Betreff
Änderungsverfahren für den Landesentwicklungsplan NRW
hier: Stellungnahme der Stadt Bergkamen
Vorlage
12/1049
Aktenzeichen
thie
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Bergkamen beschließt die Stellungnahme der Verwaltung als Stellungnahme der Stadt Bergkamen.

 

Sachdarstellung:

 

Vorbemerkung und planungsrechtliche Einordnung

 

Der Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP NRW) ist im Februar 2017 in Kraft getreten und im August 2019 erstmals geändert worden. Die Stadt Bergkamen hat sowohl im Rahmen der Planaufstellung als auch zur 1. Änderung jeweils Stellungnahmen abgegeben (siehe Drucksachen 10/13695, 11/0473 und 11/1240).

 

Mit Schreiben vom 07. Juni 2023 hat das zuständige Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW mitgeteilt, dass die Verfahrensunterlagen zur 2. Änderung des Landesentwicklungsplans NRW auf den Internetseiten des o. g. Ministeriums sowie der Landesplanungsbehörde verfügbar sind. Das Verfahren zur Änderung richtet sich nach den Vorgaben des Raumordnungsgesetzes (ROG) des Bundes und des Landesplanungsgesetz (LPlG) Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen Fassung.

Frist zur Abgabe einer Stellungnahme war der 28. Juli 2023.

 

Der LEP NRW trifft als landesweiter Raumordnungsplan textliche und zeichnerische Festlegungen für ganz Nordrhein-Westfalen. Mit der zeichnerischen Darstellung werden Nutzungen und Schutzfunktionen festgelegt. Aufgrund des Planungsmaßstabs (1 : 300.000) sind diese aber nur bedingt räumlich konkret.
Die textlichen Festlegungen erfolgen differenziert nach Zielen und Grundsätzen. Die Ziele sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten und bestimmbaren, abschließend abgewogenen Festsetzungen. An diese Ziele der Raumordnung sind die kommunalen Bauleitpläne (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) gemäß § 1 Abs. 4 BauGB anzupassen. Die Grundsätze enthalten dagegen Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen. Sie sind zu berücksichtigen, können aber in der Abwägung mit anderen relevanten Belangen überwunden werden.

 

Aufgrund ihres Umfangs wurden die Unterlagen zur 2. Änderung nicht dieser Vorlage beigefügt. Der geltende Landesentwicklungsplan sowie die Unterlagen zum aktuellen Änderungsverfahren sind im Internet über die Seite https://landesplanung.nrw.de/landesentwicklungsplan abrufbar.

 

Bedingt durch die kurze Beteiligungsfrist, die zudem in die sitzungsfreie Sommerzeit fiel, war die in solchen Fällen übliche politische Beschlussfassung über die Stellungnahme der Verwaltung dieses Mal nicht möglich. Mit Schreiben vom 25. Juli 2023 wurde daher seitens der Verwaltung die untenstehende Stellungnahme fristgerecht, jedoch ausdrücklich unter Vorbehalt der Zustimmung des Rates der Stadt Bergkamen abgegeben.


Rahmenbedingungen und Zielsetzung des Änderungsverfahrens

 

Um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen und die Einhaltung der Ausbauziele sicherzustellen, haben Bundestag und Bundesrat im Juli 2022 das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (kurz: Wind-an-Land-Gesetz) verabschiedet. In diesem Zusammenhang wurde auch das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) beschlossen, welches den Bundesländern verbindliche Flächenziele in Bezug auf den Ausbau der Windenergie an Land vorgibt. Nordrhein-Westfalen ist dadurch verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2027 1,1 % der Landesfläche und bis zum 31. Dezember 2032 1,8 % der Landesfläche für die Windenergie auszuweisen. Um dieser Pflicht nachzukommen, hat die NRW-Landesregierung sich dazu entschieden, regionale Teilflächenziele für die einzelnen Planungsregionen im LEP NRW festzulegen, welche anschließend durch eine Ausweisung von Windenergiegebieten (Vorranggebiete für die Windenergienutzung) in den Regionalplänen eine räumliche Verortung erfahren werden. Die konkrete räumliche Steuerung des Ausbaus der Windkraft in NRW erfolgt damit zukünftig auf Ebene der Regionalplanung. Die Kommunen haben jedoch über § 249 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) weiterhin die Möglichkeit durch Bauleitplanverfahren weitere Flächen für Windenergie auf ihrem Gemeindegebiet auszuweisen.

 

Ziel der aktuellen LEP-Änderung ist die schnelle Umsetzung des Wind-an-Land-Gesetzes, welches die Sicherung weiterer Flächen für die Windenergie in Nordrhein-Westfalen erfordert. Im LEP NRW werden daher rechtsverbindliche Teilflächenziele für die einzelnen Planungsregionen in NRW festgelegt und nachfolgend in den Regionalplänen räumlich verortet. In diesen Windenergiegebieten sind Windenergieanlagen zukünftig gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB) privilegiert zulässig.

Zusätzlich verfolgt die Landesregierung mit dem geänderten LEP NRW das Ziel, die Flächenkulisse für Freiflächen-Solarenergie in Nordrhein-Westfalen maßvoll zu erweitern.

 

 

Stellungnahme der Verwaltung

 

Grundsätzlich ist es problematisch, diese grundlegende und zukunftsgerichtete Thematik im Rahmen eines solchen kurzen und kurzfristen Beteiligungsverfahrens zu behandeln. Eine eingehende Befassung mit dem Thema und insbesondere eine Beschlussfassung in der Sommerpause sind in der Kürze der Zeit nicht möglich. Gleichzeitig erzeugt aber die Errichtung von Windenergieanlagen und Freiflächen-Solarenergie eine Raumrelevanz in den Kommunen und wirkt unmittelbar auf die kommunale Planungshoheit.

 

Hinzu kommt, dass derzeit auf verschiedenen Ebenen parallel weitere Regelungsinstrumentarien in Kraft treten, die in diese Thematik hineinspielen. Zu nennen ist hier etwa das „Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 03. Juli 2023“ mit dem ein neuer Privilegierungstatbestand (§ 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB) eingeführt wurde. Auch befassen sich derzeit die EU-Mitgliedsstaaten mit einer umfassenden Neugestaltung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III). Diese Parallelität zum Beteiligungsverfahren ist ungünstig und lässt erwarten, dass auf LEP-Ebene ggf. weitere Anpassungen erforderlich werden.


Im Übrigen ergeht zu den einzelnen Zielen und Grundsätzen folgende Stellungnahme:

 

·         Im Ziel 10.2-2 „Vorranggebiete für die Windenergienutzung“ (Synopse, S. 1) werden für die Teilregionen in NRW verbindliche Flächenziele vorgeschrieben. Die Herleitung dieser verbindlichen Flächenziele ist nicht nachvollziehbar und lässt Zweifel am Bestand und der Durchsetzbarkeit dieser Zielsetzung aufkommen. So werden z. B. die in Anspruch zu nehmenden Flächenpotenziale auf eine maximale Obergrenze von 75 % der in der jeweiligen Planungsregion insgesamt zur Verfügung stehenden Windenergiepotenziale gedeckelt, ohne dass hierfür Entscheidungskriterien genannt werden.

 

·         Die Streichung des bisherigen Grundsatzes 10.2-3 „Abstand von Bereichen/Flächen für Windenergieanlagen“ (Synopse, S. 4) von pauschal 1.500 m Abstand ist nachvollziehbar, da auch hier eine valide Berechnungsgrundlage nicht erkennbar war.

 

·         Mit dem Ziel 10.2-6 „Windenergienutzung in Waldbereichen“ (Synopse, S. 5) wird die Nutzung von Nadelwaldflächen für die Windenergie eröffnet. Gemäß Grundsatz 10.2-7 „Windenergienutzung in waldarmen Gemeinden“ (Synopse, S. 7), sind allerdings Waldflächen in Gemeinden mit weniger als 20 % Waldanteil ausgenommen, soweit planerisch vertretbar. Dieser einschränkende Grundsatz wird begrüßt, weil damit der Bedeutung des Waldes in den waldarmen Gemeinden Rechnung getragen wird.

 

·         Bei Ziel 10.2-8 „Windenergienutzung in Bereichen für den Schutz der Natur“ (BSN) (Synopse, S. 7) stellt sich die Frage, ob hierdurch tatsächlich zusätzliche Potenzialflächen gewonnen werden. Im Allgemeinen werden BSN auf der nachgelagerten Planungsebene durch entsprechende Ausweisung als Naturschutzgebiet gesichert. In Naturschutzgebieten sind jedoch Vorranggebiete für die Windenergie ausgeschlossen. Insofern verbleiben hier nur die (wenigen) Flächen, bei denen die Ausweisung eines BSN als Naturschutzgebiet noch nicht umgesetzt ist.

·         Gemäß Ziel 10.2-12 „Windenergienutzung in Industrie- und Gewerbegebieten“ (Synopse, S. 11) soll geprüft werden, inwiefern Windenergie in Industrie- und Gewerbegebiete integriert werden kann. Grundsatz 10.2-18 „Freiflächen-Solarenergie im Siedlungsraum“ sieht vor, dass Bauleitplanung Freiflächen-Solarenergienutzung im Siedlungsraum als arrondierende, den anderen gewerblichen und industriellen Nutzungen untergeordnete Nutzung unterstützt. Durch diese Vorgaben werden Siedlungsflächen, vor allem die ohnehin knappen gewerblichen Entwicklungsflächen, mit einem weiteren Nutzungsanspruch überlagert. Es sollte überdacht werden, ob dieses mit einer bedarfsorientierten Flächenausweisung vereinbar ist.


·         Ziel 10.2-14 „Raumbedeutsame Freiflächen-Solarenergie“ (Synopse, S. 14) sieht vor, dass Regional- und Bauleitplanung für diese Anlagen im Freiraum möglich ist, wenn der jeweilige Standort mit der Schutz- und Nutzfunktion der jeweiligen Festlegung im Regionalplan vereinbar ist. Grundsatz 10.2-17 „Besonders geeignete Standorte für raumbedeutsame Freiflächen-Solarenergie im Freiraum“ nennt zwar unter anderem Brachflächen und Flächen entlang bestimmter Verkehrstrassen als besonderen geeignet, grundsätzlich wird aber anders als bisher der gesamte Freiraum zunächst für diese Nutzung freigegeben. Bereits über die Änderungen im BauGB erfolgte im Januar 2023 eine Teilprivilegierung für die Nutzung solarer Strahlungsenergie an Infrastrukturtrassen. Die mit Ziel 10.2-14 nunmehr verbundene Ausweitung der Flächenkulisse widerspricht der Maßgabe, dass der Außenbereich grundsätzlich vor einer weiteren Inanspruchnahme geschützt werden sollte. Diesem kommt gerade in dicht besiedelten Bereichen eine besondere Bedeutung zu. Daher sollte der Fokus vielmehr sein, vor einer zusätzlichen Inanspruchnahme des Freiraums zunächst vorgenutzte Flächen wie z. B. Brachflächen oder bereits versiegelte Flächen wie Dächer und Parkplätze in Anspruch zu nehmen.

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

 

Toschläger

Technischer Beigeordneter

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Reichling

Sachbearbeiterin

 

 

 

 

Thiede