Beschluss:
Der
Integrationsrat der Stadt Bergkamen nimmt die Ausführungen der Leiterin der
Willy-Brandt-Gesamtschule zur Kenntnis.
Der Vorsitzende des Bergkamener Integrationsrates, Herr Suvat Kaya, begrüßt Frau Ilka Detampel, die Leiterin der Bergkamener Willy-Brandt-Gesamtschule. Frau Detampel verschafft den Teilnehmern der Sitzung einen allgemeinen Überblick über das Profil bzw. das Konzept der Schule.
An der Gesamtschule lernen zz. 950 Schülerinnen und Schüler (SuS) in der Sekundarstufe I und 274 in der Sekundarstufe II. Über 50 % der SuS haben einen Migrationshintergrund, der sich dadurch definiert, dass mindestens ein Elternteil zugewandert ist. Insgesamt gestaltet sich die Schülerzahl aus 29 Nationen. Die SuS werden durch 110 Lehrkräfte unterrichtet, davon sind 59 weibliche und 51 männliche Lehrkräfte. 11 Personen haben einen Migrationshintergrund. Sie sind in Deutschland geboren und haben hier Lehramt studiert. Sie gehören folgenden Nationalitäten an: Türkisch, Kurdisch, Russisch, Kasachisch.
Die pädagogische Arbeit der Schule fußt auf 3 Säulen:
1. Wohlfühlen und Bewegung- dazu zählen Erziehung, Sport, Spiel, Streitschlichtung etc
2. Fördern und Fordern – hier: Förderangebote, Fremdsprachen, Soziales Lernen und
3. Entdecken und Forschen - mit Naturwissenschaft und Technik.
Die Willy-Brandt-Gesamtschule ist eine Go-in Schule, d. h. sie nimmt neue Zuwandererkinder auf und fördert deren Sprachkompetenz. Aktuell lernen 18 Go-in SuS in den Klassen 5 bis 10 an der Schule. Die Herkunftsländer sind Sri Lanka (2), Syrien (2), Kuba (1), Iran (1), Polen (10), Serbien (1) und Kroatien (1). Die Kinder erhalten über 24 Monate wöchentlich 9 Extra-Unterrichtsstunden in einer Kleingruppe. Für den Unterricht sind 2 Lehrkräfte zuständig. SuS mit Migrationshintergrund erhalten ab der 5. Klasse die Möglichkeit, türkischen muttersprachlichen Unterricht wählen. In der Oberstufe wird türkischer Sprachenunterricht incl. der Möglichkeit eines Sprachenzertifikats (TÖMER) angeboten.
Für die türkischsprachigen Eltern wird sowohl ein zweisprachiger Elternabend als auch ein bilingualer Abend zum Thema „Berufsorientierung“ durchgeführt. Für den Letzteren bestehen auch Angebote mit den Kooperationspartnern ATIAD und der Handwerkskammer Dortmund. An der Schule werden ebenfalls zweisprachige Elternmultiplikatoren ausgebildet.
Zweimal im Jahr wird eine interreligiöse Feier im Studiotheater ausgerichtet, daran nehmen die Geistlichen der evangelischen und katholischen Kirche, einer Bergkamener DITIB-Gemeinde und der alevitischen Gemeinde teil.
Zukünftig ist eine noch stärkere internationale Ausrichtung der Schule geplant. Für polnische Eltern sollen zweisprachige Angebote ausgeweitet werden, da sich der Anteil der Schüler mit polnischem Migrationshintergrund weiter erhöht hat.
Im jetzigen 5-er Jahrgang sind 136 Kinder. Von diesen 136 SuS hatten 80 % nur die Hauptschulempfehlung. Der Sprachtest in diesem Jahrgang zeigte auf, dass für 42 % dieser Kinder erheblicher Förderbedarf besteht. Das betrifft gleichmäßig Deutsche und Kinder mit Migrationshintergrund. Außerdem wurden in den Klassen 5 bis 7 im Zeitraum von November 2013 bis November 2014 insgesamt 57 Ordnungsmaßnahmen durchgeführt. Auch dies betraf alle SuS (mit und ohne Migrationshintergrund). Frau Detampel weist in diesem Zusammenhang allgemein auf den erhöhten Erziehungs- und Sprachförderbedarf der SuS hin. Viele Eltern nehmen ihren Erziehungsauftrag nicht wahr, fühlen sich überfordert und kommunizieren zu wenig mit ihren Kindern.
Im Gesamtbild erhielten 2014 59 SuS der Sekundarstufe I einen Hauptschulabschluss, 59 die Fachoberschulreife und 54 den Q-Vermerk für die Fachoberschulreife. In der 11. Klasse der gymnasialen Oberstufe sind aktuell 110 SuS. Davon haben nur 30 bis 40 % ihre Schullaufbahn an der Schule begonnen, die restlichen sind später hinzugekommen. Der Abiturjahrgang im Jahr 2014 hatte einen Durchschnitt von 2,7 – der liegt 0,1 % unter dem der Gymnasien.
Von den Abiturienten des Jahrgangs 2014 absolvieren 30 % eine Ausbildung, 34 % beginnen eine duale Ausbildung und 36 % ein Studium, dabei entschieden sich 48 % der SuS für ein naturwissenschaftliches Studium.
Durch den Wegfall der Hauptschulen in Bergkamen stellt sich die Gesamtschule auf vermehrte Haupt- und Realschulabschlüsse ein. Bedingt durch den binnendifferenzierten Unterricht erhalten alle Schülerinnen und Schüler den Abschluss bis Klasse 9 ohne dass vorab eine Versetzung gefährdet wäre. An der Willy-Brandt-Gesamtschule wurde für die 10. Klasse eine Betriebs- und Schulklasse (BuS) eingerichtet. Schüler nehmen dabei verstärkt Praktika wahr, um Betriebserfahrung zu sammeln.
Zz. erhalten über 100 Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule und der Gerh.-Hauptmann-Grundschule alevitischen Religionsunterricht.
Islamischer Unterricht wird durch Herrn Dr. Arslan 52 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Dieses Fach soll demnächst auch für die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I angeboten werden.
In der anschließenden Diskussion wird hervorgehoben, dass sich das Sprachproblem vieler SuS als ein gesamtgesellschaftliches Grundproblem darstellt. In den Migrantenfamilien stellt sich aber zusätzlich die Problematik der zwei Semisprachen dar. Sowohl die Eltern als auch die Kinder sprechen weder die deutsche noch die türkische Sprache korrekt. Türkische Eltern müssen weiterhin über ihre Erziehungsaufgaben informiert bzw. bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützt werden. Vielen Eltern ist dieser Erziehungsauftrag nicht bewusst, da das tradierte türkische System die Erziehung des Kindes in die staatliche Verantwortung legt. Frau Detampel weist explizit mehrmals darauf hin, dass bei den Schülerinnen und Schülern der Gesamtschule keine Aufteilung in Bezug auf „mit und ohne Migrationshintergrund“ bei Bildungs- bzw. Sprachdefiziten möglich ist.
Die Verwaltung wird gebeten, Informationen einzuholen über
· eine Migrantenquote am städtischen Gymnasium
· die dort angemeldeten und tatsächlich aufgenommene Kinder mit Migrationshintergrund
· die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und deren Abschluss an der Willy-Brandt-Gesamtschule
· die Overberger Schule in Bezug auf die angemeldet und tatsächlich angenommenen Schüler mit Migrationshintergrund zu überprüfen
· auf rassistisches Verhalten an Schulen ein Augenmerk zu richten.