hier: Stellungnahme der Stadt Bergkamen
Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Bergkamen beschließt die
Stellungnahme der Verwaltung als Stellungnahme der Stadt Bergkamen.
Sachdarstellung:
Vorbemerkung und planungsrechtliche Einordnung
Der Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen (LEP
NRW) ist im Februar 2017 in Kraft getreten und im August 2019 erstmals geändert
worden. Die Stadt Bergkamen hat sowohl im Rahmen der Planaufstellung als auch
zur 1. Änderung jeweils Stellungnahmen abgegeben (siehe Drucksachen 10/13695,
11/0473 und 11/1240).
Mit Schreiben vom 07. Juni 2023 hat das zuständige
Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW
mitgeteilt, dass die Verfahrensunterlagen zur 2. Änderung des Landesentwicklungsplans
NRW auf den Internetseiten des o. g. Ministeriums sowie der
Landesplanungsbehörde verfügbar sind. Das Verfahren zur Änderung richtet sich
nach den Vorgaben des Raumordnungsgesetzes (ROG) des Bundes und des
Landesplanungsgesetz (LPlG) Nordrhein-Westfalen in der jeweils gültigen
Fassung.
Frist zur Abgabe einer Stellungnahme war der 28.
Juli 2023.
Der LEP NRW trifft als landesweiter
Raumordnungsplan textliche und zeichnerische Festlegungen für ganz
Nordrhein-Westfalen. Mit der zeichnerischen Darstellung werden Nutzungen und
Schutzfunktionen festgelegt. Aufgrund des Planungsmaßstabs
(1 : 300.000) sind diese aber nur bedingt räumlich konkret.
Die textlichen Festlegungen erfolgen differenziert nach Zielen und Grundsätzen.
Die Ziele sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich
bestimmten und bestimmbaren, abschließend abgewogenen Festsetzungen. An diese
Ziele der Raumordnung sind die kommunalen Bauleitpläne (Flächennutzungsplan,
Bebauungsplan) gemäß § 1 Abs. 4 BauGB anzupassen. Die Grundsätze
enthalten dagegen Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als
Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen. Sie sind zu
berücksichtigen, können aber in der Abwägung mit anderen relevanten Belangen
überwunden werden.
Aufgrund ihres Umfangs wurden die
Unterlagen zur 2. Änderung nicht dieser Vorlage beigefügt. Der
geltende Landesentwicklungsplan sowie die
Unterlagen zum aktuellen Änderungsverfahren sind im Internet über die Seite
https://landesplanung.nrw.de/landesentwicklungsplan abrufbar.
Bedingt durch die kurze
Beteiligungsfrist, die zudem in die sitzungsfreie Sommerzeit fiel, war die in
solchen Fällen übliche politische Beschlussfassung über die Stellungnahme der
Verwaltung dieses Mal nicht möglich. Mit Schreiben vom 25. Juli 2023 wurde
daher seitens der Verwaltung die untenstehende Stellungnahme fristgerecht,
jedoch ausdrücklich unter Vorbehalt der Zustimmung des Rates der Stadt
Bergkamen abgegeben.
Rahmenbedingungen und Zielsetzung des
Änderungsverfahrens
Um
den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen und die Einhaltung der
Ausbauziele sicherzustellen, haben Bundestag und Bundesrat im Juli 2022 das
Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an
Land (kurz: Wind-an-Land-Gesetz) verabschiedet. In diesem Zusammenhang wurde
auch das Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) beschlossen, welches den
Bundesländern verbindliche Flächenziele in Bezug auf den Ausbau der Windenergie
an Land vorgibt. Nordrhein-Westfalen ist dadurch verpflichtet, bis zum 31.
Dezember 2027 1,1 % der Landesfläche und bis zum 31. Dezember 2032
1,8 % der Landesfläche für die Windenergie auszuweisen. Um dieser Pflicht
nachzukommen, hat die NRW-Landesregierung sich dazu entschieden, regionale Teilflächenziele
für die einzelnen Planungsregionen im LEP NRW festzulegen, welche anschließend
durch eine Ausweisung von Windenergiegebieten (Vorranggebiete für die
Windenergienutzung) in den Regionalplänen eine räumliche Verortung erfahren
werden. Die konkrete räumliche Steuerung des Ausbaus der Windkraft in NRW
erfolgt damit zukünftig auf Ebene der Regionalplanung. Die Kommunen haben
jedoch über § 249 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) weiterhin die
Möglichkeit durch Bauleitplanverfahren weitere Flächen für Windenergie auf
ihrem Gemeindegebiet auszuweisen.
Ziel
der aktuellen LEP-Änderung ist die schnelle Umsetzung des
Wind-an-Land-Gesetzes, welches die Sicherung weiterer Flächen für die
Windenergie in Nordrhein-Westfalen erfordert. Im LEP NRW werden daher
rechtsverbindliche Teilflächenziele für die einzelnen Planungsregionen in NRW
festgelegt und nachfolgend in den Regionalplänen räumlich verortet. In diesen
Windenergiegebieten sind Windenergieanlagen zukünftig gemäß § 35
Abs. 1 Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB) privilegiert zulässig.
Zusätzlich verfolgt
die Landesregierung mit dem geänderten LEP NRW das Ziel, die Flächenkulisse für
Freiflächen-Solarenergie in Nordrhein-Westfalen maßvoll zu erweitern.
Stellungnahme
der Verwaltung
Grundsätzlich ist
es problematisch, diese grundlegende und zukunftsgerichtete Thematik im Rahmen
eines solchen kurzen und kurzfristen Beteiligungsverfahrens zu behandeln. Eine
eingehende Befassung mit dem Thema und insbesondere eine Beschlussfassung in
der Sommerpause sind in der Kürze der Zeit nicht möglich. Gleichzeitig erzeugt
aber die Errichtung von Windenergieanlagen und Freiflächen-Solarenergie eine
Raumrelevanz in den Kommunen und wirkt unmittelbar auf die kommunale
Planungshoheit.
Hinzu kommt, dass
derzeit auf verschiedenen Ebenen parallel weitere Regelungsinstrumentarien in
Kraft treten, die in diese Thematik hineinspielen. Zu nennen ist hier etwa das
„Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung
weiterer Vorschriften vom 03. Juli 2023“ mit dem ein neuer
Privilegierungstatbestand (§ 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB) eingeführt
wurde. Auch befassen sich derzeit die EU-Mitgliedsstaaten mit einer umfassenden
Neugestaltung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III). Diese Parallelität zum
Beteiligungsverfahren ist ungünstig und lässt erwarten, dass auf LEP-Ebene ggf.
weitere Anpassungen erforderlich werden.
Im Übrigen ergeht
zu den einzelnen Zielen und Grundsätzen folgende Stellungnahme:
·
Im Ziel 10.2-2 „Vorranggebiete
für die Windenergienutzung“ (Synopse, S. 1) werden für die
Teilregionen in NRW verbindliche Flächenziele vorgeschrieben. Die Herleitung
dieser verbindlichen Flächenziele ist nicht nachvollziehbar und lässt Zweifel
am Bestand und der Durchsetzbarkeit dieser Zielsetzung aufkommen. So werden
z. B. die in Anspruch zu nehmenden Flächenpotenziale auf eine maximale
Obergrenze von 75 % der in der jeweiligen Planungsregion insgesamt zur
Verfügung stehenden Windenergiepotenziale gedeckelt, ohne dass hierfür Entscheidungskriterien
genannt werden.
·
Die Streichung des bisherigen Grundsatzes
10.2-3 „Abstand von
Bereichen/Flächen für Windenergieanlagen“ (Synopse, S. 4) von pauschal
1.500 m Abstand ist nachvollziehbar, da auch hier eine valide
Berechnungsgrundlage nicht erkennbar war.
·
Mit dem Ziel 10.2-6
„Windenergienutzung in Waldbereichen“ (Synopse, S. 5) wird die Nutzung
von Nadelwaldflächen für die Windenergie eröffnet. Gemäß Grundsatz 10.2-7 „Windenergienutzung in waldarmen Gemeinden“ (Synopse,
S. 7), sind allerdings Waldflächen in Gemeinden mit weniger als 20 %
Waldanteil ausgenommen, soweit planerisch vertretbar. Dieser einschränkende
Grundsatz wird begrüßt, weil damit der Bedeutung des Waldes in den waldarmen
Gemeinden Rechnung getragen wird.
·
Bei Ziel 10.2-8
„Windenergienutzung in Bereichen für den Schutz der Natur“ (BSN) (Synopse,
S. 7) stellt sich die Frage, ob hierdurch tatsächlich zusätzliche
Potenzialflächen gewonnen werden. Im Allgemeinen werden BSN auf der
nachgelagerten Planungsebene durch entsprechende Ausweisung als
Naturschutzgebiet gesichert. In Naturschutzgebieten sind jedoch Vorranggebiete
für die Windenergie ausgeschlossen. Insofern verbleiben hier nur die (wenigen)
Flächen, bei denen die Ausweisung eines BSN als Naturschutzgebiet noch nicht
umgesetzt ist.
·
Gemäß Ziel 10.2-12
„Windenergienutzung in Industrie- und Gewerbegebieten“ (Synopse,
S. 11) soll geprüft werden, inwiefern Windenergie in Industrie- und
Gewerbegebiete integriert werden kann. Grundsatz 10.2-18 „Freiflächen-Solarenergie im Siedlungsraum“ sieht vor,
dass Bauleitplanung Freiflächen-Solarenergienutzung im Siedlungsraum als
arrondierende, den anderen gewerblichen und industriellen Nutzungen
untergeordnete Nutzung unterstützt. Durch diese Vorgaben werden Siedlungsflächen,
vor allem die ohnehin knappen gewerblichen Entwicklungsflächen, mit einem
weiteren Nutzungsanspruch überlagert. Es sollte überdacht werden, ob dieses mit
einer bedarfsorientierten Flächenausweisung vereinbar ist.
·
Ziel 10.2-14 „Raumbedeutsame Freiflächen-Solarenergie“ (Synopse, S. 14)
sieht vor, dass Regional- und Bauleitplanung für diese Anlagen im Freiraum
möglich ist, wenn der jeweilige Standort mit der Schutz- und Nutzfunktion der
jeweiligen Festlegung im Regionalplan vereinbar ist. Grundsatz 10.2-17 „Besonders geeignete Standorte für raumbedeutsame
Freiflächen-Solarenergie im Freiraum“ nennt zwar unter anderem Brachflächen und
Flächen entlang bestimmter Verkehrstrassen als besonderen geeignet,
grundsätzlich wird aber anders als bisher der gesamte Freiraum zunächst für
diese Nutzung freigegeben. Bereits über die Änderungen im BauGB erfolgte
im Januar 2023 eine Teilprivilegierung für die Nutzung solarer
Strahlungsenergie an Infrastrukturtrassen. Die mit Ziel 10.2-14 nunmehr
verbundene Ausweitung der Flächenkulisse widerspricht der Maßgabe, dass der
Außenbereich grundsätzlich vor einer weiteren Inanspruchnahme geschützt werden
sollte. Diesem kommt gerade in dicht besiedelten Bereichen eine besondere
Bedeutung zu. Daher sollte der Fokus vielmehr sein, vor einer zusätzlichen
Inanspruchnahme des Freiraums zunächst vorgenutzte Flächen wie z. B.
Brachflächen oder bereits versiegelte Flächen wie Dächer und Parkplätze in
Anspruch zu nehmen.
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1. Das Deckblatt
2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
Der Bürgermeister In Vertretung Toschläger Technischer Beigeordneter |
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Amtsleiter Reichling |
Sachbearbeiterin Thiede |
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