Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss des Rates der Stadt Bergkamen nimmt den Bericht zum Modellprojekt „Klassenassistenz“ an der Gerhart-Hauptmann-Schule zur Kenntnis.
Sachdarstellung:
Gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention ist das inklusive
Bildungssystem ein vorgegebenes Ziel, welches in der Bundesrepublik Deutschland
gesellschaftlich und politisch gewollt ist. Bei der Umsetzung vor Ort gibt es
weiterhin Probleme. Eine Folge der Reduzierung von Förderschulen und der
Umstrukturierung der Regelschule zu einem inklusiven Bildungsort ist u.a. der
hohe Anstieg von Anträgen gem. § 35a SGB VIII; der Eingliederungshilfe für
seelisch behinderte oder von seelischer Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher. Im Rahmen der Eingliederungshilfe ist die
sogenannte „Schulassistenz“ eine häufige Hilfeart. Für diese Hilfeform gibt es
jedoch keine konkrete Definition. Ziel soll es sein, Schüler:innen beim
Schulbesuch insoweit zu unterstützen, dass sie trotz bestehender oder drohender
seelischer Behinderung am Schulleben teilhaben können.
Die Fallzahlen der Schulassistenz im Bereich der Eingliederungshilfe
sind kontinuierlich gestiegen:
2012 |
2013 |
2014 |
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
2019 |
2020 |
|
Fälle Schulassistenz |
2 |
3 |
9 |
10 |
12 |
19 |
18 |
21 |
19 |
Der Bedarf an zusätzlicher Unterstützung im schulischen Bereich wird
prognostisch weiter steigen. Auch aufgrund der Coronapandemie werden dem
Jugendamt zunehmend auffällige Kinder gemeldet. Einem Teil der Kinder gelingt
es immer weniger, sich im System Schule zurecht zu finden. Dies teilweise
aufgrund der langen Schulschließungen, teilweise aber auch weil vorschulische
Förderung im Rahmen der Kita und Frühförderung aufgrund von Schließungen und
Kontaktbeschränkungen nicht im gewohnten Umfang stattfinden konnten.
Die Hilfeform der „Schulassistenz“ über die sogenannten
„Intergrationskräfte“ spielt bei den Anträgen gem. § 35a SGB VIII aktuell die
größte Rolle. Die Eingliederungsleistung „Schulassistenz“ ist eine nachrangige
Leistung. Sie kann als ein Element zu einem inklusiven Schulsystem gesehen
werden, wenn sie im Sinne der seelisch behinderten oder von seelischer
Behinderung bedrohten Kinder genutzt wird. „Im Sinne dieser Kinder“ bedeutet,
dass diese Kinder die Möglichkeit bekommen, ohne weitere Stigmatisierung in
einem sozialen Klassenverband individuell gefördert zu werden, damit die
soziale Teilhabe am Schulalltag gewährleistet werden kann.
Aufgrund des sich abzeichnenden hohen Unterstützungsbedarfs wurde zum
Schuljahr 2019/2020 an der Gerhart-Hauptmann-Schule das Modellprojekt
„Klassenassistenz“ initiiert.
Es wurde in jeder
ersten Klasse eine Klassenassistenz eingesetzt, welche die Schüler im
schulischen Alltag unterstützen und begleiten sollte. Explizit sollte durch
diese Form der Begleitung für die gesamte Klasse eine Stigmatisierung einzelner
bedürftiger Kinder vermieden werden. Die Unterstützung sollte niederschwellig
allen Kindern zur Verfügung stehen.
Insgesamt ist dem
Jugendamt bekannt, dass an der Gerhart-Hauptmann- Schule ein erhöhter Bedarf an
Unterstützungsmaßnahmen besteht. Der Einzugsbereich der Schule ist geprägt
durch einen hohen Migrationsanteil in der Bevölkerung und durch viele von
Transferleistungen lebende Familien. Er ist ein Arbeitsschwerpunkt des
Allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes.
Zielsetzung des Projekts:
Es soll vermieden werden, dass zahlreiche Einzelanträge auf
Integrationshelfer gestellt werden, welches in der Folge zu einer Vielzahl von
Integrationskräften in einem Klassenzimmer führen würde. Dieses Ziel ist
grundsätzlich erreicht worden. Im Rahmen der Evaluation wurde festgestellt,
dass alle Beteiligten von dem Projekt profitiert haben. Die Klassenassistenten
führten eine Dokumentation zu Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf.
Durchschnittlich gab es in jeder Klasse fünf Kinder, die einer
Einzelunterstützung bedurft hätten.
Das Projekt wurde aufgrund des erfolgreichen Verlaufs bis heute
fortgeführt. Aktuell ist in den ersten beiden Jahrgängen jeweils ein Assistent
pro Klasse eingesetzt, im dritten Schuljahr gibt es zwei Assistenten für den
gesamten Jahrgang, in Klasse vier würde die Unterstützung auf einen Assistenten
für den Jahrgang reduziert werden können. Beschäftigt sind die
Klassenassistenten beim dem Jugendhilfeträger VeBU e.V.
Das Jugendamt zahlt monatlich ein Entgelt für die vertraglich
festgelegte Leistung.
Kosten des Klassenassistenzmodells:
2019/2020 |
2020/2021 |
2021/2022 |
|
Monatliche Kosten des Modellprojekts |
6.900 Euro |
12.700 Euro |
21.000 Euro |
Den Kosten für die Klassenassistenz stehen
die Kosten einer Einzelförderung gegenüber, die sich durchschnittlich auf 2.000
Euro monatlich pro Kind belaufen würden.
Grundsätzlich
bleibt der individuelle Rechtsanspruch auf die Beantragung und Überprüfung des
Eingliederungsbedarfs jedoch bestehen. Es wird immer Einzelfälle geben, bei
denen diesem Rechtsanspruch auch nachgekommen werden muss wie beispielsweise
bei psychisch erkrankten Kindern oder Kindern mit Diabetes.
Insgesamt ist festzustellen, dass die Zahl
der Kinder in Grundschulen, die besonderen Förderbedarf haben zunimmt. Im
laufenden ersten Jahrgang der Gerhart-Hauptmann-Schule befinden sich 17 Kinder,
die bereits in der Kita Integrationshilfen erhalten haben. Eine aktuelle
Abfrage in den Bergkamener Kindertageseinrichtungen zum Integrationsbedarf der
zukünftigen Schulkinder hat ergeben, dass nach jetziger Einschätzung von den 38
Integrationskindern 32 ihren Entwicklungsrückstand nicht aufholen werden und
somit weiterer Förderung bedürfen. Im Ortsteil Mitte ist der Anteil mit 20
Kindern auffällig.
Den Eltern wird vor der Einschulung an der Modellschule bereits das Modellprojekt vorgestellt, damit sie sich mit der Schulwahl auch für diese Möglichkeit eines inklusiven Schulmodells entscheiden können.
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1. Das Deckblatt
2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
Der Bürgermeister In Vertretung Busch Beigeordnete |
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Amtsleiter Kortendiek |
Sachbearbeiterin Vorac, S. |
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