Betreff
Möglichkeiten zur Implementierung von Bürgerbus- und On-Demand-Angeboten in Bergkamen
Vorlage
12/0829
Aktenzeichen
61 mai-na
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:


Der Ausschuss für Bauen und Verkehr nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 

Sachdarstellung:


Anlass

 

Der Rat der Stadt Bergkamen hat die Verwaltung in seiner Sitzung am 25.11.2021 gemäß Drucksache Nr. 12/0428 beauftragt

1.    ein Konzept für die Einführung eines Bürgerbusses im Bergkamener Stadtgebiet zu entwickeln.

2.    hierfür zunächst 5.000 EUR für das Haushaltsjahr 2022 bereit zu stellen und ggf. externe Fördermittel zur Umsetzung zu akquirieren.

In der Begründung hierzu heißt es, dass „das beauftragte Konzept (…) den möglichen Bedarf ermitteln, darstellen und bewerten sowie Vorschläge zu einer möglichen Umsetzung unterbreiten [soll]. (…) Das beauftragte Konzept soll den Grundstein für einen Prozess hin zu einem Bürgerbusverein in Bergkamen bilden, um die Menschen gezielt dort abzuholen, wo sie sind – in ihren Quartieren und wie sie sind aufgrund ihrer Lebensumstände oder der jeweiligen Lebensphase.“[1]

 

In gleicher Sitzung hat der Rat der Stadt Bergkamen zudem gemäß Drucksache 12/0436 beschlossen, den Haushaltsansatz im Produktbereich 12.54.03 Mobilitäts- und Verkehrsplanung (ÖPNV) im Haushalt 2022/2023 für die Planung eines neuen Mobilitätskonzeptes von 15.000 € auf 80.000 € im Jahr 2022 zu erhöhen.

In der Begründung hierzu heißt es, dass „der ÖPNV (…) eine echte Mobilitätsalternative bieten [muss], da der klassische, starre Busverkehr (…) diese nicht [biete]. Für eine bessere Anbindung sollten mehr On-Demand-Sammeltaxis als Bestandteil des ÖPNV eingesetzt werden. Durch flexible Fahrzeuge, die auf Abruf per App vor der Tür stehen und zur nächsten Bus- oder Bahn-Station fahren, könnte den Bürgern ein Angebot im ÖPNV gemacht werden.“ [2] Die Verwaltung wird darüber hinaus gebeten zu prüfen, ob hierfür zusätzliche Fördermittel des Landes oder Bundes zur Verfügung stehen. [3]

 

Da beide Anträge auf eine Ergänzung des bestehenden ÖPNV-Angebots abzielen, werden die Umsetzungsmöglichkeiten nachfolgend gemeinsam, aber auch in ihrer verschiedenen Ausdifferenzierung betrachtet. On-Demand-Verkehre werden dabei nicht auf die Begrifflichkeit „On-Demand-Sammeltaxis“ beschränkt, sondern offener gefasst.

 

Zunächst erfolgt eine Beschreibung der aktuellen ÖPNV-Situation in Bergkamen. Danach werden die beiden Modelle „Bürgerbus“ und „On-Demand-Verkehr“ vorgestellt. Anschließend wird geprüft, inwiefern On-Demand-Sammeltaxis oder Bürgerbusse zur Stärkung des ÖPNV in Bergkamen in Frage kommen.

 

 

Aktuelle Rahmenbedingungen und Angebote des ÖPNV in Bergkamen

 

Der Kreis Unna ist gem. Gesetz zum öffentlichen Personennahverkehr in Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) Aufgabenträger für die Nahverkehrsplanung. ÖPNV-Netz und -Angebot sind im Nahverkehrsplan festgelegt, der seitens des Kreises in Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Kommunen aufgestellt und durch den Kreistag beschlossen wird. Über die regelmäßige Fortschreibung des Nahverkehrsplans werden der ÖPNV evaluiert und fortlaufend weitere Verbesserungen vorgenommen. Derzeit arbeitet die Kreisverwaltung an einer Fortschreibung des Nahverkehrsplans für den gesamten Kreis Unna. Die Beteiligung der Kommunen soll voraussichtlich im kommenden Jahr erfolgen. In diesem Rahmen hat u. a. die Stadt Bergkamen die Möglichkeit, räumliche bzw. zeitliche Ausweitungen oder sonstige Änderungen im ÖPNV-Angebot zu erwirken. Der Beschluss im Kreistag wird für das erste Halbjahr 2024 angestrebt.

 

Die Bereitstellung des ÖPNV-Angebots erfolgt auf Basis der Vorgaben zur „Ausreichenden Verkehrsbedienung“ im Nahverkehrsplan Kreis Unna. Hier ist für alle Kommunen und Orts-teile kreisweit eine Kategorisierung vorgenommen worden, um für Teilbereiche mit ähnlichen Strukturen vergleichbare ÖPNV-Angebote zu schaffen.[4] Festgelegt werden Betriebszeiten und Bedienungshäufigkeiten innerhalb einer Kommune und zu Nachbarkommunen, die eine Verbindungsqualität schaffen sollen.

Bergkamen wird bzgl. der Betriebszeiten der Kategorie 2 zugeordnet[5]. Das bedeutet, dass von allen Stadtteilen Bergkamens (mit Ausnahme von Heil) etwa zwei Fahrten pro Stunde in die Stadtmitte angeboten werden sollen, etwa zwei Fahrten pro Stunde von Bergkamen Stadtmitte in die benachbarten Orte im Kreis Unna und etwa drei Fahrten von der Stadtmitte Bergkamen nach Dortmund und Hamm.

Für Heil als Stadtteil mit geringer Einwohnerdichte werden keine Vorgaben getroffen, ÖPNV-Angebote sind hier im Bedarfsfall zwischen Kreis, Kommune und Verkehrsunternehmen zu schaffen.

 

Die Finanzierung des ÖPNV erfolgt über „Betriebsleistungsschlüssel“. Je nach gefahrenen Kilometern im Stadtgebiet tragen die jeweiligen Kommunen hälftig die Kosten des Defizits nach Abzug der Fahrgasteinnahmen. Die andere Hälfte der Kosten trägt der Kreis Unna als Aufgabenträger (wiederum finanziert durch die Kreisumlage).

Ergänzend dazu gibt es so genannte „Sonderverkehre“, die auch sonderfinanziert werden. Diese Angebote stellen Ergänzungen im Netz dar, die nicht im Rahmen der oben beschrieben „Ausreichenden Verkehrsbedienung“ erforderlich sind. In Bergkamen ist beispielsweise die TaxiBus-Linie T36 ein solches Angebot, vor allem für den Stadtteil Heil.

Im Großteil des Kreises Unna und so auch in Bergkamen ist die VKU (Verkehrsgesellschaft Kreis Unna mbH) die für den ÖPNV zuständige Verkehrsgesellschaft.

 

Das ÖPNV-Angebot und Liniennetz in Bergkamen umfasst Schnellbus-, Regionalbus-, Citybus- und Direktbuslinien sowie Nachtbusse, über die Bergkamen innerhalb erschlossen und an die Nachbarstädte angebunden ist. Ergänzend gibt es die o. g. Taxibus-Linie. Nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über das Busangebot in Bergkamen mit Linienverlauf und Taktung.

 

Quelle Eigene Darstellung

 

Das dargestellte Angebot entspricht den Vorgaben des Nahverkehrsplans zur „Ausreichenden Verkehrsbedienung“.

In der Vergangenheit wurde das Busangebot bereits weiter verbessert, so zum Beispiel durch Ausweitung des ÖPNV-Angebots in den Abendstunden in Oberaden, die Schnellbuslinie S40, welche die südlichen Bereiche von Oberaden und Weddinghofen besser an Kamen, Unna und Lünen anbindet sowie die Linie C11, mit der in einem 20-Minuten-Takt das Nordfeld an den Busbahnhof angebunden wird.

 

 

Bürgerbusse

 

Der Bürgerbus ist eine ehrenamtlich betriebene Ergänzung des Nahverkehrsangebotes, das Lücken im öffentlichen Nahverkehr ausgleicht. Die Betreiber sind Bürgerbusvereine. Die Finanzierung erfolgt durch Fahrgeldeinnahmen, Mitgliedsbeiträge, Spenden und tlw. kommunale Zuschüsse. Bürgerbusse fahren sowohl im Linienverkehr nach einem festen Fahrplan als auch nach Bedarf als Rufbus. Der jeweilige Bürgerbusverein stellt das Fahrpersonal und sorgt für die Ausbildung der Fahrerinnen und Fahrer. Meistens haben Bürgerbus-Fahrzeuge maximal acht Fahrgastplätze, daher ist kein Busführerschein für die Fahrer notwendig, allerdings besteht ggf. Bedarf an einem Personenbeförderungsschein.

Besonders in dünn besiedelten Orts- oder Stadtteilen sowie im ländlichen Raum, in denen eine Rentabilität für einen eigenwirtschaftlichen öffentlichen Verkehr nicht gegeben ist, verkehren Bürgerbusse. Diese übernehmen somit die Aufgaben von Stadt- oder Ortsbuslinien. Eine Fokussierung erfolgt häufig auf bestimmte Zielgruppen wie etwa Senioren (Fahrten zu Arztpraxen oder Einkaufsmöglichkeiten), zur Schülerbeförderung oder als Angebot für Abend- und Nachtverkehr.[6]

 

Organisation und Finanzierung

Bürgerbusprojekte werden durch das Land NRW gefördert. Dabei werden Bürgerbusvereine durch eine Festbetragsförderung für die Fahrzeuganschaffung und eine Förderung der Organisationsaufgaben unterstützt. Örtliche Verkehrsunternehmen betreuen die Bürgerbusprojekte und kümmern sich z. B. um die Beantragung von Fördermitteln zur Anschaffung von Fahrzeugen. Die beteiligte Kommune beantragt die jährliche Organisationspauschale und leitet diese an den Bürgerbusverein weiter. Diese Organisationspauschale (i. d. R. 6.500 €) darf nicht zur Deckung der Betriebskosten verwendet werden.
Zur Abwicklung der Betriebskosten (laufende Kosten für Treibstoff, Wartung, Reinigung, Reparaturen, Versicherungen usw.) bieten sich zwei Modelle an:

1.    Das Verkehrsunternehmen übernimmt zunächst die die Betriebskosten, rechnet die Einnahmen gegen und ein mögliches Defizit trägt die Kommune. Der Bürgerbusverein ist nicht für die Kostendeckung zuständig.

2.    Der Bürgerbusverein übernimmt die gesamte finanzielle Abwicklung und verwendet dafür Fahrgeldeinnahmen, Werbeeinnahmen und Spenden. Vom Verein müssen hierbei auch steuerliche Aspekte für die Begleichung der Rechnungen und der entsprechenden Kassenführung berücksichtigt werden.

 

Die Wirtschaftlichkeit eines Bürgerbusses hängt von verschiedenen Umständen ab wie dem Umfang des Angebots, Fahrgasteinnahmen und Werbeeinahmen. Jedoch kann ein Bürgerbus trotz der geringeren Fahrgastzahlen meist mit geringeren Kosten betrieben werden als der herkömmlich öffentliche Nahverkehr. Normalerweise werden Bürgerbusse defizitär betrieben, wobei es nur wenige Ausnahmen gibt.[7]

 

Ein Bürgerbus darf keine Konkurrenz zu einem Linienbus sein. Daher müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

·         Die Linienführung eines Bürgerbusses darf keinen Parallelverkehr mit dem Linienverkehr aufweisen.[8]

·         Diese Konkurrenz kann durch den oftmals angewendeten Bürgerbus-Tarif verschärft werden. Eine Fahrt mit dem Bürgerbus kostet häufig pro Fahrt und Person 1 €. Damit besteht schnell eine Linien- und Tarifkonkurrenz.

·         Bürgerbusse sollten Ortsteile, die nicht oder zeitweise unzureichend über den Linienverkehr erschlossen sind, mit der Ortsmitte verbinden oder Zubringerfunktionen zum bestehenden Liniennetz übernehmen.

·         Ambitionen, einen Bürgerbus zu gründen und/oder zu betreiben, sollte immer von den Bürgern (Ehrenamtlern) selbst kommen. Ein politisch oder kommunal gesteuerter Wunsch nach einem Bürgerbus scheitert häufig an zu wenig Unterstützung (Beispiel Holzwickede, s. u.).

 

Aktueller Sachstand

Seit den 1980-er Jahren fahren in Nordrhein-Westfalen Bürgerbusse. Aktuell gibt es in Nordrhein-Westfalen rund 140 Bürgerbusvereine.[9]

Im Kreis Unna fahren Bürgerbusse bislang in Fröndenberg und in Bönen. Der Bürgerbus in Fröndenberg, der bereits seit 1998 besteht, finanziert sich durch Spenden und Sponsoren sowie Mitgliedsbeiträge und Fahrkarteneinnahmen.[10] Der Bürgerbus in Bönen wird gesponsert von der Sparkasse Bergkamen-Bönen und der Volksbank. Die Gemeinde Bönen hat sich verpflichtet, eventuelle Defizite zu übernehmen.[11]

 

Durch das ehrenamtliche Engagement können Bürgerbusse mit geringen finanziellen Mitteln betrieben werden. Jedoch sind nicht alle Bemühungen zur Einrichtung eines Bürgerbusvereines bzw. zum dauerhaften Betrieb eines Bürgerbusses erfolgreich, so dass einzelne Vorhaben gescheitert sind wie z. B. 2022 in Holzwickede. Hier fehlte ein ausreichendes bürgerschaftliches Engagement, um Aufgaben und Funktionen des Bürgerbusvereines zu übernehmen, sowie die Bereitschaft von Ehrenamtlichen als Fahrerinnen und Fahrer.

Gründe für die Aufgabe einer Bürgerbusinitiative sind bspw. das Fehlen von ehrenamtlichen Fahrern, keine bedarfsgerechten Fahrpläne oder fehlende Flexibilität sowohl zeitlich als auch beim Anfahren von möglichen Haltestellen, fehlende Akzeptanz der Bevölkerung und zu geringe Fahrgastzahlen. Zunächst die Einschränkungen durch Corona und mittlerweile auch gestiegene Energiekosten führen zu Problemen im Regelbetrieb, so dass die Anzahl der Fahrten tlw. stark eingeschränkt ist.

 

 

On-Demand-Verkehre

 

Eine andere Erweiterung des bestehenden ÖPNV-Angebotes können „On-Demand-Verkehre“ sein. Nachfrageorientiert werden Autos oder Kleinbusse unabhängig von statischen Routen und festen Fahrplänen eingesetzt, die Fahrgäste auf Bestellung abholen und zu ihrem Ziel befördern. Dabei können sie von einer regulären Haltestelle oder einem vereinbarten Treffpunkt abgeholt und zu einem definierten Ziel gebracht werden. Über einen IT-gestützten Algorithmus werden Anfragen miteinander verglichen, kombiniert, Routen geplant und individuell Fahr- und Ankunftszeit berechnet. Nach Möglichkeit teilen sich mehrere Reisende ein Fahrzeug auf ihrer Route. Hierbei spricht man von „Ridepooling“. Der Anspruch von On-Demand-Verkehr ist eine möglichst hohe Flexibilität, ähnlich wie der von Taxis, jedoch mit einem Fahrpreis vergleichbar mit dem im ÖPNV.

 

Organisation und Finanzierung

Damit der On-Demand-Verkehr als Ergänzung zum bestehenden ÖPNV flächendeckend einsetzbar sein kann, ist es für Fahrgäste wichtig, dass einheitliche und verständliche Standards gesetzt werden. Dafür zählt neben einer nachvollziehbaren Bepreisung des Angebots auch eine einheitliche Vertriebs- und Auskunftsplattform (App). Für einen nachhaltigen Erfolg der Betriebe sind Kommunen und Verbünde auf eine zugängliche und umfassende Ko-Finanzierung bzw. (Teil-) Förderung von On-Demand-Systemen seitens Land und/oder Bund angewiesen.

 

Für das Ruhrgebiet wurde im Jahr 2022 eine „Potenzialanalyse On-Demand-Ridepooling im Ruhrgebiet“ vom VRR und dem Kompetenzcenter Digitalisierung NRW beauftragt, gefördert vom Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und bearbeitet vom civity Management Consultants. Gemäß der genannten Potenzialanalyse liegt abhängig von der entsprechenden Kommune ein jährlicher Gesamtzuschussbedarf zwischen 600.000 und 2,8 Millionen Euro.

Der Großteil der bestehenden On-Demand-Systeme in Deutschland wurde als Pilotbetrieb mit Fördermitteln aus Förderrichtlinien oder Förderwettbewerben des Bundes und der Länder finanziert. Beispiel einer Förderung in Nordrhein-Westfalen ist „Mobil.NRW – Modellvorhaben innovativer ÖPNV im ländlichen Raum“[12], bei dem bis 2031 insgesamt 120 Mio. Euro vom Verkehrsministerium für die ÖPNV-Offensive in NRW bereitgestellt wird. Ziel des Landeswettbewerbes ist durch Modellprojekte Wege aufzuzeigen, wie in ländlich geprägten oder suburbanen Räumen ÖPNV-Angebote neugeschaffen oder bestehende Angebote attraktiver gestaltet werden können. 

 

Betriebskosten für einen On-Demand-Ridepooling sind u. a. abhängig von der Betriebsfläche, den Betriebszeiten, der Nachfragedichte, der Flottengröße und des Personalbedarfes. In einem Kosten- und Erlösmodell wird aufbauend auf dem betrieblichen Mengengerüst (u. a. Fahrzeuge, Betriebsstunden und Dienste, Betriebsleistung, Fahrgäste) die Wirtschaftlichkeit ermittelt. Neben den Fahrdienstkosten werden Kosten der (IT-)Disposition, Fahrzeuge und Energie, erforderliche Infrastrukturen, Marketing und Vertrieb sowie Overheadkosten berücksichtigt. Erlöse umfassen die Fahrgelderlöse, zusätzlich sind Förderungen und Zuschüsse möglich.

 

Aktueller Sachstand

On-Demand-Verkehre werden heute weltweit eingesetzt. 2021 gab es in Deutschland mehr als 50 On-Demand-Ridepooling-Angebote. Dabei unterscheiden sich die Anbieter grundlegend hinsichtlich ihrer Flottengröße, der Bedienung von bestimmten Tageszeiten wie Abend- und Nachtverkehr, der Erfüllung von primären verkehrlichen Funktionen (Erschließungs-/ Zubringerverkehre), durch spezifische betriebliche Ziele oder der Ausrichtung auf besondere Zielgruppen wie Freizeitverkehre, Werks-/ Campus-Verkehre oder für mobilitätseingeschränkte Personen.[13]

 

Im Ergebnis der oben genannten Potenzialanalyse bestehen im Ruhrgebiet fast flächendeckend Potenziale für den Einsatz von On-Demand-Verkehren, insbesondere in der Sicherung der öffentlichen Grundmobilität sowie der zeitlichen und räumlichen Ergänzung des bestehenden ÖPNV-Angebotes. Explizit wird hierbei auf kommunalüberschreitende Verkehre hingewiesen. Für das Ruhrgebiet könnten demnach rund vier Millionen Fahrgäste durch ein flächendeckendes Grundangebot mit etwa 250 bis 300 Fahrzeugen für den Öffentlichen Verkehr gewonnen werden. Die Studie geht dabei von einem jährlichen Finanzierungsbedarf zwischen 32 und 39 Millionen Euro aus zur Schaffung eines Grundangebotes von On-Demand-Verkehr und der Abdeckung von Abend- und Nachtstunden im Ruhrgebiet.[14]

 

Im Ruhrgebiet sind On-Demand-Verkehre bislang in Duisburg (seit 2017), Oberhausen (seit 2020) sowie in Essen (seit 2021) unterwegs.

 

Der Bundestag hat am 20.05.2021 das Gesetz „zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Pflichtversicherungsgesetzes – Gesetz zum autonomen Fahren“ beschlossen, wodurch zukünftig bundesweit autonome Fahrzeuge ohne einen physisch anwesenden Fahrer in festgelegten Betriebsbereichen des öffentlichen Straßenverkehrs im Regelbetrieb fahren können.[15] Damit können fahrerlose Fahrzeuge auf definierten Strecken z. B. auf Innenstadtstraßen oder einem Universitäts-Campus fahren. Während der Fahrt werden die Fahrzeuge von einer Zentrale überwacht, die bei Gefahren oder Problemen steuernd eingreifen kann. Eingesetzt werden die sogenannten Level-4-Fahrzeuge zunächst als Robotaxis, Shuttle-Busse oder automatisierte Lieferwagen.[16]

 

 

Potenziale für Bürgerbus-/On-Demand-Angebote in Bergkamen

 

Bergkamen ist entsprechend den Vorgaben des Nahverkehrsplans Kreis Unna ausreichend gut an den ÖPNV angeschlossen. In allen Stadtteilen gibt es regelmäßig verkehrende Buslinien bzw. ein Taxibus-Angebot. Es hat dabei stetig Verbesserungen durch neue Linien und eine Ausweitung der Bedienungszeiträume gegeben. Um noch mehr Menschen eine Alternative zu Fahrten mit dem eigenen Pkw zu bieten und einen größeren Beitrag zur Mobilitätswende zu leisten kann es sinnvoll sein, das bestehende Netz durch Bürgerbusse oder On-Demand-Angebote zu ergänzen.

 

Rahmenbedingungen zur Implementierung von Bürgerbussen

Die VKU hat die folgende Übersicht über die Finanzierung eines Bürgerbusses zusammengestellt. Die VKU ist dabei Partner des Bürgerbusvereins und kümmert sich um die Versicherung des Fahrzeugs sowie die Unfallversicherung des Fahrers.


Quelle: VKU

 

Ein Bürgerbusverein kann losgelöst von der Stadt Bergkamen sein, die Stadt kann sich jedoch bis hin zur Übernahme finanzieller Defizite aus dem Betrieb engagieren.

 

Folgende Voraussetzungen zur Gründung eines Bürgerbus Vereines in Bergkamen sind notwendig:

Zur Gründung eines Bürgerbus Vereines in Bergkamen ist die Initiative durch Bürger im ehrenamtlichen Engagement eine notwendige Voraussetzung. Dafür muss ein Verein gegründet werden, eine Satzung aufgestellt und ein Vorstand implementiert sowie ein Fahrzeug organisiert und beschafft werden. Des Weiteren müssen Fahrerinnen und Fahrer akquiriert und ausgebildet und die Fahrten organisiert und eingeteilt werden. Der Bürgerbusverein ist auch für die Finanzierung der laufenden Kosten mit Berücksichtigung der Betriebskosten und Akquirierung von Fördergeldern zuständig.


Zudem muss es eine Bereitschaft der Stadt mit der Grundlage eines politischen Beschlusses geben, den Bürgerbus zu unterstützen. Dieses gilt besonders beim finanziellen Ausgleich von möglichen Defiziten.

 

 

Rahmenbedingungen zur Implementierung von On-Demand-Verkehren

Entsprechend der „Potenzialanalyse On-Demand-Ridepooling im Ruhrgebiet“[17] ist in Bergkamen eine Grundmobilität gegeben. Allerdings können für Lückenschlüsse in der Hauptverkehrszeit (06 bis 20 Uhr) als auch der Schwachlastzeit (20 bis 06 Uhr) Bedarfe ausgemacht werden.

Aussagen über den tatsächlichen Bedarf und zur Kosten-/ Nutzen-/ Wirtschaftlichkeitsberechnung/-schätzung trifft die Studie nicht. Hier ist eine tiefergehende Begutachtung erforderlich. In diesem Rahmen sind auch mögliche Förderzugänge, potenzielle On-Demand-Anbieter und technische Rahmenbedingungen (z. B. Verknüpfung mit Fahrgast-Apps) zu prüfen.

 

Bedarfslage

Trotz der oben beschriebenen insgesamt ordentlichen Ausgangslage im ÖPNV sind generell Verbesserungen im ÖPNV in Bergkamen denkbar:

·         Verdichtung der Taktfolge

·         Ausweitung der Bedienungszeiträume

·         Verbesserung der Erschließungsqualität (Entfernung zur Haltestelle in Verbindung mit der Taktung des Angebots)

·         Anbindung bisher ÖPNV-unterversorgter Bereiche (Randlagen und Gebiete, die bisher nicht in der Fläche erschlossen sind)

 

Taktfolgen und Bedienungszeiträume wurden im Rahmen der bisherigen Nahverkehrsplanung im Kreis Unna bereits umfassend analysiert und verbessert. Eine weitere Verdichtung der Taktung durch Bürgerbusse ist nicht zulässig, weil dadurch eine Konkurrenz zum Linienangebot geschaffen würde. On-Demand-Verkehre könnten aber ein Potenzial für weitere Bedienungszeiträume darstellen, etwa in den Abendstunden oder am Wochenende.

 

Der Kreis Unna will nach eigener Aussage bei seiner aktuellen Nahverkehrsplanfortschreibung das Thema Erschließungsqualität mit in den Fokus nehmen. Dadurch können flächendeckend Erkenntnisse über die tatsächliche Qualität des ÖPNV-Angebots gewonnen und auch mögliche unterversorgte Bereiche identifiziert werden.

Ergebnisse dieser Analyse liegen bislang noch nicht vor. Eine Verortung ggf. betroffener Bereiche ist insofern nur sehr überschlägig anhand des Liniennetzplans Bergkamen möglich:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Liniennetzplan Kreis Unna, verändert. Quelle: https://www.fahrtwind-online.de/fileadmin/startseite_vku/fahrtwind/fahrt_planen/liniennetzplaene/31131276-bergkamen-a2-12.11.2019.pdf

 

Bereiche wie die Dorflage Heil oder Königslandwehr sind bislang nur über den Taxibus T36 erschlossen. In Rünthe entlang des Ostenhellweges, in Oberaden südlich des Römerbergs sowie in Overberge nördlich der Landwehrstraße verkehren – wenn überhaupt – nur Schulbuslinien. Die Heidesiedlung und die ECA-Siedlung in Weddinghofen, Schönhausen sowie der Bereich Eichendorffstraße / Im Breil haben keine Binnenerschließung mit dem ÖPNV. Hinzu kommen die jeweiligen Ortsrandlagen.
Um hier genauere Aussagen zu treffen, sollten zunächst die Ergebnisse der Nahverkehrsplanfortschreibung abgewartet werden.

 

Die Möglichkeiten, Bürgerbus- oder On-Demand-Angebote zu schaffen, hängen von der Bereitschaft der Menschen vor Ort ab. Auch wird das Fehlen eines (ausreichenden) ÖPNV-Angebots nicht an allen Stellen gleichermaßen wahrgenommen. Sofern in erreichbarem Abstand beispielsweise Nahversorgung, eine Schule oder eine Kindertageseinrichtung erreichbar ist, wird zumindest für diese Nachfrage kein Defizit im ÖPNV sichtbar, und nur für andere Ziele muss der ÖPNV genutzt werden.

 

 

„Fahrplan“ zum weiteren Vorgehen

Der ÖPNV in Bergkamen entspricht in Busliniennetz, Bedienzeiten und Taktungen den Vorgaben der „Ausreichenden Verkehrsbedienung“ gemäß Nahverkehrsplan Kreis Unna. Über dieses Grundangebot hinaus verkehrt derzeit ein TaxiBus, vor allem zur Anbindung dünner besiedelter Bereiche in Bergkamen-Heil an die regelmäßig verkehrenden Linien. Sofern räumliche oder zeitliche Ausweitungen oder sonstige Änderungen im ÖPNV-Angebot erwirkt werden sollen, sind diese im Rahmen der Fortschreibung des Nahverkehrsplans einzubringen.

 

Ob darüber hinaus Bedarf und Möglichkeiten für die Einrichtung von Bürgerbussen oder On-Demand-Verkehren bestehen, muss noch näher geprüft werden. Dazu sollte die laufende Untersuchung des Kreis Unna abgewartet werden. Erste Ergebnisse werden für das erste Quartal 2023 erwartet, sodass aus Sicht der Verwaltung vorab eine zusätzliche Beauftragung dieser Analyse keinen Sinn macht.

 

Der Einsatz eines Bürgerbusses und des On-Demand-Verkehres bietet grundsätzlich gute Möglichkeiten, einen besseren Versorgungsanschluss für die Bevölkerung von Bergkamen zu generieren. Im Kreis Unna gibt es bisher in Bönen und in Fröndenberg Bürgerbusvereine, während das Projekt Einrichtung eines Bürgerbusses in Holzwickede 2022 gescheitert ist. Vor allem jedoch darf der Bürgerbus keine Konkurrenz zu Linienverkehren darstellen. Diese Erfahrungen zeigen, dass die Gründung eines Bürgerbusses nicht allein von Seiten der Stadtverwaltung und der Politik initiiert werden sollte, sondern vor allem bürgerschaftlicher Initiative und Engagement voraussetzt. Inwieweit dies in Bergkamen vorhanden ist, kann seitens der Verwaltung derzeit nicht abgeschätzt werden.

 

Aufbauend auf der Erschließungsqualität sollte dann (extern) untersucht werden, ob und ggf. in welchen Bereichen eher On-Demand-Verkehre und wo Bürgerbusse eine Angebotsverbesserung schaffen können. In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, ob über On-Demand-Verkehre größere Bedienzeitfenster im öffentlichen Verkehr geschaffen werden können. Die im Haushalt bereitstehenden Finanzmittel können dafür verwendet werden.

 

Erst wenn klar ist, welche Bedarfe es gibt und welche Lösungsmodelle (Bügerbus / On-Demand) sich jeweils anbieten, kann ggf. eine Ansprache potenzieller Betreiber erfolgen, um schließlich die gewünschten Angebote einzurichten.

 

Sobald weitere Erkenntnisse aus der Fortschreibung des Nahverkehrsplans des Kreises Unna vorliegen, wird die Verwaltung diese auswerten und den politischen Gremien berichten.

 

 



[1] Drucksache 12/0428

[2] Drucksache 12/0436

[3] vgl. ebd.

[4] vgl. Kreis Unna (2019): Nahverkehrsplanfortschreibung 2019, S. 67 ff.

[5] Der Kategorie 2 gehören auch Kamen, Schwerte und Unna an. Kategorie 1 ist Lünen, Kategorie 3 bzw. die übrigen Kommunen im Kreis Unna. (vgl. ebd. S. 68)

[8] Öffentlicher Dienstleistungsauftrag des Kreises Unna gegenüber VKU, s. Kreis Unna DS 039/20

[13] Potenzialanalyse On-Demand-Ridepooling im Ruhrgebiet, civity Management Consultants, Berlin, 2022, S. 20 ff.

[14] ebd., S. 39

[17] civity Management Consultants (2022)

 

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

 

 

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

 

Ulrich

Beigeordneter und Stadtkämmerer

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Reichling

Sachbearbeiterin

 

 

 

 

Dr. Maier