Betreff
Perspektiven für das Grundstück Albert-Schweitzer-Haus – Erarbeitung eines Entwicklungskonzepts
Vorlage
12/1259
Aktenzeichen
thi - ger
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Strukturwandel und Wirtschaftsförderung nimmt die Ausführungen zum Sachstand beim Grundstück des Albert-Schweitzer-Hauses zur Kenntnis.

Die Verwaltung wird beauftragt, für die künftige Entwicklung des Grundstücks des Albert-Schweitzer-Hauses ein Konzept zu erarbeiten, das die verschiedenen Ansprüche, die an den Standort gestellt werden, berücksichtigt. Die Konzepterarbeitung soll unter Beteiligung der Bürgerschaft und der politischen VertreterInnen erfolgen.

 

 

Sachdarstellung:

 

In der Diskussion über die weitere Entwicklung von Grundstück und Gebäude des Albert-Schweitzer-Hauses in Weddinghofen sind in den vergangenen Wochen und Monaten verschiedene Ideen und Forderungen aus Stadtgesellschaft und Politik benannt worden. Neben der Realisierung von Einzelhandel zur dringenden Deckung des Nahversorgungsbedarfs für Weddinghofen, wird auch ein Erhalt des Gebäudes, des dortigen Wohnraums und des KiTa-Standorts sowie die Schaffung eines Treffpunkts für Weddinghofen diskutiert. Da es sich um das letzte städtische Grundstücke in zentraler Lage in Weddinghofen handelt, soll dieses einer bestmöglichen Nutzung zugeführt werden, die möglichst viele Bedarfe berücksichtigt. Dabei gilt es auch, die planungsrechtlichen, verkehrlichen und ökologischen Rahmenbedingungen des Standorts zu berücksichtigen, d. h. die umgebende Wohnbebauung, die Erschließungssituation im Bereich der Schulstraße und der zum Teil hochwertige Baumbestand.

 

 

Aktuelle Grundstückssituation

 

Das Grundstück des Albert-Schweitzer-Hauses, Schulstraße 6-10, hat eine Gesamtgröße von knapp 10.100 m² und steht im Eigentum der Stadt Bergkamen. Der Standort liegt in integrierter Lage im südlichen Bereich von Weddinghofen und ist sehr gut verkehrlich angebunden.

Eine Erschließung des Grundstücks ist über die Schulstraße gegeben. Die Schulstraße ist hier eine Gemeindestraße mit beidseitigen Gehwegen. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Bushaltestelle „Im Alten Dorf“. Hier verkehren die Linien S 30 (Bergkamen – Dortmund), R 11 (Bergkamen – Lünen) sowie R8 1 (Werne – Bergkamen Kamen – Unna) und bieten eine sehr gute ÖPNV-Anbindung.

 

Das ehemalige Schulgebäude auf dem Grundstück wurde in den 1950er Jahren gebaut. Es besteht neben dem Hauptgebäude, das zentral auf dem Grundstück steht, aus zwei kleineren Gebäuden direkt an der Schulstraße. Das Hauptgebäude wird vor allem von der Kindertageseinrichtung (KiTa) „Vorstadtstrolche“ in Trägerschaft der AWO genutzt. Bis zum vergangenen Jahr war hier außerdem das kommunale Integrationszentrum des Kreises Unna beheimatet. Zudem gibt es eine Wohnung. Die beiden Gebäude an der Schulstraße werden ebenfalls in Teilen durch die AWO für die KiTa genutzt (u. a. als Turnraum). Hier befinden sich zudem das Büro des Weddinghofer Ortsvorstehers, ein Vereinstreff und weitere fünf Wohnungen.

Die Gebäudegrundrisse sind nur bedingt für die heutigen Nutzungen geeignet, zudem gibt es nach dem Auszug des Kreises Unna Leerstände. Die Gebäudesubstanz stellt sich als überaltert und in Teilen sehr marode dar, sodass ein Erhalt voraussichtlich unwirtschaftlich ist.

 

Der Platz zwischen den Gebäuden wird als Parkplatz genutzt und dient zudem für Veranstaltungen, insbesondere für den jährlichen Weihnachtsmarkt.

Auf dem Areal befindet sich ein großer, zum Teil schützenswerter Baumbestand mit insgesamt 91 Bäumen. Im vorderen Bereich, vor dem Hauptgebäude, befinden sich 28 Bäume verschiedener Arten. Diese sind vereinzelt als besonders erhaltenswert einzustufen. Mittelfristig ist allerdings davon auszugehen, dass einzelne Bäume abgängig sind. Im Bereich hinter dem Hauptgebäude befinden sich insgesamt 63 Bäume, vorwiegend Linden. Diese sind als besonders erhaltenswert einzustufen.

 

Im März 2023 ist eine Verkehrswertermittlung durch den Gutachterausschuss des Kreises Unna erfolgt. Der Grundstücks- bzw. Bodenwert für das Areal beträgt demnach 1,81 Mio. € bzw. 1,35 Mio. € bei kalkulierten Abrisskosten in Höhe von 0,46 Mio. €.

 

 

Planungsrechtliche Rahmenbedingungen

 

Im Flächennutzungsplan der Stadt Bergkamen ist der Standort als „Fläche für den Gemeinbedarf“ mit der Zweckbestimmung „Kindergarten“ dargestellt. Westlich und nordwestlich grenzt Wohnbaufläche, nordöstlich gemischte Baufläche an. Östlich der Schulstraße grenzt ebenfalls Wohnbaufläche an. Das Grundstück der evangelischen Kirche südlich des Standortes ist gemeinsam mit den benachbarten Wohngebäuden und dem Ernst-Flüß-Platz als Fläche für den Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung „Anlagen und Einrichtungen für kirchliche Zwecke“ dargestellt.

Ein Bebauungsplan für den Standort existiert derzeit nicht. Angrenzend besteht nur für einen Teilbereich östlich der Schulstraße und nördlich der Straße Im Burkamp ein Bebauungsplan, der ein Allgemeines Wohngebiet in zweigeschossiger, offener Bauweise festsetzt. Alle übrigen angrenzenden Grundstücke entsprechen gemäß § 34 Baugesetzbuch (BauGB) einem Allgemeinen Wohngebiet bzw. Mischgebiet mit zweigeschossiger, offener Bauweise.

 

Eine vom heutigen Gemeinbedarf abweichende Nutzung löst ein Planerfordernis aus. Das bedeutet, dass zum einen ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss, der die neuen Nutzungen festsetzt. Zum anderen muss parallel dazu der Flächennutzungsplan geändert werden. In die Bauleitplanung können ggf. auch angrenzende Bereiche aufgenommen werden, wenn sich hier städtebauliche Zusammenhänge ergeben.

 

 

Aktuelle politische Beschlusslage

 

Der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz hat im März 2023 einstimmig beschlossen, die Verwaltung zu beauftragten, bei einer neuen Nutzung der Fläche rund um die Kita "Vorstadtstrolche" ein Konzept zu erarbeiten, um den Baumbestand auf dem Grundstück zu erhalten (vgl. Drucksache 12/0834).

Darüber hinaus soll das Konzept die nachfolgenden Kriterien beinhalten und allgemeingültig für zukünftige Bauprojekte in Bergkamen angewendet werden soll:

·         Priorisierung der Kernpunkte:

o   Ökologische und klimatische Wertigkeit, sowie energetische Standards

o   Nutzungskonzept (Wohnungsbau, Arbeitsplätze, etc.)

o   Quartiersentwicklung und städtebauliche Eingliederung

o   Architektonische Funktionalität

·         Ausrichtung des Konzeptes / der Kriterien an der Bergkamener „Checkliste Klimaschutz und Klimaanpassung“ zur Bewertung städtebaulicher Projekte.

·         Die Deckung für entstehende Kosten soll aus der Kostenstelle 14.56.01.524108 (Klimaschutz) erfolgen.

 

Dieser Beschluss sowie die seinerzeit gesetzten Kriterien sind bei der Flächenentwicklung zu berücksichtigen.

 

 

Nutzungsoptionen

 

Das Grundstück des heutigen Albert-Schweitzer-Haus bietet nach Abriss der marode Gebäudesubstanz ein großes Flächenpotenzial, das in dieser Form und in dieser zentralen Lage einmalig in Weddinghofen ist. Da das Grundstück zudem im städtischen Eigentum steht, ist hier eine direkte Einflussnahme auf die künftige Nutzung und Gestaltung möglich.

 

Bekanntermaßen besteht in Weddinghofen ein großer Bedarf zur Schaffung einer bedarfsgerechten Nahversorgung. Derzeit bietet der Nettomarkt an der Schulstraße mit einer Verkaufsfläche von rund 700 m² die einzige Möglichkeit, sich fußläufig zu den benachbarten Wohngebieten mit Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen. Die Pläne zum Neubau und zur Verlagerung des Nettomarktes an einen Standort am Häupenweg wurden aufgrund artenschutzrechtlicher Restriktionen bislang nicht weiterverfolgt. Weitere Standorte entlang der Schulstraße als zentraler Achse im Stadtteil gibt es nicht. Bei der ebenfalls in Weddinghofen befindliche Fläche der ehemaligen Turmarkaden stockt zum einen Entwicklung, zum anderen ist die Lage auch zu weit für eine fußläufige Erreichbarkeit aus den südlichen Bereichen Weddinghofens entfernt. Insofern würde sich eine Ansiedlung von nahversorgungsrelevantem Einzelhandel auf dem Albert-Schweitzer-Haus-Grundstück positiv auf die Nahversorgung in Weddinghofen auswirken.

 

Derzeit befinden sich in den Gebäuden des Albert-Schweitzer-Hauses insgesamt sechs Wohnungen, die fast alle vermietet sind. Außerdem besteht in Bergkamen ein Bedarf insbesondere an geförderten Mietwohnungen, da die Mietpreisbindung der Bestandswohnungen in den nächsten Jahren auslaufen wird. Insofern kann auch ein grundsätzlicher Bedarf zur Schaffung von Wohnraum, vorzugsweise aus dem Segment des Mietwohnungsbaus attestiert werden.

 

Das Grundstück des Albert-Schweitzer-Hauses wurde in den letzten Jahren vermehrt als Veranstaltungsort genutzt, beispielsweise für den Weihnachtsmarkt. Mit dem Büro des Ortsvorstehers und dem Vereinstreff gibt es bereits Ansätze für öffentliche Nutzungen. Generell besteht in Weddinghofen – wie an anderen Stellen in Bergkamen – ein Bedarf an Veranstaltungsräumen und -flächen, da in den letzten Jahren immer mehr Kneipen und Gaststätten geschlossen worden sind und Freiflächen bebaut wurden.

 

Der Standort beheimatet auch eine Kindertageseinrichtung der AWO. Durch neue Baugebiete (z. B. Berliner Straße, Waldsiedlung Grimberg 3/4) und den Zuzug von Familien ist hier nicht von einem Rückgang des Bedarfs auszugehen. Dieser muss auf dem Grundstück oder an anderer Stelle gedeckt werden.

 

Schließlich weist das Grundstück einen umfangreichen Baumbestand auf, der in Teilen erhaltenswert ist und dessen grundsätzlicher Erhalt auch politisch beschlossen wurde (s. o.). Die Nutzbarkeit des Grundstücks für bauliche Anlagen und befestigte Flächen ist hierdurch eingeschränkt.

 

Seitens StA 61 wurde überschlägig geprüft, ob überhaupt eine Vereinbarkeit möglichst vieler Nutzungen am Standort erzielt werden könnte. Das Ergebnis ist in der Anlage zur Vorlage dargestellt und stellt sich folgendermaßen dar:

·         Beibehaltung der heutigen Zufahrt

·         Zentrales Gebäude mit Lebensmittel-Einzelhandel, zwei- bis dreigeschossig,

o   EG mit 1.800 m² Bruttogeschossfläche (BGF), 1.200 m² Verkaufsfläche; entspricht dem geplanten Lebensmittelmarkt Häupenweg

o   OG(e) mit sozialem Treffpunkt, Büro des Ortsvorstehers, Wohnen

·         Nördliches Gebäude: dreigeschossig (inkl. Staffelgeschoss), 500-600 m² BGF

o   EG mit KiTA u. ä.

o   OG(e) mit Wohnungen

·         45 ebenerdige Stellplätze (EZH) + Fahrräder zzgl. Tiefgarage mit 50 Stellplätzen

·         Südliches Gebäude: eingeschossig mit Back-Café

·         Platzstruktur im Übergang zum Erst-Flüß-Platz

·         Fällung von acht Bäumen, Erhalt von 83 Bäumen

 

Das dargestellte Gebäude für Einzelhandel soll im Sinne einer Maximalvariante aufzeigen, dass das Grundstück das Flächenpotenzial für diese großflächige Nutzung unter Beibehaltung der überwiegenden Anzahl der Bäume bietet. Anstelle dieses Gebäudes ist natürlich auch eine kleinteiligere (Wohn-)Bebauung möglich.

 

 

Vorschlag für das weitere Verfahren

 

Die dargestellten Rahmenbedingungen für das Grundstück zeigen Restriktionen, aber auch Entwicklungsmöglichkeiten auf. Zusammenfassend lastet auf dem Grundstück ein großer Nutzungsdruck bzw. eine Vielfalt von Nutzungsansprüchen, die möglicherweise realisiert werden sollten:

·         Einzelhandel

·         Wohnen

·         Veranstaltungsräume und -flächen außerhalb der Gebäude

·         Büro des Ortsvorstehers

·         Kindertageseinrichtung

·         Erhalt des Baumbestands

 

Aufgrund der Größe und Bedeutung des Grundstücks sollte die künftige Nutzung sorgsam abgewogen werden und möglichste viele Erfordernisse und Wünsche, aber auch die politische Beschlusslage (s. o. Drucksache 12/0834) in Einklang bringen. Die Verwaltung schlägt daher vor, unter Beteiligung der Bürgerschaft und der politischen Vertreterinnen ein Konzept für die künftige Nutzung des Grundstücks zu erarbeiten. Dabei soll der Betrachtungsraum auch die angrenzenden Grundstücke und Nutzungen umfassen, um mögliche Nutzungskonflikte, aber auch Synergien zu ermitteln.

Dabei können in einem transparenten Prozess alle Belange eingebracht und Entwicklungsvarianten diskutiert werden.

Ergebnis sollte sein, ein Nutzungskonzept zu erarbeiten, dass dann als politische Zielsetzung für das Grundstück beschlossen wird.

Daran anschließen kann sich beispielsweise ein (Investoren-)Wettbewerb, bei dem ein Entwurf unter Berücksichtigung der festgelegten Rahmenbedingungen erstellt wird.

Die gewünschte Flächenkonzeption wird schließlich in einem Bebauungsplan festgesetzt und bildet so die Grundlage für die künftige Nutzung und Bebauung.

 

 

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

3. 1 Anlage

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

 

Toschläger

Technischer Beigeordneter

 

 

Amtsleiterin

 

 

 

 

Thiede