Beschlussvorschlag:
Der Ausschuss
für Schule, Sport und Weiterbildung nimmt die Vorlage der Verwaltung zur
Kenntnis.
Sachdarstellung:
Der Ausschuss für Schule, Sport und
Weiterbildung hat sich in den letzten Jahren regelmäßig mit der gemeinsamen
Beschulung von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen und Schülern
beschäftigt.
Im Zusammenhang mit der Frage der
Inklusion und dem möglichen Rechtsanspruch behinderter Menschen auf
gleichberechtigte Teilhabe bzw. Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, ist
dieses Thema immer mehr in den Focus der Betrachtung gerückt.
Bereits im Dezember 2006 hat die
UNO-Generalversammlung die Konvention zum Schutz und zur Förderung der Rechte
behinderter Menschen beschlossen.
Dazu zählt unter anderem, dass von den
Vertragsstaaten ein „Inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen“ zu
gewährleisten ist. Menschen mit Behinderungen dürfen nicht aufgrund dieser
Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Sie müssen
die gleiche Berechtigung haben allgemeinbildende Schulen zu besuchen wie alle
anderen Kinder auch.
Bundestag und Bundesrat haben Ende 2008
bzw. Anfang 2009 der Behindertenrechtskonvention der UN zugestimmt. Sie ist
damit ratifiziert und am 26.03.09 in Kraft getreten, somit also geltendes
innerdeutsches Recht.
Da das Schulwesen nicht zum
Zuständigkeitsbereich des Bundes sondern zum Zuständigkeitsbereich der Länder
gehört, ist jedes einzelne Bundesland gehalten, Artikel 24 der
UN-Behindertenrechtskonventionen im Schulbereich umzusetzen.
Der Landtag NRW hat am 1. Dezember 2010
die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvension in NRW ohne Gegenstimmen
verabschiedet.
In dem Landtagsbeschluss ist
festgestellt worden, dass die Kinder den Rechtsanspruch auf Inklusion brauchen.
Als Regelförderort ist die allgemeine Schule bestimmt worden, wobei Eltern
weiterhin für ihr Kind eine Förderschule wählen können.
Gefordert ist damit eine inklusive
Pädagogik die im Gegensatz zur integrativen Pädagogik Menschen mit Behinderung
gar nicht erst aussortieren möchte. Bei der Inklusion geht es darum, Strukturen
auf die Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler auszurichten.
Im Folgenden soll der aktuelle Stand an
den Bergkamener Schulen im Einzelnen erläutert werden:
1. Kompetenzzentrum für
Sonderpädagogische Förderung
Seit dem Schuljahr 2008 / 2009 ist die
Albert-Schweitzer-Förderschule in Bergkamen-Oberaden Kompetenzzentrum für
sonderpädagogische Förderung (KsF). Die Schule nimmt damit als eine von
zunächst 20 Förderschulen in Nordrhein-Westfalen an einem Schulversuch teil.
Der Schulversuch, der zunächst auf drei Schuljahre befristet war, ist
zwischenzeitlich auf fünf Schuljahre verlängert und auf 50 Kompetenzzentren in
Nordrhein-Westfalen ausgeweitet worden. Im Schulausschuss sind seit Umwandlung
der Schule mehrfach die aktuellen Entwicklungsstände der Schule vorgestellt
worden. Die erste Vorlage war für den Ausschuss für Schule, Sport und
Weiterbildung am 24.03.2009, Drucksache Nr. 9/1539 geschrieben worden.
Letztmalig hat der inzwischen pensionierte Schulleiter der Schule, Herr Bernd
Scheungrab am 16.06.2010 über den aktuellen Entwicklungsstand berichtet.
Im Ergebnis kann für die Bergkamener
Grundschulen und die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache sowie emotionale und
soziale Entwicklung festgestellt werden, dass der Gedanke der Inklusion auf dem
Weg einer guten Umsetzung ist. Im Rahmen des Schulversuches ist das
Kompetenzzentrum soweit gegangen, dass für Grundschüler keine formellen
Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs mehr
durchgeführt werden. Die Schülerinnen und Schüler verbleiben in der Grundschule
und werden von den Sonderpädagogen des Kompetenzzentrums zunächst einmal für
die Dauer von maximal einem halben Jahr begleitet. Innerhalb dieser Phase wird
der mögliche Förderbedarf diagnostiziert und in Absprache mit den Eltern, den
Lehrerinnen und Lehrern der Grundschule sowie den Sonderpädagogen schließt sich
dann eine Förderphase in der Grundschule an. Die Kinder bleiben in diesem
Augenblick Schüler der Grundschule, haben aber einen besonderen Förderbedarf.
Vergleichbar ist dies mit der Förderung, die besonders leistungsstarke oder
auch leistungsschwache Schülerinnen und Schüler in den anderen Fächern
erhalten.
Nur in Ausnahmefällen und auf besonderen
Wunsch der Eltern wird das formelle Sonderschulaufnahmeverfahren (Gutachten
gem. AO-SF) überhaupt eingeleitet. In diesen Fällen wünschen die Eltern
ausdrücklich eine Beschulung ihres Kindes an der Förderschule.
Die sich daraus resultierende
Entwicklung für die Albert-Schweizer-Schule ist aus folgender Tabelle eindeutig
abzulesen.
Schülerzahlen
Schuljahr |
Albert-Schweitzer-Schule |
Gesamt |
prozentual |
2002/2003 |
229 |
6.976 |
3,28 |
2003/2004 |
228 |
6.894 |
3,31 |
2004/2005 |
219 |
6.765 |
3,24 |
2005/2006 |
215 |
6.738 |
3,19 |
2006/2007 |
219 |
6.573 |
3,33 |
2007/2008 |
216 |
6.386 |
3,38 |
2008/2009 |
211 |
6.239 |
3,38 |
2009/2010 |
187 |
6.060 |
3,09 |
2010/2011 |
174 |
5.991 |
2,90 |
2011/2012 |
152 |
5.862 |
2,59 |
In den Schuljahren von 2002/2003 bis
2008/2009 lag die Schülerzahl der Albert-Schweitzer-Schule zwischen 211 und 229
relativ konstant obwohl die Gesamtschülerzahl an den Bergkamener Schulen von
6.976 auf 6.386 gefallen ist. Ab 2008/2009 ist die Schülerzahl der
Albert-Schweitzer-Schule im Vergleich zu den natürlich weiter sinkenden
Gesamtschülerzahlen überproportional stark zurückgegangen.
Auch wenn die Schülerinnen und Schüler
als Regelschüler an den Grundschulen verbleiben, weisen die Grundschulen in der
jährlich zu erstellenden Statistik die Zahlen entsprechend aus. Im laufenden
Schuljahr 2001/2012 besuchen folgende Kinder eine Grundschule, haben aber einen
besonderen sonderpädagogischen Förderbedarf:
Schillerschule 7 Schülerinnen und
Schüler
Pestalozzischule 7 Schülerinnen und
Schüler
Gerhart-Hauptmann-Schule 3 Schülerinnen und
Schüler
Jahnschule 4 Schülerinnen und Schüler
Preinschule 6 Schülerinnen und Schüler
Alisoschule 6 Schülerinnen und Schüler
Freiherr-von-Ketteler-Schule 2 Schülerinnen und
Schüler
Pfalzschule 7 Schülerinnen und Schüler
Overberger Schule 0 Schülerinnen und
Schüler
Insgesamt haben damit 42 von 1.953
Schülerinnen und Schülern einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Dies
entspricht einem Anteil von gut 2 %.
Von den 42 Schülerinnen und Schülern
haben 33 den Förderschwerpunkt
"Lernen" und 5 den Förderschwerpunkt "Emotionale und
soziale Entwicklung".
2. Zieldifferenter Gemeinsamer
Unterricht in der Sekundarstufe I
Zieldifferenter
gemeinsamer Unterricht wird in Bergkamen seit über 10 Jahren in der Praxis
umgesetzt. An der Freiherr-von-Ketteler-Grundschule in Bergkamen-Rünthe ist im
Schuljahr 2001/02 erstmalig eine entsprechende Klasse eingerichtet worden. Die
Schülerinnen und Schüler, die diese Klasse besucht haben, haben ihre
Grundschulzeit zum Schuljahresende 2004/05 beendet. Der Rat der Stadt Bergkamen
hat am 09.03.2005 (Drucksache Nr. 9/215-00) beschlossen, bei der Oberen
Schulaufsichtsbehörde einen Antrag auf Teilnahme an einem Schulversuch
"Gemeinsamer Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen
und Schülern in der Sekundarstufe I – zieldifferent" für die
Heide-Hauptschule in Bergkamen-Weddinghofen zu stellen. Diesem Antrag ist
entsprochen worden. Zum Schuljahresbeginn 2005/06 ist der erste gemeinsame
Unterricht in der Sekundarstufe I in Bergkamen an der Heide-Hauptschule
eingerichtet worden. Seit dieser Zeit wird sowohl in der Primarstufe als auch
in der Sekundarstufe I regelmäßig zieldifferenter gemeinsamer Unterricht
praktiziert.
Nach der
mittlerweile gültigen Erlasslage sollten mindestens fünf Schülerinnen oder
Schüler zusammenkommen, um eine entsprechende Klasse einzurichten. Es handelt
sich nicht mehr um einen Schulversuch. In den Jahren, in denen in Bergkamen
nicht genügend Schülerinnen und Schüler vorhanden waren, sind in Absprache mit
den Städten Kamen und Werne gemeinsame Lösungen in der Form gefunden worden,
dass im Wechsel die Beschulung bei den einzelnen Schulträgern erfolgte. In der
Regel war Kriterium für die Einrichtung einer Gruppe in der jeweiligen Kommune,
dass möglichst wenig Schülerinnen und Schüler mit einem Bus zur Schule
transportiert werden mussten.
Im laufenden
Schuljahr 2011/12 besuchen 22 Schülerinnen und Schüler den gemeinsamen
Unterricht an der Bergkamener Hauptschule. Bei insgesamt 398 Schülerinnen und
Schülern an der Hauptschule entspricht dies einem Anteil von 5,52 %. Genauso
wie im Grundschulbereich werden auch an der Hauptschule die meisten
Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt "Lernen" unterrichtet.
Es handelt sich um 14 Kinder. Je 2 haben den Förderschwerpunkt "Geistige
Entwicklung" bzw. "Sprache". 4 Kinder werden im Förderschwerpunkt
"Emotionale und soziale Entwicklung" unterrichtet.
Der gemeinsame
zieldifferente Unterricht in der Sekundarstufe I hat bis zum Schuljahr 2010/11ausschließlich
an Hauptschulen stattgefunden.
Zu Beginn des
Schuljahres 2011/12 konnte erstmalig keine Eingangsklasse in der letzten Hauptschule
in Bergkamen, der Hellweg-Hauptschule, eingerichtet werden. Es lagen nur 15
Anmeldungen vor. In der Sitzung des Ausschusses für Schule, Sport und
Weiterbildung am 06.07.2011 (Drucksache Nr. 10/0639) ist darüber entsprechend
berichtet worden.
Entsprechend
konnte an der Hauptschule kein zieldifferenter gemeinsamer Unterricht mehr
durchgeführt werden. Die Unterbringung der 12 Schülerinnen und Schüler, die zum
Schuljahresbeginn 2011/12 am zieldifferenten gemeinsamen Unterricht teilnehmen
wollten, war aus zwei Gründen an der Hellweg-Hauptschule in Bergkamen-Rünthe
nicht möglich. Zum einen hätte man bei 12 Kindern mit sonderpädagogischen
Förderbedarf und 15 ohne diesen nicht mehr von einer Integration sprechen
können. Zum anderen hatte die Schulaufsichtsbehörde klar untersagt, dass
Schulen, die im Bestand gefährdet sind, GU-Klassen einrichten dürfen, um die
Schule zu erhalten.
Aus den
vorgenannten Gründen ist zum Schuljahresbeginn 2011/12 der gemeinsame
Unterricht an der Willy-Brandt-Gesamtschule Bergkamen eingerichtet worden.
Insgesamt besuchen 12 Schülerinnen und Schüler, die primär im Förderschwerpunkt
„Lernen“ beschult werden, zwei Klassen an der Willy-Brandt-Gesamtschule
Bergkamen.
Zum
Schuljahresbeginn 2012/13 werden in Bergkamen nach heutigem Stand insgesamt 14
Schülerinnen und Schüler den gemeinsamen Unterricht in der Sekundarstufe I
besuchen.
Da im Rahmen
der Inklusion es absehbar ist, dass zukünftig alle Schulen gemeinsamen
Unterricht durchführen werden, sollen an den beiden Realschulen und am Städt.
Gymnasium Bergkamen je eine Gruppe mit fünf bzw. an einer Schule mit vier
Kindern eingerichtet werden. Das Schulamt für den Kreis Unna weist die entsprechenden
Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung einer möglichst wohnortnahen
Beschulung direkt den weiterführenden Schulen zu. Eine Absprache mit den
beteiligten Schulleiterinnen und Schulleitern ist bereits Ende 2011 erfolgt.
3. Ausblick/Situation im Land
Das Land
Nordrhein-Westfalen hat insgesamt zwei Gutachten im Bereich der Inklusion in
Auftrag gegeben. In dem einen Gutachten sind die Wissenschaftler Prof. Klaus
Klemm und Prof. Ulf Preuss-Lausitz vom Schulministerium beauftragt worden,
Empfehlungen für die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems in
Nordrhein-Westfalen zu erarbeiten. Das Gutachten ist im Juni letzten Jahres
vorgestellt worden. Im Ergebnis kommen die Gutachter zu der Erkenntnis, dass es
innerhalb einer Frist von 10 Jahren möglich sein sollte, eine sogenannte
Inklusionsquote von etwa 85 % zu erreichen. Derzeit lernen etwa 17 % der
Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bis zur 10.
Klasse in allgemeinen Schulen, 83 % in Förderschulen.
Ein zweites Gutachten
ist von Prof. Dr. Rolf Werning zu den Kompetenzzentren für sonderpädagogische
Förderung im Bereich Lernen und Entwicklungsstörungen in Nordrhein-Westfalen
vorgelegt worden. Prof. Werning hat dazu ca. 10 % der Kompetenzzentren näher
untersucht.
Auf Grundlage
dieser Gutachten wird im Land zurzeit diskutiert, wie die Umsetzung der
Inklusion im Schulbereich in NRW erfolgen kann.
Das Ministerium
für Schule und Weiterbildung des Landes NRW hat angekündigt, zu der gesamten
Thematik zunächst ein Eckpunktepapier zu veröffentlichen. Nach Auskunft aus dem
Ministerium ist damit zu rechnen, dass eine gesetzliche Umsetzung zu Beginn des
Schuljahres 2013/14 erfolgen wird.
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1.
Das Deckblatt
2.
Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
Der
Bürgermeister In
Vertretung Mecklenbrauck Erster
Beigeordneter |
|
Amtsleiter Kray |
|
|