Beschlussvorschlag:
Der
Rat der Stadt Bergkamen beschließt, den Antrag der FDP-Fraktion vom 05.03.2012
„Der Rat möge beschließen,
1.
dass die
Verwaltung die „Ordnungsbehördliche Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung auf den Verkehrsflächen und in den Anlagen im Gebiet der
Stadt Bergkamen“ um die Punkte bezüglich der Kastrations- und
Kennzeichnungspflicht für freilaufende Hauskatzen ergänzen und dem Rat zum
Beschluss zutragen möge;
2.
dass die
Verwaltung ein Konzept zur Umsetzung und Publikmachung der vorstehenden
Kastrations- und Kennzeichnungspflicht erarbeiten und dem zuständigen Ausschuss
vorstellen möge, durch den die Pflicht den Tierhaltern nahe gebracht wird.“
abzulehnen.
Sachdarstellung:
Mit
dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben vom 05.03.2012 beantragt die
FDP-Fraktion – kurzgefasst – die „Ordnungsbehördliche Verordnung“ um eine
Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für freilaufende Hauskatzen zu ergänzen.
Weiterhin soll die Verwaltung ein Konzept zur Umsetzung und Publikmachung der
Kastrations- und Kennzeichnungspflicht erarbeiten.
Der
Antrag wird im Wesentlichen und unter anderem mit der Begrenzung
überproportionaler Übervermehrung sowie mit allgemeinen Informationen zu
anwachsenden Populationen wilder und verwilderter Katzen begründet. Hierbei
wird auf entsprechende Kastrations- und Kennzeichnungspflichten in landesweit
72 Kommunen verwiesen. Beispielhaft werden die Städte Paderborn und Schwerte
angeführt. Konkrete Angaben über die Situation von freilaufenden Hauskatzen in
Bergkamener Stadtgebiet werden von der Antragstellerin nicht gemacht. Auf die
weiteren Ausführungen im Antragsschreiben vom 05.03.2012 wird verwiesen.
Die
Verwaltung schlägt dem Rat eine Ablehnung des Antrags vor, weil
·
Erkenntnisse
über die von der FDP-Fraktion allgemein angesprochene Problematik für das
Gebiet der Stadt Bergkamen nicht vorliegen,
·
eine
Einbeziehung der beantragten Regelung in die Ordnungsbehördliche Verordnung
seitens der Verwaltung als rechtswidrig eingeschätzt würde,
·
eine
Umsetzung der beantragten Regelung als nicht praktikabel angesehen wird.
1. Regelungsbedarf
Von
Seiten des Sachgebiets für Ordnungsangelegenheiten kann festgestellt werden,
dass die Zahl der im Bereich des Bergkamener Stadtgebietes bekannt gewordenen
und dem Kreistierheim Unna zugeführten Fundkatzen in den letzten Jahren
unverkennbar zurückgegangen ist:
Jahr |
zugeführte
Katzen |
2006 |
30 |
2007 |
27 |
2008 |
37 |
2009 |
20 |
2010 |
17 |
Bei
einem Vergleich der statistischen Daten des Kreistierheims Unna aus 2010 lässt
sich zudem erkennen, dass die Zahl der in der Stadt Bergkamen registrierten
Fundkatzen, vor allem auch im Verhältnis zur Größe und Einwohnerzahl der
anderen kreisangehörigen Kommunen, neben Fröndenberg, Selm und Bönen am
geringsten ist und deutlich unter dem Kreisdurchschnitt liegt:
Stadt/Gemeinde |
zugeführte
Katzen |
Bergkamen |
17 |
Bönen |
16 |
Fröndenberg |
4 |
Holzwickede |
18 |
Kamen |
28 |
Lünen |
52 |
Selm |
9 |
Unna |
55 |
Werne |
23 |
Summe |
222 |
Für
die Stadt Schwerte lassen sich die Zahlen der durch das Ordnungsamt zugeführten
Katzen nicht ermitteln. Dort existiert ein eigenes Tierheim, das vom örtlichen
Tierschutzverein betrieben wird.
In
Anbetracht dieser Zahlen ist festzustellen, dass eine Gefahr für eine „erhöhte
Katzenpopulation“ infolge von bisher unterlassener Kastrationen im Bereich der
Stadt Bergkamen eher nicht besteht und nach den bisherigen Erkenntnissen auch
für die Zukunft nicht anzunehmen ist. Überdies sind dem Sachgebiet für
Ordnungsangelegenheiten bisher auch keine Hinweise für eine Not- oder
Gefahrenlage aufgrund der vorhandenen Katzenpopulation, wie etwa die
Beeinträchtigung der Gesundheit von Menschen oder Tieren, bekannt geworden.
2. Rechtliche Einschätzung
Das
Handeln der Ordnungsbehörde ist erst dann zulässig, wenn eine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht. Zur Abwehr solcher Gefahren können
die Ordnungsbehörden aufgrund der Ermächtigung in den §§ 26 und 27 des
Ordnungsbehördengesetzes NRW (OBG NRW) ordnungsbehördliche Verordnungen
erlassen, die nach § 25 Satz 1 OBG NRW für eine unbestimmte Anzahl von Fällen
an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind.
Nach
ihrer Zweckbestimmung gelten diese Vorschriften zur Abwehr einer „abstrakten
Gefahr“. Eine abstrakte Gefahr ist nach Rhein,
Kommentar zum Ordnungsbehördengesetz NRW, 1. Aufl. 2004, § 1 Rn. 20, gegeben,
wenn eine generell abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von
Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher
Anlass besteht, diese Gefahr generell zu bekämpfen.
Das
Vorliegen einer abstrakten Gefahr ist somit entscheidende Voraussetzung für den
Erlass und die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsbehördlichen Verordnung.
Eine
solche Gefahr ist aufgrund der Erkenntnisse zu Ziff. 1 jedoch nicht zu
erkennen. Selbst wenn die Ermittlungen ergeben würden, dass im Bereich der
Stadt Bergkamen eine problematisch hohe Katzenpopulation existiert, erscheint
die Annahme einer abstrakten Gefahr fraglich. Nach einer hier vorliegenden
Stellungnahme des NRW Städte- und Gemeindebundes vom 30.04.2012 (vgl. Anlage
2) gibt es derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass von einer
überhöhten Katzenpopulation verstärkt Gesundheitsgefahren für den Menschen
ausgehen.
„Moralische
und hygienische Zumutungen insbesondere durch ggf. verstärkte Ausscheidungen
der Katzen sowie das Leiden und Sterben der Tiere oder bloße Belästigungen,
Nachteile, Unbequemlichkeiten oder Geschmacklosigkeiten überschreiten nicht die
Gefahrenschwelle und rechtfertigen nicht den Erlass einer Ordnungsbehördlichen
Verordnung“, so der NRW Städte- und Gemeindebund.
Eine
abstrakte Gefahr kann vorliegend auch nicht wegen der Nichtbeachtung des
Tierschutzgesetzes (TierSchG) angenommen werden. Laut NRW Städte- und
Gemeindebund wäre hierfür erforderlich, dass das TierSchG diesbezüglich vom
Bürger ein Tun oder Unterlassen verlangt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die
Kastration von Katzen ist für eine artgerechte Tierhaltung nach den Vorgaben
des § 2 TierSchG nicht erforderlich. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 TierSchG beinhaltet
keine Kastrationspflicht, sondern nimmt lediglich die Unfruchtbarmachung zur
Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung vom grundsätzlichen Verbot des
Entnehmens oder Zerstörens von Organen aus. Das Unterlassen der Kastration
stellt schließlich auch keinen Verstoß gegen § 1 Satz 2 TierSchG dar, da
hierdurch der betreffenden Katze keine Schmerzen, Leid oder Schaden zugefügt
werden.
Solange
eine erhöhte Gesundheitsgefährdung für den Menschen nicht nachgewiesen ist, ist
nach Auffassung des NRW Städte- und Gemeindebundes eine Kastrationspflicht für
Katzen durch Ordnungsbehördliche Verordnung mangels abstrakter Gefahr nicht
rechtmäßig.
Auch
eine allgemeine Kennzeichnungspflicht ist nach Einschätzung des NRW Städte- und
Gemeindebundes mangels abstrakter Gefahr nicht gerechtfertigt, da eine
entlaufene, streunende oder herrenlose Katze regelmäßig keine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. In der Stellungnahme heißt es:
„Das bloße Leiden eines Tieres an sich beeinträchtigt die öffentliche Sicherheit
und Ordnung regelmäßig nicht, da dem Tier keine subjektiven Rechte zukommen.
Erst infolge eines Verstoßes gegen Normen des TierSchG kann eine Gefahrenlage
bejaht werden. So z.B. wenn das Tier bewusst vom Halter ausgesetzt wurde und
dieser dadurch seine Pflichten zur artgerechten Tierhaltung aus § 1 Satz 2 und
§ 3 Nr. 3 TierSchG verletzt. Für diese Fälle erscheint jedoch eine
Kennzeichnungspflicht für alle Katzen angesichts anderer Möglichkeiten zur
Bekämpfung dieser Gefahr, wie z.B. der Unterbringung in einem Tierheim, nicht
erforderlich und damit unverhältnismäßig. Soweit die Kennzeichnungspflicht dazu
dienen soll, die Einhaltung der Kastrationspflicht kontrollieren zu können, ist
sie zumindest solange nicht zulässig, wie auch die Kastrationspflicht mangels
Gefahrenlage nicht rechtmäßig ist.“
Den
o.g. Auffassungen sind mehrheitlich auch die Leiter der örtlichen
Ordnungsbehörden im Rahmen einer Dienstbesprechung beim Kreis Unna am
01.03.2012 u.a. zum Thema „Kastrations- und Kennzeichnungspflicht von Katzen“
gefolgt. Auch diese sahen ein rechtliches Problem in der Annahme einer
abstrakten Gefahr.
3. Handhabbarkeit der
beantragten Regelung
Ungeachtet
der rechtlichen Bedenken wäre die praktische Umsetzung der von der
Antragstellerin gewünschten Kastrations- und Kennzeichnungspflicht im gesamten
Bergkamener Stadtgebiet mit dem vorhandenen Personal des ordnungsbehördlichen
Außendienstes zusätzlich kaum leistbar. Die zweckmäßige Durchführung
entsprechender Überwachungsaufgaben sowie das Einfangen und der Transport
herrenloser Katzen würde eine Verstärkung des vorhandenen Personalbestandes
bedeuten, was bei der derzeitigen Haushaltssituation jedoch nicht realisierbar
erscheint. Selbst im Falle einer Personalaufstockung wäre eine Kontrolle oder
Verfolgung von Verstößen kaum handhabbar bzw. praktikabel.
Vielmehr
haben Gespräche mit anderen Kommunen ergeben, dass Überwachungen der
Kastrations- und Kennzeichnungspflicht trotz Aufnahme entsprechender Regelung
in den jeweiligen Ordnungsbehördlichen Verordnungen aus Gründen von
Personalmangel flächendeckend und dauerhaft nicht stattfinden.
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1.
Das Deckblatt
2.
Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
3.
2 Anlagen
Der
Bürgermeister In
Vertretung Wenske |
|
Amtsleiterin Busch |
Sachbearbeiter Höll |
|