Betreff
Bebauungsplan Nr. WD 124 "Rathausviertel West";
hier: Aufstellungsbeschluss gemäß § 2 Abs. 1 BauGB
Vorlage
11/1911
Aktenzeichen
61 thi-na
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Haupt- und Finanzausschuss beschließt die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. WD 124 „Rathausviertel West“ gemäß § 2 Abs. 1 BauGB. Der Geltungsbereich umfasst die Flurstücke der Gemarkung Weddinghofen, Flur 8, Nrn. 437, 438, 862, 863, 864 und wird begrenzt

·      im Norden durch die Südseite der Hubert-Biernat-Straße,

·      im Osten durch die Westseite der Töddinghauser Straße,

·      im Süden durch die Nordseite der Zentrumsstraße,

·      im Westen durch die Ostseite der Gedächtnisstraße.

 

Die zeichnerische Darstellung in der Anlage 1 ist Bestandteil dieses Beschlusses.

 

Diese Entscheidung wurde durch den Haupt- und Finanzausschuss gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. S. 666), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 14. April 2020 (GV. NRW. S. 218b) gefasst.

 

Sachdarstellung:

 

Bisherige Entwicklung des Rathausviertels

Mit Gründung der Stadt Bergkamen im Jahr 1966 wurde der Beschluss gefasst, in der geografischen Mitte der neuen Stadt eine neue Stadtmitte für die Gesamtstadt zu schaffen. 1974 wurde hier die „City“ eröffnet mit dem Rathaus als zentraler öffentlicher Einrichtung, dem Busbahnhof, verdichtetem Wohnungsbau (u. a. dem „Wohnturm“) sowie einem Einkaufszentrum westlich der Töddinghauser Straße. Ankermieter des Einkaufszentrums waren zunächst insbesondere Karstadt, später dann Plaza und Allkauf. Dem erwarteten Wachstum der Stadt Bergkamen geschuldet wurden breite Straßen für den Pkw-Verkehr geschaffen und darüber Fußgängerbrücken, um die verschiedenen Bereiche miteinander zu verbinden.

 

Bereits Mitte der 1990er Jahre begann die Umgestaltung von Teilen der City, angestoßen durch die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscherpark, aber auch, weil die großstädtisch angelegte „Betonarchitektur“ nicht (mehr) zu einer Mittelstadt mit rund 50.000 Einwohnern passte. In der Folge wurden die öffentlichen Verkehrsflächen umgebaut und kleinmaßstäblichere Wohnformen (z. B. „Einfach und selber Bauen“) sowie Freiflächen wie der Wasserpark geschaffen. Zur Ergänzung der Stadtmitte als Einzelhandelsstandort eröffnete 1999 östlich der Töddinghauser Straße das SB-Warenhaus Kaufland mit ergänzenden kleineren Geschäften.

Das Einkaufszentrum westlich der Töddinghauser Straße als zentrales Element der City wurde zwischen 1999 und 2001 abgerissen. 2002 eröffneten an gleicher Stelle die Turmarkaden als innerstädtische Shopping-Mall. Im Gegensatz zum früheren City-Einkaufszentrum war der Einzelhandel hier im Wesentlichen auf die Erdgeschossebene beschränkt, neben Walmart als Ankermieter gab es verschiedene Geschäfte mit vornehmlich zentrenrelevanten Sortimenten.

 

Im 2006 verabschiedeten Einzelhandelskonzept wurde der Bereich City bzw. „Stadtmitte West“ neben der Fußgängerzone und dem Nordbergcenter („Stadtmitte Ost“) als Hauptzentrum von Bergkamen festgelegt. Als Ziel des Einzelhandelskonzepts wurde eine weitere Stärkung des Standorts angestrebt.

 

Mit der Schließung von Walmart begann ab 2007 der Leerstand in den Turmarkaden. Zwar konnten Teile der Verkaufsflächen zwischenzeitlich wieder gefüllt werden, durch Schließung weiterer Geschäfte und Pläne für einen Umbau kam es bis 2016 jedoch zu einem völligen Leerstand aller Verkaufsflächen. Damit war und ist auch das zweite innerstädtische Einkaufszentrum an diesem Standort gescheitert.

 

Die verschiedenen Pläne mehrerer Investoren für eine Revitalisierung des Centers im Bestand (innerstädtische Shoppingmall mit vorwiegend zentrenrelevanten Sortimenten) konnten seit 2011 nicht umgesetzt werden, wohl auch, weil keine ausreichende Vermietungsquote erzielt werden konnte.

 

Ein Grund für die erforderliche Neuorientierung und Anpassung an aktuelle Rahmenbedingungen ist, dass die Nähe zu gewachsenen Mittel- und Oberzentren die Stadtmitte insbesondere hinsichtlich der Einzelhandelsfunktion unter Druck setzt. Bergkamen weist zudem seit Jahren eine niedrige und rückläufige Einzelhandelskaufkraft auf. Zum einen ist dadurch der Konsum vergleichsweise niedrig. Zum anderen ist Bergkamen damit als Einzelhandelsstandort für Händler wenig attraktiv und daher schlecht nachgefragt. Die Etablierung von Geschäften mit zentrenrelevanten Sortimenten (z. B. Bekleidung, Haushaltswaren) ist bislang stets gescheitert, obwohl es in Bergkamen insgesamt kaum derartige Angebote gibt.

Ursache ist sicherlich auch der anhaltende Umbruch im Einzelhandel, der sich seit 2018 in zunehmenden Insolvenzen zeigt.

Schließlich können trotz gestiegener Baukosten nur niedrige Mieten im Einzelhandel erzielt werden.

 

 

Integriertes Handlungskonzept „Bergkamen mittendrin“

Seit 2018 wurde und wird mit intensiver Beteiligung und Diskussion von Bürgern, Fachleuten und Politik für den Innenstadtbereich Bergkamen das Integrierte Handlungskonzept „Bergkamen mittendrin“ erarbeitet. Der Zwischenbericht dieses integrierten Handlungskonzeptes mit Zielen für das Projektgebiet wurde durch den Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Bergkamen in der Sitzung am 13. Mai 2020 beschlossen. Im integrierten Handlungskonzept ist die Fläche der ehemaligen Turmarkaden westlich der Töddinghauser Straße als Potenzialfläche beschrieben, „die mit einer neuen architektonischen Formensprache und anderen Nutzungen der Stadtmitte im Umfeld des Rathauses ein neues Gesicht geben kann“ (vgl. Drucksache 11/1862).

 

Das Umfeld des Rathauses hat in den letzten Jahrzehnten bereits eine intensive Transformation erlebt. Handel als Leitfunktion von zentralen Lagen hat – wie in anderen Städten – auch in Bergkamen nicht zuletzt aus o. g. Gründen an Bedeutung verloren. Die weitere Entwicklung der städtischen Zentrenlage und insbesondere dieses Standorts muss sich insofern auf andere Aspekte als die gezielte Entwicklung des stationären Einzelhandels fokussieren.

 

Die Stadtmitte Bergkamen wird weder von Externen noch von der Bergkamener Bevölkerung als Einkaufsort mit „Shopping-Erlebnis“ aufgesucht, wie das Integrierte Handlungskonzept „Bergkamen mittendrin“ gezeigt hat.

 

Aufgrund der Größe, der Bedeutung in dieser zentralen Lage, der hervorragenden Anbindung und Versorgung sowie in direkter Nähe zu Naherholungsflächen bietet die Fläche Potenzial für vielfältige innenstadttypische Nutzungen wie Dienstleistung, Verwaltung, Kultur und Wohnen. Mit den nahegelegenen Grünflächen und öffentlichen Aufenthaltsflächen hat der öffentliche Raum zudem eine hohe Bedeutung. Gemäß den Zielen des Handlungskonzeptes soll über die Fläche eine Verbindung zwischen Lüttke Holz, Wasserpark, Friedhof und Stadtpark geschaffen werden.

Die Entwicklung auf dieser Fläche soll bauplanungsrechtlich so gesteuert werden, dass kleinteilige, gemischte und bedarfsgerechte Nutzungsstrukturen entstehen und darüber das Ziel der Stärkung der Stadtmitte erreicht werden kann.

 

 

Aktuelle planungsrechtliche Situation

Der Standort ist im Flächennutzungsplan der Stadt Bergkamen als gemischte Baufläche dargestellt. Überlagernd ist ein Zentraler Versorgungsbereich ausgewiesen. Die Wohnbebauung im Bereich der Gedächtnisstraße unmittelbar südlich angrenzend ist als Wohnbaufläche im Flächennutzungsplan dargestellt.

Derzeit liegt der Standort nicht im Geltungsbereich eines rechtskräftigen Bebauungsplans. Die Zulässigkeit von Bauvorhaben ist daher nach § 34 BauGB zu beurteilen. Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht derzeit der eines Kerngebiets (MK) im Sinne von § 7 BauNVO.

 

 

Ziel des Bebauungsplans

Mit der Aufstellung eines Bebauungsplans soll die dominante Struktur des Einzelhandels – der sogenannten Ankermieter und seiner Folgenutzungen – aufgegeben werden.
Gemäß integriertem Handlungskonzept „Bergkamen mittendrin“ soll eine nachhaltige Nutzungsmischung aus Wohnen, Dienstleistung, ergänzend Einzelhandel an dem Standort der ehemaligen Turmarkaden ermöglicht werden und damit eine Abkehr von den bisher monostrukturell vornehmlich auf Einzelhandel ausgerichteten Nutzungen bzw. Planungen erfolgen.

 

Ziel des Bebauungsplanes ist es, gemäß den Vorgaben des Integrierten Handlungskonzeptes eine Nutzungsmischung auf der Fläche in folgender Weise zu entwickeln:

·      Das Grundstück der mehrgeschossigen Wohnbebauung Töddinghauser Straße 135-137 soll seiner jetzigen Nutzung entsprechend als „Allgemeines Wohngebiet“ (WA) gemäß § 4 BauNVO festgesetzt werden.

·      Entlang der Gedächtnisstraße soll, unter Einbezug der vorhandenen Wohnbebauung Gedächtnisstraße 19-23 ein „Allgemeines Wohngebiet“ (WA) gemäß § 4 BauNVO ausgewiesen werden. Damit kann die vorhandene Wohnbebauung im Umfeld ergänzt werden.

·      Die übrigen Flächen sollen als „Urbanes Gebiet“ (MU) gemäß § 6a BauNVO festgesetzt werden. Diese dienen gemäß § 6a Abs. 1 BauGB dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Im Vordergrund steht dabei eine angestrebte Nutzungsdurchmischung, die nicht gleichwertig sein muss.

·      Im Urbanen Gebiet sollen öffentliche Flächen und Verbindungen für eine verbesserte Durchlässigkeit des Standortes geschaffen werden. Diese ermöglichen auch eine Vernetzung der nahe gelegenen innerstätischen Grünflächen und eine gestalterische Einbindung in das innerstädtische Stadtgefüge.

 

Die Entwicklungsziele des Bebauungsplans bzw. die räumliche Verortung sind in Anlage 2 dargestellt.

 

Mit der Bauleitplanung wird sowohl der Baugenehmigungsbehörde als auch Grundstückseigentümern und Investoren Rechtssicherheit gegeben. Zudem wird dadurch die rechtliche Grundlage geschaffen, bei Bedarf die Instrumente zur Sicherung der Bauleitplanung nach §§ 14 bis 28 BauGB anzuwenden.

 

 

Aktuelle Bauvoranfrage für den Standort

Seit dem 31. März 2020 liegt eine Bauvoranfrage für ein „Hybrid-Center“ für diesen Standort vor. Das „Hybrid-Center“ ist nach den vorliegenden Unterlagen durch einen Schwerpunkt in der Einzelhandelsnutzung gekennzeichnet sowie ergänzend dazu Praxen und Fitnesscenter.

 

Bei dieser Planung stehen

·      großflächiger Einzelhandel mit vorwiegend nahversorgungsrelevanten Sortimenten,

·      eine Innenorientierung zu einem zentralen Kundenparkplatz mit rund 120 Stellplätzen und

·      eine Ausrichtung auf Auto-Kunden

im Vordergrund.

 

Bergkamen weist bereits einen hohen Marktsättigungsgrad bei nahversorgungsrelevanten Sortimenten auf. Gerade an dieser Stelle besteht – anders als bei anderen Bereichen im Stadtgebiet – auch kein Nahversorgungsdefizit. Die Etablierung eines zusätzlichen Nahversorgungsstandortes ist daher nicht geboten, zumal eine Verdrängung der fußläufigen Nahversorgung an anderen Stellen zu befürchten ist.

Das Hybrid-Center ist städtebaulich nicht in die umliegenden Nutzungen eingebunden.

Außerdem konterkariert die Bauvoranfrage die schon eingeleitete Umgestaltung des Stadtmittebereichs von der „autogerechten“ zur fußgängerfreundlichen Stadt mit öffentlichen Plätzen, Wegeverbinden und Grünflächen im Stadtgefüge.

Das geplante Vorhaben berücksichtigt zudem in keiner Weise die im Integrierten Handlungskonzept „Bergkamen mittendrin“ verankerte Zielsetzung am Standort, von einer monostrukturierten Einzelhandelsentwicklung Abstand zu nehmen und dort eine aufgelockerte Nutzungsmischung mit Wohnen zu realisieren.

 

Ein monostrukturiertes, rein auto-orientiertes Fachmarktzentrum lässt sich nicht mit der angestrebten Nutzungsmischung und den geplanten Festsetzungen von Urbanen und Allgemeinen Wohngebieten vereinbaren.

 

Die Aufstellung eines Bebauungsplanes bildet die rechtliche Voraussetzung, die Bauvoranfrage zurückzustellen, da aktuell zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung zum Bebauungsplan Nr. WD 124 – die angestrebte Durchmischung – durch das o. g. Vorhaben eines Hybrid-Centers unmöglich gemacht oder zumindest wesentlich erschwert werden würde.

 

Mit Datum vom 25. Mai 2020 ist ein Schreiben der Rechtsvertreter des Antragstellers der Bauvoranfrage eingegangen. Dieses Schreiben wird den Ausschussmitgliedern im nichtöffentlichen Teil zur Kenntnis gegeben.

 

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

3. 2 Anlagen

 

 

 

 

 

Der Bürgermeister

 

 

 

 

 

Schäfer

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

Dr.-Ing. Peters

Erster Beigeordneter

 

Stellv. Amtsleiterin

 

 

 

 

Reumke

Sachbearbeiterin

 

 

 

 

Thiede