Betreff
Antrag der FDP-Fraktion vom 05.03.2012 auf Einführung einer Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für freilaufende Hauskatzen
Vorlage
10/0891
Aktenzeichen
32.93.03 hö-sz
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Bergkamen beschließt, den Antrag der FDP-Fraktion vom 05.03.2012

 

„Der Rat möge beschließen,

1.       dass die Verwaltung die „Ordnungsbehördliche Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf den Verkehrsflächen und in den Anlagen im Gebiet der Stadt Bergkamen“ um die Punkte bezüglich der Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für freilaufende Hauskatzen ergänzen und dem Rat zum Beschluss zutragen möge;

2.       dass die Verwaltung ein Konzept zur Umsetzung und Publikmachung der vorstehenden Kastrations- und Kennzeichnungspflicht erarbeiten und dem zuständigen Ausschuss vorstellen möge, durch den die Pflicht den Tierhaltern nahe gebracht wird.“

 

abzulehnen.

 

 

Sachdarstellung:

 

Mit dem als Anlage 1 beigefügten Schreiben vom 05.03.2012 beantragt die FDP-Fraktion – kurzgefasst – die „Ordnungsbehördliche Verordnung“ um eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für freilaufende Hauskatzen zu ergänzen. Weiterhin soll die Verwaltung ein Konzept zur Umsetzung und Publikmachung der Kastrations- und Kennzeichnungspflicht erarbeiten.

 

Der Antrag wird im Wesentlichen und unter anderem mit der Begrenzung überproportionaler Übervermehrung sowie mit allgemeinen Informationen zu anwachsenden Populationen wilder und verwilderter Katzen begründet. Hierbei wird auf entsprechende Kastrations- und Kennzeichnungspflichten in landesweit 72 Kommunen verwiesen. Beispielhaft werden die Städte Paderborn und Schwerte angeführt. Konkrete Angaben über die Situation von freilaufenden Hauskatzen in Bergkamener Stadtgebiet werden von der Antragstellerin nicht gemacht. Auf die weiteren Ausführungen im Antragsschreiben vom 05.03.2012 wird verwiesen.

 

Die Verwaltung schlägt dem Rat eine Ablehnung des Antrags vor, weil

 

·         Erkenntnisse über die von der FDP-Fraktion allgemein angesprochene Problematik für das Gebiet der Stadt Bergkamen nicht vorliegen,

·         eine Einbeziehung der beantragten Regelung in die Ordnungsbehördliche Verordnung seitens der Verwaltung als rechtswidrig eingeschätzt würde,

·         eine Umsetzung der beantragten Regelung als nicht praktikabel angesehen wird.

 

 

1. Regelungsbedarf

 

Von Seiten des Sachgebiets für Ordnungsangelegenheiten kann festgestellt werden, dass die Zahl der im Bereich des Bergkamener Stadtgebietes bekannt gewordenen und dem Kreistierheim Unna zugeführten Fundkatzen in den letzten Jahren unverkennbar zurückgegangen ist:

 

Jahr

zugeführte Katzen

2006

30

2007

27

2008

37

2009

20

2010

17

 

Bei einem Vergleich der statistischen Daten des Kreistierheims Unna aus 2010 lässt sich zudem erkennen, dass die Zahl der in der Stadt Bergkamen registrierten Fundkatzen, vor allem auch im Verhältnis zur Größe und Einwohnerzahl der anderen kreisangehörigen Kommunen, neben Fröndenberg, Selm und Bönen am geringsten ist und deutlich unter dem Kreisdurchschnitt liegt:

 

Stadt/Gemeinde

zugeführte Katzen

Bergkamen

17

Bönen

16

Fröndenberg

4

Holzwickede

18

Kamen

28

Lünen

52

Selm

9

Unna

55

Werne

23

Summe

222

 

Für die Stadt Schwerte lassen sich die Zahlen der durch das Ordnungsamt zugeführten Katzen nicht ermitteln. Dort existiert ein eigenes Tierheim, das vom örtlichen Tierschutzverein betrieben wird.

 

In Anbetracht dieser Zahlen ist festzustellen, dass eine Gefahr für eine „erhöhte Katzenpopulation“ infolge von bisher unterlassener Kastrationen im Bereich der Stadt Bergkamen eher nicht besteht und nach den bisherigen Erkenntnissen auch für die Zukunft nicht anzunehmen ist. Überdies sind dem Sachgebiet für Ordnungsangelegenheiten bisher auch keine Hinweise für eine Not- oder Gefahrenlage aufgrund der vorhandenen Katzenpopulation, wie etwa die Beeinträchtigung der Gesundheit von Menschen oder Tieren, bekannt geworden.

 

 

2. Rechtliche Einschätzung

 

Das Handeln der Ordnungsbehörde ist erst dann zulässig, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung besteht. Zur Abwehr solcher Gefahren können die Ordnungsbehörden aufgrund der Ermächtigung in den §§ 26 und 27 des Ordnungsbehördengesetzes NRW (OBG NRW) ordnungsbehördliche Verordnungen erlassen, die nach § 25 Satz 1 OBG NRW für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind.

 

Nach ihrer Zweckbestimmung gelten diese Vorschriften zur Abwehr einer „abstrakten Gefahr“. Eine abstrakte Gefahr ist nach Rhein, Kommentar zum Ordnungsbehördengesetz NRW, 1. Aufl. 2004, § 1 Rn. 20, gegeben, wenn eine generell abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr generell zu bekämpfen.

 

Das Vorliegen einer abstrakten Gefahr ist somit entscheidende Voraussetzung für den Erlass und die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsbehördlichen Verordnung.

 

Eine solche Gefahr ist aufgrund der Erkenntnisse zu Ziff. 1 jedoch nicht zu erkennen. Selbst wenn die Ermittlungen ergeben würden, dass im Bereich der Stadt Bergkamen eine problematisch hohe Katzenpopulation existiert, erscheint die Annahme einer abstrakten Gefahr fraglich. Nach einer hier vorliegenden Stellungnahme des NRW Städte- und Gemeindebundes vom 30.04.2012 (vgl. Anlage 2) gibt es derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass von einer überhöhten Katzenpopulation verstärkt Gesundheitsgefahren für den Menschen ausgehen.

 

„Moralische und hygienische Zumutungen insbesondere durch ggf. verstärkte Ausscheidungen der Katzen sowie das Leiden und Sterben der Tiere oder bloße Belästigungen, Nachteile, Unbequemlichkeiten oder Geschmacklosigkeiten überschreiten nicht die Gefahrenschwelle und rechtfertigen nicht den Erlass einer Ordnungsbehördlichen Verordnung“, so der NRW Städte- und Gemeindebund.

 

Eine abstrakte Gefahr kann vorliegend auch nicht wegen der Nichtbeachtung des Tierschutzgesetzes (TierSchG) angenommen werden. Laut NRW Städte- und Gemeindebund wäre hierfür erforderlich, dass das TierSchG diesbezüglich vom Bürger ein Tun oder Unterlassen verlangt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Kastration von Katzen ist für eine artgerechte Tierhaltung nach den Vorgaben des § 2 TierSchG nicht erforderlich. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 TierSchG beinhaltet keine Kastrationspflicht, sondern nimmt lediglich die Unfruchtbarmachung zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung vom grundsätzlichen Verbot des Entnehmens oder Zerstörens von Organen aus. Das Unterlassen der Kastration stellt schließlich auch keinen Verstoß gegen § 1 Satz 2 TierSchG dar, da hierdurch der betreffenden Katze keine Schmerzen, Leid oder Schaden zugefügt werden.

 

Solange eine erhöhte Gesundheitsgefährdung für den Menschen nicht nachgewiesen ist, ist nach Auffassung des NRW Städte- und Gemeindebundes eine Kastrationspflicht für Katzen durch Ordnungsbehördliche Verordnung mangels abstrakter Gefahr nicht rechtmäßig.

 

Auch eine allgemeine Kennzeichnungspflicht ist nach Einschätzung des NRW Städte- und Gemeindebundes mangels abstrakter Gefahr nicht gerechtfertigt, da eine entlaufene, streunende oder herrenlose Katze regelmäßig keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. In der Stellungnahme heißt es: „Das bloße Leiden eines Tieres an sich beeinträchtigt die öffentliche Sicherheit und Ordnung regelmäßig nicht, da dem Tier keine subjektiven Rechte zukommen. Erst infolge eines Verstoßes gegen Normen des TierSchG kann eine Gefahrenlage bejaht werden. So z.B. wenn das Tier bewusst vom Halter ausgesetzt wurde und dieser dadurch seine Pflichten zur artgerechten Tierhaltung aus § 1 Satz 2 und § 3 Nr. 3 TierSchG verletzt. Für diese Fälle erscheint jedoch eine Kennzeichnungspflicht für alle Katzen angesichts anderer Möglichkeiten zur Bekämpfung dieser Gefahr, wie z.B. der Unterbringung in einem Tierheim, nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. Soweit die Kennzeichnungspflicht dazu dienen soll, die Einhaltung der Kastrationspflicht kontrollieren zu können, ist sie zumindest solange nicht zulässig, wie auch die Kastrationspflicht mangels Gefahrenlage nicht rechtmäßig ist.“

 

Den o.g. Auffassungen sind mehrheitlich auch die Leiter der örtlichen Ordnungsbehörden im Rahmen einer Dienstbesprechung beim Kreis Unna am 01.03.2012 u.a. zum Thema „Kastrations- und Kennzeichnungspflicht von Katzen“ gefolgt. Auch diese sahen ein rechtliches Problem in der Annahme einer abstrakten Gefahr.

 

 

3. Handhabbarkeit der beantragten Regelung

 

Ungeachtet der rechtlichen Bedenken wäre die praktische Umsetzung der von der Antragstellerin gewünschten Kastrations- und Kennzeichnungspflicht im gesamten Bergkamener Stadtgebiet mit dem vorhandenen Personal des ordnungsbehördlichen Außendienstes zusätzlich kaum leistbar. Die zweckmäßige Durchführung entsprechender Überwachungsaufgaben sowie das Einfangen und der Transport herrenloser Katzen würde eine Verstärkung des vorhandenen Personalbestandes bedeuten, was bei der derzeitigen Haushaltssituation jedoch nicht realisierbar erscheint. Selbst im Falle einer Personalaufstockung wäre eine Kontrolle oder Verfolgung von Verstößen kaum handhabbar bzw. praktikabel.

 

Vielmehr haben Gespräche mit anderen Kommunen ergeben, dass Überwachungen der Kastrations- und Kennzeichnungspflicht trotz Aufnahme entsprechender Regelung in den jeweiligen Ordnungsbehördlichen Verordnungen aus Gründen von Personalmangel flächendeckend und dauerhaft nicht stattfinden.

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

3. 2 Anlagen

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

 

Wenske
Beigeordneter

 

 

Amtsleiterin

 

 

 

 

Busch

Sachbearbeiter

 

 

 

 

Höll