandteil dieses Beschlusses.
Diese Entscheidung
wurde durch den Haupt- und Finanzausschuss gemäß § 60 Abs. 1
Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in
der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. S. 666),
zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 14. April 2020 (GV. NRW.
S. 218b) gefasst.
Sachdarstellung:
Bisherige Entwicklung des Rathausviertels
Mit Gründung der
Stadt Bergkamen im Jahr 1966 wurde der Beschluss gefasst, in der geografischen
Mitte der neuen Stadt eine neue Stadtmitte für die Gesamtstadt zu schaffen.
1974 wurde hier die „City“ eröffnet mit dem Rathaus als zentraler öffentlicher
Einrichtung, dem Busbahnhof, verdichtetem Wohnungsbau (u. a. dem
„Wohnturm“) sowie einem Einkaufszentrum westlich der Töddinghauser Straße.
Ankermieter des Einkaufszentrums waren zunächst insbesondere Karstadt, später
dann Plaza und Allkauf. Dem erwarteten Wachstum der Stadt Bergkamen geschuldet
wurden breite Straßen für den Pkw-Verkehr geschaffen und darüber
Fußgängerbrücken, um die verschiedenen Bereiche miteinander zu verbinden.
Bereits Mitte der
1990er Jahre begann die Umgestaltung von Teilen der City, angestoßen durch die
Internationale Bauausstellung (IBA) Emscherpark, aber auch, weil die
großstädtisch angelegte „Betonarchitektur“ nicht (mehr) zu einer Mittelstadt
mit rund 50.000 Einwohnern passte. In der Folge wurden die öffentlichen
Verkehrsflächen umgebaut und kleinmaßstäblichere Wohnformen (z. B.
„Einfach und selber Bauen“) sowie Freiflächen wie der Wasserpark geschaffen.
Zur Ergänzung der Stadtmitte als Einzelhandelsstandort eröffnete 1999 östlich
der Töddinghauser Straße das SB-Warenhaus Kaufland mit ergänzenden kleineren
Geschäften.
Das Einkaufszentrum
westlich der Töddinghauser Straße als zentrales Element der City wurde zwischen
1999 und 2001 abgerissen. 2002 eröffneten an gleicher Stelle die Turmarkaden
als innerstädtische Shopping-Mall. Im Gegensatz zum früheren
City-Einkaufszentrum war der Einzelhandel hier im Wesentlichen auf die
Erdgeschossebene beschränkt, neben Walmart als Ankermieter gab es verschiedene
Geschäfte mit vornehmlich zentrenrelevanten Sortimenten.
Im 2006
verabschiedeten Einzelhandelskonzept wurde der Bereich City bzw. „Stadtmitte
West“ neben der Fußgängerzone und dem Nordbergcenter („Stadtmitte Ost“) als
Hauptzentrum von Bergkamen festgelegt. Als Ziel des Einzelhandelskonzepts wurde
eine weitere Stärkung des Standorts angestrebt.
Mit der Schließung
von Walmart begann ab 2007 der Leerstand in den Turmarkaden. Zwar konnten Teile
der Verkaufsflächen zwischenzeitlich wieder gefüllt werden, durch Schließung
weiterer Geschäfte und Pläne für einen Umbau kam es bis 2016 jedoch zu einem
völligen Leerstand aller Verkaufsflächen. Damit war und ist auch das zweite
innerstädtische Einkaufszentrum an diesem Standort gescheitert.
Die verschiedenen
Pläne mehrerer Investoren für eine Revitalisierung des Centers im Bestand
(innerstädtische Shoppingmall mit vorwiegend zentrenrelevanten Sortimenten)
konnten seit 2011 nicht umgesetzt werden, wohl auch, weil keine ausreichende
Vermietungsquote erzielt werden konnte.
Ein Grund für die
erforderliche Neuorientierung und Anpassung an aktuelle Rahmenbedingungen ist,
dass die Nähe zu gewachsenen Mittel- und Oberzentren die Stadtmitte
insbesondere hinsichtlich der Einzelhandelsfunktion unter Druck setzt.
Bergkamen weist zudem seit Jahren eine niedrige und rückläufige
Einzelhandelskaufkraft auf. Zum einen ist dadurch der Konsum vergleichsweise
niedrig. Zum anderen ist Bergkamen damit als Einzelhandelsstandort für Händler
wenig attraktiv und daher schlecht nachgefragt. Die Etablierung von Geschäften
mit zentrenrelevanten Sortimenten (z. B. Bekleidung, Haushaltswaren) ist
bislang stets gescheitert, obwohl es in Bergkamen insgesamt kaum derartige
Angebote gibt.
Ursache ist
sicherlich auch der anhaltende Umbruch im Einzelhandel, der sich seit 2018 in
zunehmenden Insolvenzen zeigt.
Schließlich können
trotz gestiegener Baukosten nur niedrige Mieten im Einzelhandel erzielt werden.
Integriertes Handlungskonzept „Bergkamen
mittendrin“
Seit 2018 wurde und
wird mit intensiver Beteiligung und Diskussion von Bürgern, Fachleuten und
Politik für den Innenstadtbereich Bergkamen das Integrierte Handlungskonzept
„Bergkamen mittendrin“ erarbeitet. Der Zwischenbericht dieses integrierten
Handlungskonzeptes mit Zielen für das Projektgebiet wurde durch den Haupt- und
Finanzausschuss der Stadt Bergkamen in der Sitzung am 13. Mai 2020 beschlossen.
Im integrierten Handlungskonzept ist die Fläche der ehemaligen Turmarkaden
westlich der Töddinghauser Straße als Potenzialfläche beschrieben, „die mit
einer neuen architektonischen Formensprache und anderen Nutzungen der
Stadtmitte im Umfeld des Rathauses ein neues Gesicht geben kann“ (vgl.
Drucksache 11/1862).
Das Umfeld des
Rathauses hat in den letzten Jahrzehnten bereits eine intensive Transformation
erlebt. Handel als Leitfunktion von zentralen Lagen hat – wie in anderen
Städten – auch in Bergkamen nicht zuletzt aus o. g. Gründen an Bedeutung
verloren. Die weitere Entwicklung der städtischen Zentrenlage und insbesondere
dieses Standorts muss sich insofern auf andere Aspekte als die gezielte
Entwicklung des stationären Einzelhandels fokussieren.
Die Stadtmitte
Bergkamen wird weder von Externen noch von der Bergkamener Bevölkerung als
Einkaufsort mit „Shopping-Erlebnis“ aufgesucht, wie das Integrierte
Handlungskonzept „Bergkamen mittendrin“ gezeigt hat.
Aufgrund der Größe,
der Bedeutung in dieser zentralen Lage, der hervorragenden Anbindung und
Versorgung sowie in direkter Nähe zu Naherholungsflächen bietet die Fläche
Potenzial für vielfältige innenstadttypische Nutzungen wie Dienstleistung,
Verwaltung, Kultur und Wohnen. Mit den nahegelegenen Grünflächen und
öffentlichen Aufenthaltsflächen hat der öffentliche Raum zudem eine hohe
Bedeutung. Gemäß den Zielen des Handlungskonzeptes soll über die Fläche eine
Verbindung zwischen Lüttke Holz, Wasserpark, Friedhof und Stadtpark geschaffen
werden.
Die Entwicklung auf
dieser Fläche soll bauplanungsrechtlich so gesteuert werden, dass kleinteilige,
gemischte und bedarfsgerechte Nutzungsstrukturen entstehen und darüber das Ziel
der Stärkung der Stadtmitte erreicht werden kann.
Aktuelle planungsrechtliche Situation
Der Standort ist im
Flächennutzungsplan der Stadt Bergkamen als gemischte Baufläche dargestellt.
Überlagernd ist ein Zentraler Versorgungsbereich ausgewiesen. Die Wohnbebauung
im Bereich der Gedächtnisstraße unmittelbar südlich angrenzend ist als
Wohnbaufläche im Flächennutzungsplan dargestellt.
Derzeit liegt der
Standort nicht im Geltungsbereich eines rechtskräftigen Bebauungsplans. Die
Zulässigkeit von Bauvorhaben ist daher nach § 34 BauGB zu beurteilen. Die
Eigenart der näheren Umgebung entspricht derzeit der eines Kerngebiets (MK) im
Sinne von § 7 BauNVO.
Ziel des Bebauungsplans
Mit der Aufstellung
eines Bebauungsplans soll die dominante Struktur des Einzelhandels – der
sogenannten Ankermieter und seiner Folgenutzungen – aufgegeben werden.
Gemäß integriertem Handlungskonzept „Bergkamen mittendrin“ soll eine
nachhaltige Nutzungsmischung aus Wohnen, Dienstleistung, ergänzend Einzelhandel
an dem Standort der ehemaligen Turmarkaden ermöglicht werden und damit eine
Abkehr von den bisher monostrukturell vornehmlich auf Einzelhandel
ausgerichteten Nutzungen bzw. Planungen erfolgen.
Ziel des
Bebauungsplanes ist es, gemäß den Vorgaben des Integrierten Handlungskonzeptes
eine Nutzungsmischung auf der Fläche in folgender Weise zu entwickeln:
· Das Grundstück der
mehrgeschossigen Wohnbebauung Töddinghauser Straße 135-137 soll seiner jetzigen
Nutzung entsprechend als „Allgemeines Wohngebiet“ (WA) gemäß § 4 BauNVO
festgesetzt werden.
· Entlang der
Gedächtnisstraße soll, unter Einbezug der vorhandenen Wohnbebauung
Gedächtnisstraße 19-23 ein „Allgemeines Wohngebiet“ (WA) gemäß § 4 BauNVO
ausgewiesen werden. Damit kann die vorhandene Wohnbebauung im Umfeld ergänzt
werden.
· Die übrigen
Flächen sollen als „Urbanes Gebiet“ (MU) gemäß § 6a BauNVO festgesetzt
werden. Diese dienen gemäß § 6a Abs. 1 BauGB dem Wohnen sowie der
Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen
Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Im Vordergrund
steht dabei eine angestrebte Nutzungsdurchmischung, die nicht gleichwertig sein
muss.
· Im Urbanen Gebiet
sollen öffentliche Flächen und Verbindungen für eine verbesserte
Durchlässigkeit des Standortes geschaffen werden. Diese ermöglichen auch eine
Vernetzung der nahe gelegenen innerstätischen Grünflächen und eine
gestalterische Einbindung in das innerstädtische Stadtgefüge.
Die
Entwicklungsziele des Bebauungsplans bzw. die räumliche Verortung sind in Anlage 2 dargestellt.
Mit der
Bauleitplanung wird sowohl der Baugenehmigungsbehörde als auch
Grundstückseigentümern und Investoren Rechtssicherheit gegeben. Zudem wird
dadurch die rechtliche Grundlage geschaffen, bei Bedarf die Instrumente zur
Sicherung der Bauleitplanung nach §§ 14 bis 28 BauGB anzuwenden.
Aktuelle Bauvoranfrage für den Standort
Seit dem 31. März
2020 liegt eine Bauvoranfrage für ein „Hybrid-Center“ für diesen Standort vor.
Das „Hybrid-Center“ ist nach den vorliegenden Unterlagen durch einen
Schwerpunkt in der Einzelhandelsnutzung gekennzeichnet sowie ergänzend dazu
Praxen und Fitnesscenter.
Bei dieser Planung
stehen
· großflächiger
Einzelhandel mit vorwiegend nahversorgungsrelevanten Sortimenten,
· eine
Innenorientierung zu einem zentralen Kundenparkplatz mit rund 120 Stellplätzen
und
· eine Ausrichtung
auf Auto-Kunden
im Vordergrund.
Bergkamen weist
bereits einen hohen Marktsättigungsgrad bei nahversorgungsrelevanten
Sortimenten auf. Gerade an dieser Stelle besteht – anders als bei anderen
Bereichen im Stadtgebiet – auch kein Nahversorgungsdefizit. Die Etablierung
eines zusätzlichen Nahversorgungsstandortes ist daher nicht geboten, zumal eine
Verdrängung der fußläufigen Nahversorgung an anderen Stellen zu befürchten ist.
Das Hybrid-Center
ist städtebaulich nicht in die umliegenden Nutzungen eingebunden.
Außerdem
konterkariert die Bauvoranfrage die schon eingeleitete Umgestaltung des
Stadtmittebereichs von der „autogerechten“ zur fußgängerfreundlichen Stadt mit
öffentlichen Plätzen, Wegeverbinden und Grünflächen im Stadtgefüge.
Das geplante
Vorhaben berücksichtigt zudem in keiner Weise die im Integrierten
Handlungskonzept „Bergkamen mittendrin“ verankerte Zielsetzung am Standort, von
einer monostrukturierten Einzelhandelsentwicklung Abstand zu nehmen und dort
eine aufgelockerte Nutzungsmischung mit Wohnen zu realisieren.
Ein
monostrukturiertes, rein auto-orientiertes Fachmarktzentrum lässt sich nicht
mit der angestrebten Nutzungsmischung und den geplanten Festsetzungen von
Urbanen und Allgemeinen Wohngebieten vereinbaren.
Die Aufstellung
eines Bebauungsplanes bildet die rechtliche Voraussetzung, die Bauvoranfrage
zurückzustellen, da aktuell zu befürchten ist, dass die Durchführung der
Planung zum Bebauungsplan Nr. WD 124 – die angestrebte Durchmischung
– durch das o. g. Vorhaben eines Hybrid-Centers unmöglich gemacht oder
zumindest wesentlich erschwert werden würde.
Mit Datum vom 25. Mai 2020 ist ein Schreiben der Rechtsvertreter des Antragstellers der Bauvoranfrage eingegangen. Dieses Schreiben wird den Ausschussmitgliedern im nichtöffentlichen Teil zur Kenntnis gegeben.
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1. Das Deckblatt
2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
3. 2 Anlagen
Der Bürgermeister Schäfer |
Der Bürgermeister In Vertretung Dr.-Ing. Peters Erster Beigeordneter |
Stellv. Amtsleiterin Reumke |
Sachbearbeiterin Thiede |
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