2.1 aktueller Stand „Verlegung von Stolpersteinen auf öffentlichem Grund“
2.2 „Geschichtliche Einordnung von (Kriegs-)Denkmälern“
hier: Bestandsaufnahme und Textvorschlag Infotafel Kriegsdenkmal Weddinghofen
Beschlussvorschlag:
Ziffer 1:
Der Kulturausschuss
des Rates der Stadt Bergkamen nimmt die Vorlage der Verwaltung zur Kenntnis.
Ziffer 2:
Der Kulturausschuss
des Rates der Stadt Bergkamen nimmt die Vorlage der Verwaltung zur Kenntnis und
beauftragt die Kulturverwaltung/Stadtmuseum mit der Umsetzung der Infotafel.
Sachdarstellung:
2.1 aktueller Stand „Verlegung von Stolpersteinen auf
öffentlichem Grund“
Die Antragsteller,
der Aktionskreis Wohnen und Leben Bergkamen e.V., hat im Rahmen
des Projekts „Verlegung von Stolpersteinen in Bergkamen“ eine Arbeitsgruppe
gegründet, der das Stadtmuseum, das Gymnasium und Mitglieder des Aktionskreises
angehören. Koordinator der Recherchearbeiten und Betreuer der Schulprojekte ist
Herr Izdebski. Die Verwaltungsaufgaben und die Öffentlichkeitsarbeit übernimmt
das Stadtmuseum Bergkamen.
Es gibt bereits zahlreiche Anfragen für
Patenschaften der Stolpersteine.Die Förder- und Spendengelder werden über den
Verein der Freunde und Förderer des Stadtmuseums Bergkamen e.V. abgewickelt.
Die Verlegung soll am 15. Dezember 2021
stattfinden. Das Programm wird beim nächsten September-Treffen ausgearbeitet
und veröffentlicht.
Aktueller Zeitplan des Künstlers Gunter
Demnig:
Mittwoch, 15. Dezember 2021, 9:00 Uhr
1. Verlegestelle:
August Kühler, Beverstr. 89, Bergkamen-Rünthe, 9:00 Uhr bis 9.30 Uhr
Fahrt zum nächsten Ort, 9:30 Uhr bis 9:35 Uhr
2. Verlegestelle:
Ernst Bronheim, Glückaufstr.6, Bergkamen-Rünthe, 9:35 Uhr bis 9:55 Uhr
Fahrt zum nächsten Ort, 9:55 Uhr bis 10:05 Uhr
3. Verlegstelle:
Max Herrmann, JET-Tankstelle, Werner Str. 178, Bergkamen-Overberge, 10:05 Uhr
bis 10:25 Uhr
Fahrt zum nächsten Ort, 10:25 Uhr bis 10:35 Uhr
4. Verlegestelle:
Familie Hertz, Modehaus Kroes, Präsidentenstr. 53, Bergkamen- Mitte, 10:35 Uhr
bis 10:55 Uhr
danach fährt Herr Demnig um 14:00 Uhr zur nächsten Verlegung nach Coesfeld und
Münster.
2.2
„Geschichtliche Einordnung von (Kriegs-)Denkmälern
Bestandsaufnahme
Zum Kriegerdenkmal in Weddinghofen hat eine erste Vorbewertung
stattgefunden.
Vor Ort erkennt der Betrachter, dass das Denkmal an Gefallene aus
Weddinghofen im Ersten Weltkrieg sowie an gefallene Soldaten in Frankreich
1870/71 erinnert. Zudem wird einer Person gedacht, die während des Herero
Aufstandes getötet wurde. Der Betrachter wird dabei mit Inschriften wie
„gefallene tapfere Helden“ und „Heldentod“ konfrontiert. Nach dem Zweiten
Weltkrieg wurde das Denkmal durch den Text „Den Toten des 2. Weltkrieges
1939-1945 im ehrfürchtigem Gedenken gewidmet“ ergänzt. Die Inschriften sind
über die Jahrzehnte so sehr verblasst, dass vor ca. 15 Jahren neue
Schrifttafeln angebracht wurden. Eine Sanierung der originalen Inschriften fand
nicht statt.
Der Bestandsaufnahme vor Ort folgte eine Auswertung des Denkmals, die
den historischen Hintergrund und die vorhandene Quellenlage berücksichtigte.
Die wissenschaftliche Analyse nimmt Bezug auf den gesellschaftlichen Zeitgeist
der Weimarer Republik und ihr Verhältnis zu Kriegerdenkmälern. Zugleich wird
die Sichtweise hinsichtlich Helden/Heroismus in der Weimarer Republik und heute
gegenübergestellt und verglichen.
Die Entstehung des Denkmals geht auf das Jahr 1926 zurück. Während des
Ersten Weltkrieges fielen 30 Männer aus Weddinghofen auf den europäischen Schlachtfeldern.
Nach Beendigung des Krieges wünschten sich die Bewohner aus Weddinghofen ein
Denkmal für die Gefallenen. Denkmäler boten den Hinterbliebenen einen
Gedenkort. Denn die gefallenen Soldaten wurden in der Regel nicht in ihre
Heimat überführt und bestattet. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage
war eine Realisierung erst im Jahr 1925 möglich. Der Gedanke eines Denkmals
wurde vom Gemeindevorsteher Heinrich Goecke wieder aufgegriffen und realisiert.
Zusätzliche Inschriften sollten an zwei Gefallene in Frankreich 1870/71 sowie
an den während des Herero Aufstandes 1904 getöteten Bahnmeister erinnern.
Die Kriegerdenkmäler der Weimarer Republik hatten eine große symbolische
Bedeutung. Sie dienten als ein wichtiges Instrument zur Wiederbelebung des Nationalstolzes
der deutschen Gesellschaft, die nach dem Ersten Weltkrieg mit einer Niederlage
und zahlreichen Todesopfern konfrontiert wurde. Die Inschriften sollten dem
Betrachter mitteilen, dass der Tod der Männer nicht umsonst gewesen sei. Sie
starben im Kampf für ihr Vaterland.
Zu dieser Zeit brachte man die „Helden“ mit Aufopferung bzw.
persönlicher Opferbereitschaft für hohe Ideale in Verbindung. Auf diese Weise
sollte der verlorene Krieg legitimiert werden. Gleichzeitig war dies eine
Aufforderung für nachfolgende Generationen. Sie sollten in zukünftigen Kriegen
wie ihre Väter dem Vaterland dienen, sich aufopfern und im nächsten Krieg den
Sieg erringen.
Denkmäler sind Quellen und Zeugen ihrer Zeit. So zeigt auch das Denkmal
in Weddinghofen den Umgang der Gesellschaft in der Weimarer Republik
hinsichtlich Kriegsgefallenen und Krieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat in der
deutschen Gesellschaft ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Es sollte von nun
an der Opfer (Viktimisierung) und nicht der Helden gedacht werden. So bewertet
die postheroische Gesellschaft heute Helden, Heldentum, Krieg und Kolonialismus
nach anderen Maßstäben wie zur Zeit der Weimarer Republik. Verübtes Unrecht an
ethnischen Gruppen sowie Völkerechtsverstöße werden auf das schärfste
verurteilt. Eine Heroisierung und Glorifizierung wird abgelehnt. Doch auch nach
100 Jahren haben die Denkmalinschriften ihre heroisierende Intention nicht
verloren. Aus diesem Grund werden Beschriftungen wie „gefallene tapfere Helden“
und „Heldentod“ heute als provokativ und abstoßend wahrgenommen.
Nach mehr als 100 Jahren hat sich Deutschland in diesem Jahr öffentlich
mit seiner Kolonialvergangenheit auseinandergesetzt und erkennt die Verbrechen
und die Gräueltaten der deutschen Kolonialmacht an den Völkergruppen Herero und
Nama als Völkermord an. Dies ist der erste (offizielle) Schritt, der eine
kritische Auseinandersetzung und Neubewertung mit der deutschen Kolonialgeschichte
ermöglicht. Daraus ergibt sich die Frage: Wie soll daran – auch in Bergkamen -
erinnert werden?
Aus wissenschaftlicher Sicht und aufgrund der neusten Entwicklungen
seitens der Bundesregierung, sollte die Inschrift zum Hereroaufstand erhalten
bleiben und durch eine Infotafel ergänzt werden. Dadurch erhalten die Bürger
historische Hintergrundinformationen, die eine kritische Betrachtung der
deutschen (Kolonial-) Geschichte gestatten. Zudem könnte das Denkmal als
historischer Lernort bzw. als erlebbarer Gedächtnisort fungieren. Im Rahmen von
Politik- und Geschichtsunterricht bietet das Denkmal jungen Menschen die
Möglichkeit einen kritischen Umgang mit der Vergangenheit hinsichtlich
Kriegerdenkmäler, Heldentum sowie Kolonialismus zu erfahren.
Kriegerdenkmal der Gemeinde Weddinghofen (Vorentwurf für Infotafel)
Entstehungsgeschichte Während
des Ersten Weltkrieges (1914 – 1918) fielen 30 Männer aus Weddinghofen auf den
europäischen Schlachtfeldern. Nach Beendigung des Krieges wünschten sich die
Bewohner aus Weddinghofen ein Denkmal als Gedenkort für die Gefallenen.
Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage war eine Realisierung erst
im Jahr 1925 möglich. Der Gedanke eines Denkmals wurde vom Gemeindevorsteher
Heinrich Goecke wieder aufgegriffen und realisiert. Zusätzliche Inschriften
sollten an zwei Gefallene in Frankreich 1870/71 sowie an den während des
Hereroaufstandes 1904 getöteten Bahnmeister erinnern.
Standort 1926
wurde das Denkmal zwischen der heutigen Buckenstraße und der Goeckenheide
errichtet. 1967 erhielt es auf der Schulstraße, dem heutigen Ernst-Flüß-Platz
einen neuen Erinnerungsort.
Veränderungen am Denkmal nach 1945
Nach 1945 gedachte
man mit einer weiteren Inschrift den Opfern des Zweiten Weltkrieges: „Den Toten des 2.WK 1939-1945 im
ehrfürchtigem Gedenken gewidmet. Möge ihr Opfer ein Mahnmal des Friedens sein.“
Mit der Zeit verblassten die ursprünglich eingemeißelten Inschriften der 1920er
Jahre, so dass Anfang des 21. Jahrhunderts im Zuge der Sanierung des Denkmals
neue Schrifttafeln angebracht wurden.
Historische Einordnung
Kriegerdenkmäler übernahmen in der Weimarer Republik eine wichtige
Funktion. Sie boten den Hinterbliebenen einen Gedenkort an die gefallenen
Söhne, Väter und Ehemänner. Die
verstorbenen Soldaten wurden in der Regel nicht in die Heimat überführt
und bestattet. Darüber hinaus dienten sie als ein wichtiges Instrument zur
Wiederbelebung des Nationalstolzes der deutschen Gesellschaft, die mit einer
Niederlage nach dem Ersten Weltkrieg konfrontiert wurde. Inschriften, wie hier
auf dem Denkmal, „Ihrem im Weltkriege 1914-1918 gefallenen tapferen Helden…“
sowie „Den Heldentod starben in früheren
Feldzügen…“ sollten dem Betrachter symbolisieren, dass der Tod der Männer nicht
umsonst gewesen sei. Sie starben im Kampf für ihr Vaterland und opferten ihr
Leben für hohe Ideale. Auf diese Weise sollte der verlorene Krieg legitimiert
werden. Gleichzeitig war es eine Aufforderung an nachfolgende Generationen. Sie
sollten in zukünftigen Kriegen wie ihre Vorfahren dem Vaterland dienen, sich
aufopfern und den Sieg erringen.
„Heroismus/Heldentum“ im Wandel der Gesellschaft
Anfang des 20. Jahrhunderts kennzeichneten den Helden bestimmte
idealisierte Fähigkeiten. Heldentum war charakterisiert durch Aufopferung und
Kampfbereitschaft für das Vaterland. Diese Sichtweise änderte sich nach dem
Zweiten Weltkrieg.
Dem militärischen Heldentum wurde jeglicher Spielraum verweigert. Im
Mittelpunkt stand nun das Opfer und nicht mehr der Held (Viktimisierung). Und
auch der Tod wurde nicht mehr verherrlicht.
Der kulturelle und politische Wandel führte zur Herausbildung einer
postheroischen Gesellschaft. Ihre Geschichtskultur lehnt die Heroisierung und
Glorifizierung von Helden, Heldentum, Krieg, Kolonialismus ab. Unrecht an
ethnischen Gruppen und Missachtung des Völkerrechts wird verurteilt.
Die Inschriften der damaligen Zeit haben ihre heroisierende Aussagekraft
aber nicht verloren. So erscheinen sie dem Betrachter im 21. Jahrhundert als
unpassend, nicht mehr zeitgemäß und abstoßend.
Der Herero und Nama Aufstand 1904 – 1908
1884 erklärte das Deutsche Kaiserreich das Gebiet des heutigen Namibias
zum „Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika“ und vereinnahmte das Land für sich als
deutsche Kolonie. Die einheimische Bevölkerung wurde zunehmend unterdrückt.
Deutsche Siedler verdrängten nach und nach die einheimische Bevölkerung von
ihrem lebenswichtigen Weideland. Die Lebensbedingungen der Eingeborenen
verschlechterten sich zusehends. Mit ihr wuchs die existenzielle Angst. Die
Situation wurde immer unerträglicher, sodass sich schließlich 1904 die Stämme
der Herero und Nama gegen das Kolonialregime erhoben.
Kaiser Wilhelm II entsandte Schutztruppen unter dem Befehl von General
von Throta in das Kolonialgebiet. Der Oberbefehlshaber ging mit äußerster
Brutalität gegen die Aufständischen vor. Nach der Niederschlagung des
Aufstandes flohen die überlebenden Einheimischen in die Omaheke-Wüste. Der
General besetzte die Wasserstellen am Rande der Wüste und schickte eine deutliche Botschaft an die
Herero: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr,
mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf,
treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auch sie erschießen. Dass sind
meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtiges Deutschen
Kaisers.“ Abgeschnitten von der Wasserquelle starben die meisten Geflüchteten
in der Wüste. Nur wenige konnten sich in das südöstliche britische Kolonialgebiet
durchschlagen.
Bis zu 95.000 Herero und Nama starben in der Wüste oder im
Konzentrationslager.
Das Vorgehen der deutschen kaiserlichen Truppen wird aus historischer
Sicht als Völkermord bewertet. Nach mehr als 100 Jahren setzt sich Deutschland
mit seiner Vergangenheit als Kolonialmacht auseinander und erkennt die
Verbrechen und die Gräueltaten der deutschen Kolonialmacht an den Völkergruppen
Herero und Nama an.
„Unser Ziel war und ist, einen gemeinsamen
Weg echter Versöhnung im Angedenken der Opfer zu finden. Dazu gehört, die
Ereignisse der deutschen Kolonialzeit im heutigen Namibia und insbesondere die
Gräueltaten in der Zeit von 1904 bis 1908 ohne Schonung und Beschönigung zu
benennen. Wir werden die Ereignisse jetzt auch offiziell als das bezeichnen,
was sie aus heutiger Sicht waren: ein Völkermord“ (Heiko Maas, deutscher
Außenminister 2021).
Wir gedenken an die ermordeten Herero und Nama, die während der
Aufstände 1904-1908 durch die deutschen
Kolonialtruppen in „Deutsch-Südwest-Afrika“ dem Völkermord zum Opfer gefallen
sind sowie an die zahlreichen zivilen Opfer beider Seiten.
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1. Das Deckblatt
2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
Der Bürgermeister In Vertretung Ulrich Beigeordneter und Stadtkämmerer |
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Kulturreferentin Simone Schmidt-Apel |
Leiter Stadtmuseum Mark Schrader |
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