Betreff
Welterbe-Projekt "Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet" der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur;
hier: Stellungnahme der Stadt Bergkamen
Vorlage
11/1996
Aktenzeichen
61 wi-na
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

1.       Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Strukturwandel und Wirtschaftsförderung nimmt die geplante Bewerbung des Projektes „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ für die Fortschreibung der Tentativliste „UNESCO-Welterbe“, inklusive der Anlagen 1, 2 und 3 zur Kenntnis.

2.       Die Stadt Bergkamen unterstützt die Bewerbung der „Industriellen Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ für die Fortschreibung der Tentativliste „UNESCO-Welterbe“. Die in der Anlage 2 vorgeschlagene Flächenkulisse inklusive der Pufferzonen und Sichtachsen sind mit den Zielen der kommunalen Stadtentwicklung kompatibel.

 

Die Anlagen 1, 2 und 3 sind Bestandteil des Beschlusses und somit der Niederschrift.

 

 

Sachdarstellung:

 

Die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur strebt mit dem Projekt „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ die Eintragung repräsentativer Elemente und Strukturen des Ruhrgebietes als UNESCO-Welterbe an.

Der Industriestandort Ruhrgebiet (Kohle und Stahl) wurde durch die untertägige Formation des Ruhrkohlebeckens bestimmt, das im Norden von der Lippe, im Süden von der Ruhr und im Westen vom Rhein begrenzt wird. Dies war die ausschlaggebende Basis für die Entwicklung einer großmaßstäblichen Verbundwirtschaft, die für die massive industrielle Produktion erforderlich war. Technologisch fortschrittliche Berg- und Hüttenwerke, unterstützt durch eine Infrastruktur im regionalen Maßstab, schufen ein tragfähiges Modell, das anderen Industrieländern als Vorbild diente. Dazu gehörten das Abwassermanagementsystem der Emscher, das dichteste Verkehrsnetz in Europa und eine der weltweit größten Entwicklungen von industriebedingten Wohnsiedlungen

 

Noch heute ist diese Industrielandschaft in Form von architektonischen Highlights und Technikensembles herausragender Qualität erhalten. Der Gesamtzusammenhang ist durch punktuelle Highlights, Konzentration und lineare Verknüpfung (Flüsse, Kanäle, Eisenbahnen) erkennbar. Im Strukturwandel wird durch das Land, die Region und insbesondere durch die einzelnen Städte „Pionierarbeit“ zur Bewahrung, Transformation und nachhaltigen Ökologie geleistet. Diese stiftet Identität für die Bevölkerung und ist Anlass für Kulturtourismus im gesamten Ruhrgebiet. Die „Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ erfüllt daher zahlreiche UNESCO-Welterbe-Kriterien.

Bei der Anmeldung geht es ausdrücklich nicht darum das gesamte Ruhrgebiet zum Welterbe zu erklären, sondern lediglich einen Landschaftsraum aus punktuellen Einzelstätten und linearen, vernetzenden Elementen (Anlage 1).

 

Bereits 2012/13 wurde der Vorschlag „Zollverein und die industrielle Kulturlandschaft“ zur Fortschreibung der deutschen Tentativliste „UNESCO-Welterbe“ eingereicht sowie durch das Land NRW ausgewählt.

Seitdem wurde das Projekt immer weiter fachlich qualifiziert und in „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ umbenannt. Insbesondere wurde der außergewöhnliche, universelle Wert (outstanding universal value OUV) der Region des Ruhrgebiets mit ihren Monumenten des Steinkohlenbergbaus sowie der Eisen- und Stahlindustrie, dem Siedlungsbau, den Grünzügen, dem Wasser- und Abwassermanagement und der starken funktional-räumlichen Vernetzung mit Wasserwegen sowie durch Eisenbahn- und Radtrassen verdeutlicht. Auf diese Weise wird die Bedeutung der gesamten Region und ihrer weltweit bedeutsamen Industriegeschichte und ihres Strukturwandels herausgestellt.

 

Die Kulturministerkonferenz der Länder hat am 16.10.2019 beschlossen die Tentativliste „UNESCO-Welterbe“ zum 01.02.2024 fortzuschreiben und alle Bundesländer um entsprechende Vorschläge gebeten. Das Projekt „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ hat hierbei auf Landesebene einen Sonderstatus. Insgesamt sind Industrielle Kulturlandschaften vom internationalen Rat für Denkmalpflege bereits 2004 als in der Welterbeliste unterrepräsentiert eingestuft worden. Seitdem hat sich wenig  an der Ausgewogenheit der Liste geändert, sodass dem Projekt „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ gute Chancen zur Aufnahme in die Liste zugerechnet werden können.

 

Das MHKBG bittet nunmehr die politische Unterstützung aller beteiligten Kommunen und Kreise unter Kenntnis der Chancen und Potenziale ebenso wie der Einschränkungen und Risiken einzuholen. Mit Schreiben vom 11.08.2020 hat die Industriedenkmalstiftung daher auch die Stadt Bergkamen um Stellungnahme zu der oben genannten Bewerbung bis spätestens zum 15.11.2020 gebeten.

 

Im weiteren zeitlichen Ablauf erfolgt dann die Abgabe des Projektes im Rahmen des NRW - Interessenbekundungsverfahrens bis zum 15.01.2021. Nach der Prüfung der Unterlagen ist die Entscheidung der Landesregierung per Kabinettsbeschluss am 01.10.2021 geplant. Anschließend werden die Unterlagen bei der Kulturministerkonferenz eingereicht, welche bis März 2023 einen Abschlussbericht erarbeitet und im Oktober 2023 die Tentativliste beschließt. Die Einreichung der deutschen Tentativliste bei der UNESCO erfolgt dann im Januar 2024, sodass ab Januar 2025 der erste Antrag der deutschen Liste gestellt werden kann.

 

Welche Flächen sind in Bergkamen Teil des Projektes?

Um bei einer Kulturlandschaft wie dem Ruhrgebiet den außergewöhnlichen, universellen Wert (outstanding universal value OUV) für das Kulturerbe der Menschheit zu begründen, bedarf es entsprechender materieller Zeugnisse. Da es innerhalb des Ruhrgebietes eine Vielzahl in Frage kommender Siedlungen, Halden und denkmalgeschützter Zechen gibt mussten solche Standorte ausgewählt werden, die diesen außergewöhnlichen universellen Wert des Projektes angemessen repräsentieren.

 

In Bergkamen sind dies vor allem die überregional bedeutsamen linearen Vernetzungsstrukturen in Form von Wasserstraßen und Schienentrassen. Im Detail umfasst das Projekt „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ in Bergkamen die Elemente A 3 „Verlauf der Lippe und Mündung der Seseke“, G 1.1.6 „Hamm-Osterfelder Bahnlinie“ und H 3 „Datteln-Hamm-Kanal“ (Anlage 2). Ehemalige Zechenstandorte, Bergbausiedlungen oder Halden in Bergkamen sind nicht Teil des Projektes, da diese Zeugnisse an anderer Stelle im Ruhrgebiet bereits ausreichend dokumentiert sind.

 

Was bedeutet der Titel „UNESCO-Welterbe“?

Mit der Anerkennung einer Natur- oder Kulturstätte als Welterbe sind keine finanziellen Zuwendungen durch die UNESCO verbunden. Vielmehr verpflichten sich die zuständigen Regierungen, die Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen eigenständig zu finanzieren. In Deutschland kommt aufgrund der Kulturhoheit die Verantwortung für die Sicherstellung von Schutz und Erhalt den Bundesländern zu. Auf dieser Basis ergeben sich zahlreiche, insbesondere auch ökonomische Entwicklungsspielräume und –chancen, die in der Verantwortung für das Welterbe-Gebiet wahrgenommen werden sollten.

Neben dem geschützten Welterbe-Gut selbst können Pufferzonen zu dessen Schutz oder bei exponierten Elementen auch freizuhaltende Sichtachsen erforderlich werden. Insgesamt sind Umnutzungen jedoch weiterhin möglich und auch weitere Transformationsprozesse und Veränderungen sind im Bereich des Welterbe-Gebiets grundsätzlich umsetzbar, müssen aber im Sinne des Welterbe-Guts und seiner Werte gelenkt werden.

 

Bewertung für Bergkamen

Das Projekt „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ weist in Bergkamen für die Lippe, den Datteln-Hamm-Kanal und die Hamm-Osterfelder-Bahnlinie einen außergewöhnlichen, universellen Wert aus. Diese linearen Strukturen sind im Sinne der Stadtentwicklung und spiegeln sich z.B. im Freiflächengutachten „Rand und Band“ sowie im Projekt „Kanalband Bergkamen“, dass sich von der Wasserstadt Aden über die Halden bis zur Marina Rünthe erstreckt, wider.  Die Eintragung in die Welterbeliste unterstützt als ein Mosaikstein die erheblichen Anstrengungen der Stadt Bergkamen zum Strukturwandel. Die Transformation der Brachen und Halden erfolgt stets zukunftsgerichtet und nachhaltig aber unter Berücksichtigung ihrer geschichtlichen Entwicklung. Beispielhaft sei hier der Arbeitstitel für den Zukunftsgarten Bergkamen/Lünen der IGA 2027 „Landschaft in Bewegung“ genannt.

Bei Lippe, Datteln-Hamm-Kanal und Hamm-Osterfelder-Bahn steht die Linearität im Vordergrund der Unterschutzstellung. Daher bedarf es keines besonderen Schutzes der Umgebungen, keiner Pufferzonen oder Sichtachsen.

 

Die Auswirkungen z. B. auf den Lippeumbau sind damit ebenfalls als gering einzustufen. Die Reaktivierung der Hamm-Osterfelder-Bahn für den Personenverkehr inklusive zusätzlicher Haltepunkte soll in Zukunft möglich sein und soll daher in die Stellungnahme aufgenommen werden.

 

Die Bewerbung des Projektes „Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet“ für die Tentativliste „UNESCO-Welterbe“ ist daher zu begrüßen. Die Verwaltung schlägt vor die Bewerbung zu unterstützen. Die in der Anlage 2 vorgeschlagene Flächenkulisse für ein UNESCO-Welterbe inklusive der Pufferzonen und Sichtachsen sind mit den Zielen der kommunalen Stadtentwicklung kompatibel. Lippe, Datteln-Hamm-Kanal und Hamm-Osterfelder-Bahn sollen keine Denkmaleigenschaft bekommen und befinden sich nicht im Eigentum der Kommune (siehe Anlage 3).

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

3. 3 Anlagen

 

 

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

Dr.-Ing. Peters

Erster Beigeordneter

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Reichling

Sachbearbeiter

 

 

 

 

Wiese