Betreff
Stand der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags beim Spielhallengewerbe
Vorlage
11/0654
Aktenzeichen
32.56.10 höl
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Ausschuss für Familie, Soziales, Gesundheit und Senioren der Stadt Bergkamen nimmt die Vorlage über den Stand der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags beim Spielhallengewerbe zur Kenntnis.

 

Sachdarstellung:

 

  1. Übergangsregelungen des Glücksspielstaatsvertrags

    Zum 01.12.2012 sind in Nordrhein-Westfalen der neue Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) sowie das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrags (AG GlüStV) in Kraft getreten, wodurch für Spielhallen eine glücksspielrechtliche Erlaubnispflicht
    (§ 24 Abs. 1 GlüStV i.V.m. § 16 Abs. 2 AG GlüStV) eingeführt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt war für Spielhallen lediglich eine gewerberechtliche Erlaubnis nach § 33i Gewerbeordnung (GewO) erforderlich.

    Spielhallen, die zum o.g. Zeitpunkt des Inkrafttretens des GlüStV bestanden und für die bis zum 28.10.2011 (Tag der Ministerpräsidentenkonferenz, auf der der 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag unterzeichnet wurde) eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden war, konnten für eine fünfjährige Übergangsfrist ohne das Erfordernis einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis weiter betrieben werden (§ 29 Abs. 4 GlüStV i.V.m. § 18 Satz 2 AG GlüStV). Darüber hinaus blieben die gesetzlichen Regelungen bezüglich des „Verbots von Mehrfachkonzessionen (Mehrfachkomplexe)“ und der „Mindestabstände zwischen Spielhallen“ für die Dauer von 5 Jahren unberücksichtigt.

    Für andere gesetzliche Vorgaben wurden hingegen keine Übergangsfristen eingeführt, sodass diese ab dem 01.12.2012 umgesetzt werden mussten: Einhaltung der Sperr- und Spielverbotszeiten, Bezeichnung des Betriebs, äußere Gestaltung der Spielhalle ohne Werbung für den Spielbetrieb oder die in der Spielhalle angebotenen Spiele, keine auffällige Gestaltung, keine Möglichkeit zum Abschluss von Lotterien und Wetten, kein Aufstellen, Bereithalten oder Dulden von technischen Geräten zur Bargeldabhebung, insbesondere EC- oder Kreditkartenautomaten, Verbot von bestimmten Zahlungsdiensten und Zahlungsvorgängen sowie die Entwicklung und Umsetzung eines Sozialkonzepts gemäß § 6 GlüStV. Der Großteil der Bergkamener Spielhallenbetreiber hat diese Vorgaben zeitnah umgesetzt, bei anderen mussten ordnungsbehördliche Maßnahmen zur Durchsetzung ergriffen werden.

    Mit Ablauf des 30.11.2017 endet die fünfjährige Übergangsfrist. Das hat im Wesentlichen zur Folge, dass danach alle Spielhallen zusätzlich zur gewerberechtlichen Genehmigung auch über eine Glücksspielerlaubnis verfügen müssen. Diese ist bei der Ordnungsbehörde zu beantragen. Notwendige Grundvoraussetzung zur Erteilung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis ist, dass die Einhaltung der Jugendschutzanforderungen, das Internetverbot, die Werbebeschränkungen, die Anforderungen an das Sozialkonzept und die Aufklärung über Suchtrisiken sichergestellt wird sowie die Errichtung und der Betrieb der Spielhalle den Zielen des § 1 GlüStV nicht zuwiderläuft.


Wenn diese Kriterien erfüllt sind und sich keine Versagungsgründe ergeben, wäre ferner zu prüfen, ob auch das Verbot von Mehrfachkonzessionen eingehalten wird und die Mindestabstände beachtet werden. Diesen verschärften Regelungen kommt eine herausragende Bedeutung zu, da der Gesetzgeber hiermit unmittelbar eine Reduzierung des bisherigen Spielhallenangebots bewirkt.

Für eine ausführliche Darstellung der gewerbe- und glücksspielrechtlichen Regelungen zu Spielhallen vgl. Abschnitt II der Beschlussvorlage vom 14.06.2013 (Drucksache Nr. 10/1231).


  1. Auswirkungen auf den Spielhallenbestand in Bergkamen

    Für die im Bergkamener Stadtgebiet auf insgesamt 10 Standorte verteilten 19 konzessionierten Spielhallen hat dies zur Folge, dass aufgrund des gesetzlich festgelegten Verbots von Mehrfachkonzessionen 9 Spielhallen schließen müssen, da diese an 7 Standorten in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen existieren, bzw. in einem gemeinsamen Gebäudekomplex untergebracht sind (vgl. Anlage 1).

    Weitere 3 Spielhallen/Standorte müssen schließen, weil sie den geforderten Mindestabstand von 350 m Luftlinie zu einer anderen Spielhalle unterschreiten. Betroffen sind hiervon die 3 Standorte im Kollisionsbereich „Landwehrstraße/ Bambergstraße/ Ebertstraße“ und die 2 Standorte im Kollisionsbereich „Werner Straße“ (vgl. Anlagen 1 und 2).

    Zwar sind auch Mindestabstände zu öffentlichen Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Ausführungsgesetz vorgegeben, jedoch gilt diese Regelung nach § 18 Satz 3 AG GlüStV nicht für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehende Spielhallen, für die eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden ist. In Bergkamen erfüllen alle Spielhallen diese Voraussetzungen, sodass nach Ablauf der Übergangsfrist die Abstandsregelung zu Kinder- und Jugendeinrichtungen nicht für bestehende Spielhallen herangezogen werden kann und deshalb nur bei etwaigen Spielhallenneuansiedlungen von Belang ist.

    Im Ergebnis wird sich die Zahl der Spielhallen in Bergkamen somit von 19 nach Ablauf der Übergangsfrist auf 7 reduzieren (vgl. Anlage 1), sofern nicht von Ausnahmemöglichkeiten bzw. Härtefallregelungen Gebrauch gemacht wird.


  2. Ausnahmen und Härtefallregelung

    Während der Gesetzgeber beim Verbot von Mehrfachkonzessionen (§ 16 Abs. 3 Satz 1, 1. Halbsatz AG GlüStV) keine Ausnahmen zugelassen hat, besteht hingegen für die Ordnungsbehörde bezüglich des Mindestabstands zwischen Spielhallen die Möglichkeit, Abweichungen zuzulassen. Des Weiteren wurden Regelungen zur Vermeidung von unbilligen Härten eingeführt (§ 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV).

    Um die Kommunen bei der Entscheidung über etwaige Ausnahmen und Härtefälle zu unterstützen, hat das Ministerium für Inneres und Kommunales NRW (MIK NRW) mit Erlass vom 10.05.2016 (Az. 113-38.07.13 – 5) entsprechende Auslegungshinweise gegeben. Dieser ist als Anlage 3 beigefügt. Die für Bergkamen relevanten Punkte werden nachfolgend dargestellt.


    1. Ausnahmen vom Mindestabstandsgebot

      Nach § 16 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz AG GlüStV soll ein Mindestabstand von 350 m Luftlinie zu einer anderen Spielhalle eingehalten werden. Der Ordnungsbehörde wurde allerdings die Möglichkeit eingeräumt, im Rahmen einer Ermessensentscheidung Abweichungen von der Einhaltung des Mindestabstandes zuzulassen. Konkretisiert wird das Ermessen in § 16 Abs. 3 Satz 3 AG GlüStV dahingehend, dass die Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standortes und die Lage des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

      Mögliche Kriterien sind hier u.a. die topographischen und städtebaulichen Besonderheiten. So kann der tatsächliche Weg zwischen den Spielhallen bedingt durch den Straßenverlauf, vorhandene Bahnlinien, Gewässerverläufe, Höhenunterschiede usw. deutlich länger als 350m sein, als wenn eine reine Luftlinienmessung vorgenommen würde. Auch wenn sich die Spielhalle in das umliegende Gebiet einfügt, kein augenfälliger Kontrast zur Umgebung entsteht und auch kein Trading Down Effekt, d.h. eine mit Qualitätsverlust verbundenen Strukturveränderung des Gebiets, zu erwarten ist oder das Abstandsgebot nur minimal unterschritten wird, kann dies im Einzelfall für eine Ausnahmeentscheidung durch die Ordnungsbehörde sprechen.

      Bei den Bergkamener Spielhallen in den o.g. Kollisionsbereichen sind derartige Besonderheiten allerdings nicht zu erkennen. Die betroffenen Spielhallenstandorte liegen allesamt an der gleichen Straße oder im gleichen Straßenzug gegenüber, sodass eine fußläufige Erreichbarkeit nicht durch Straßenverläufe, Gewässer, Bahnlinien o.ä. erschwert wird. Aus diesem Grunde kommt diese Ausnahmeregelung in Bergkamen voraussichtlich nicht zur Anwendung.


    2. Unbillige Härte

      Soweit eine glücksspielrechtliche Erlaubnis wegen des Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot oder das Verbot der Mehrfachkonzession nicht erteilt werden kann, verbleibt dem Spielhallenbetreiber die Möglichkeit, eine unbillige Härte im Sinne von § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV geltend zu machen. Im Falle unbilliger Härten kann die Ordnungsbehörde eine Befreiung von einzelnen Anforderungen (Abstandsgebot, Verbot Mehrfachkonzession) für einen angemessenen Zeitraum zulassen.

      Die Geltendmachung einer unbilligen Härte setzt voraus, dass eine Anpassung des Betriebs an die Gesetzeslage tatsächlich oder rechtlich nicht möglich bzw. mit einer wirtschaftlichen Betriebsführung nicht vereinbar ist. Es obliegt hierbei dem einzelnen Spielhallenbetreiber substantiiert vorzutragen, dass sein Vertrauen in den Bestand der „alten“ gesetzlichen Regelung schutzwürdig ist. Schutzwürdig ist das Vertrauen, wenn eine Vermögensdisposition getroffen wurde, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Belastungen rückgängig gemacht werden kann und die Kenntnis der gesetzlichen Frist zum Zeitpunkt der Vermögensdisposition dem Betreiber nicht entgegengehalten werden kann.

      Bei der Prüfung individueller Härtegründe durch die Ordnungsbehörde ist gemäß Erlass des MIK NRW ein strenger Maßstab anzulegen, bei der die mit dem Glücksspielstaatsvertrag verfolgten Allgemeinwohlziele mit einzubeziehen sind. Danach ist eine Reduzierung des bisherigen Spielhallenangebots gesetzlich gewollt, damit das gewerbliche Spiel auf ein angemessenes Maß in Bezug auf Suchtprävention und Spieler-/ Jugendschutz zurückgeführt wird. Negative wirtschaftliche Entwicklungen für Spielhallenbetreiber sollten bereits durch Schaffung der o.g. Übergangsfristen abgefedert werden. Bei der Härtefallprüfung kommen insbesondere folgenden Kriterien in Betracht:

·   Alter der gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 33i GewO

·   wirtschaftliche Kriterien (u.a. Dauer und Art von Pachtverhältnissen und Zahlungsverpflichtungen, Höhe der Investitionen und Abschreibungen, Mitarbeiterzahl)

·   Alter der Spielhalle

·   Zukunftsplanung und Alter des Betreibers (Ruhestand)

·   Existenzvernichtung (Gesellschaftsverhältnis, Bestreitung des Lebensunterhalts aus der Spielhalle, familiäre Verhältnisse, Unterhaltsverbindlichkeiten, Einkommenssituation des Partners)

·   Stand der Umsetzung eines Anpassungskonzepts in Richtung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen

Mit dem Antrag zur Feststellung einer unbilligen Härte hat der Antragsteller aber auch darzulegen, welche konkreten Bemühungen er zur Abwendung eines Härtefalls unternommen hat (u.a. rechtzeitige Kündigung/ Aufhebung von Verträgen, Bildung von Rücklagen, Umnutzung von Liegenschaften, Suche nach Alternativstandorten, Verwertung von Spielhalleninventar). Unterlässt der Spielhallenbetreiber diese zumutbaren Anstrengungen, fallen die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile allein in seinen Risikobereich und schließen die Annahme einer unbilligen Härte regelmäßig aus.

Bis auf die Spielhallenstandorte „Am Römerlager“
, der bereits glücksspielrechtlich konzessioniert ist, und „Rotherbachstraße“, der nicht vom Verbot der Mehrfachkonzessionen und der Mindestabstandsregelung betroffen ist, kommen alle anderen 8 Standorte für eine Härtefallregelung in Betracht. Aktuell liegen aber noch keine entsprechenden Anträge vor. Ob und inwieweit die jeweiligen Spielhallenbetreiber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, bleibt abzuwarten und kann derzeit nicht prognostiziert werden.


  1. Konkurrenzsituationen in Bergkamen

    Spielhallenbetriebe, die alle Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung erfüllen, sollten in der weiteren Bearbeitung keine Probleme darstellen. Schwierig wird aber die Erlaubniserteilung für Spielhallen, die bis auf die Einhaltung des Mindestabstands zur nächsten Spielhalle sämtliche Erlaubniskriterien für eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erfüllen, die Ordnungsbehörde aber nur einer Spielhalle eine Erlaubnis erteilen kann.


    So ist davon auszugehen, dass bis zum Ende der Übergangsfrist mehrere Antragsteller eine Erlaubnis nach § 24 GlüStV begehren, die sich in Bezug auf das Abstandsgebot in einer direkten Konkurrenzsituation befinden. Insgesamt sind 5 Spielhallenstandorte in den zwei Kollisionsbereichen betroffen (vgl. Anlage 1).

    Eine Regelung, auf welche Weise die sich zuspitzenden Konkurrenzsituationen aufgelöst werden sollen, hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Vielmehr haben die Ordnungs
    behörden eine Auswahlentscheidung nach sachlich gerechtfertigten Gründen zu treffen. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind Gründe zu prüfen, die ein Vorgehen gegen bestimmte Spielhallenbetreiber nach den allgemeinen Grundsätzen des Ordnungsrechts rechtfertigen. Vom MIK NRW werden im Erlass folgende Kriterien und Maßstäbe beispielhaft genannt:

    • Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu äußerer und innerer Gestaltung der Spielhalle (z. B. Werbung, Bezeichnung)
    • Einhaltung baurechtlicher Anforderungen
    • keine unerlaubten Glücksspiele
    • Einhaltung und sichtbare Ausweisung gesetzlich vorgeschriebener Öffnungszeiten
    • gültige PTB-Prüfplakette an den Geldspielgeräten sichtbar vorhanden (§ 7 Abs. 2 Spielverordnung – SpielV)
    • Übereinstimmung der tatsächlichen Flächen mit § 3 Abs. 2 Satz 1 SpielV
    • keine illegalen Unterhaltungsspielgeräte
    • keine Sportwettterminals vorhanden (§ 16 Abs. 6 Nr. 1 AG GlüStV)
    • keine unerlaubten EC-Kartenautomaten (§ 16 Abs. 6 Nr. 2 AG GlüStV)

Denkbar sind aber auch Entscheidungskriterien, wie z. B. Alter und Größe der Spielhalle, Verhalten des Betreibers in der Vergangenheit, Modernität der Spielhalle, Anzahl vorhandener Geldspielgeräte. Ganz deutlich spricht sich das MIK NRW jedoch gegen eine Entscheidung durch Losverfahren aus.

In Anbetracht der sich anbahnenden Genehmigungen und Versagungen ist beabsichtigt, die konkurrierenden Spielhallenbetreiber zunächst auf die Möglichkeit einer privatrechtlichen Einigung untereinander zu verweisen. Auf diesen Lösungsansatz soll u.a. in einem im 1. Quartal 2017 vorgesehenem Anschreiben zur bestehenden Konkurrenzsituation hingewiesen werden. Alle anderen Spielhallenbetreiber sollen ebenfalls wegen den bevorstehenden und bekannten Veränderungen angeschrieben und insbesondere über das Verbot von Mehrfachkonzessionen und dessen Auswirkungen informiert werden.

 

Weiterhin ist geplant, allen Spielhallenbetreibern mit den o.g. Schreiben einen einheitlichen Zeitpunkt vorzugeben, bis zu dem die Beantragung der Glücksspielerlaubnis erfolgen soll, damit noch ausreichend Zeit für Nachfragen, Nachbesserungen und die Bearbeitung verbleibt. Ins Auge gefasst wurde der 01.08.2017. Weitere Hinweise ergehen zu den Inhalten eines Glücksspielantrags, der u.a. Angaben zum Antragsteller, zum Spielhallenstandort und zur beabsichtigten Anzahl der aufzustellenden Geldspielgeräte enthalten sollte. Da die glücksspielrechtliche Erlaubnis zwingend zu befristen ist, wird auch um die Angabe gebeten, für welchen Zeitraum eine Befristung ausgesprochen werden soll (längstens bis 30.06.2021).

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

3. Anlagen 1 - 3

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

 

Busch

 

 

Amtsleiterin

 

 

 

 

Höchst

Sachbearbeiter

 

 

 

 

Höll