Betreff
Antrag des "Bildungs- und Kulturzentrum Bergkamen e. V." auf öffentliche Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe gem. § 75 SGB VIII
Vorlage
11/1556
Aktenzeichen
schy-dö
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss des Rates der Stadt Bergkamen beschließt, dem „Bildungs- und Kulturzentrum Bergkamen e. V.“ die öffentliche Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe auf örtlicher Ebene gem. § 75 SGB VIII auszusprechen. Die Anerkennung bezieht sich auf die Tätigkeiten der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII) und die Förderung positiver Lebensbedingungen junger Menschen (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VKIII).

 

Sachdarstellung:

 

Das „Bildungs- und Kulturzentrum Bergkamen e. V.“ (BKZ), vertreten durch Herrn Ismail Göcen, hat mit Schreiben vom 12.03.2018 die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe gem. § 75 SGB VIII beantragt.

 

Rechtsgrundlagen für die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe sind § 75 SGB VIII in Verbindung mit § 25 des 1. Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG-KJHG) als Ausführungsgesetz des Landes NRW. Diese Rechtsgrundlagen dienen als Leitfaden für die Prüfung des Antrags.

 

Prüfung der örtlichen Zuständigkeit:
§ 25 Abs. 1 Nr. 1-3 AG-KJHG regelt die örtliche Zuständigkeit der Anerkennung. Demnach ist „zuständig für die öffentliche Anerkennung der Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII… das Jugendamt nach Beschlussfassung des Jugendhilfeausschusses, wenn der Träger der freien Jugendhilfe seinen Sitz im Bezirk des Jugendamtes hat und dort vorwiegend tätig ist,…“.

 

Das BKZ hat seinen satzungsgemäßen Sitz in der Präsidentenstr. 81, 59192 Bergkamen und ist ausschließlich auf Bergkamener Stadtgebiet tätig. Daher obliegt die Entscheidung über den Antrag dem Jugendhilfeausschuss des Rates der Stadt Bergkamen.

  

Voraussetzungen für die Anerkennung:

In § 75 Abs. 1 SGB VIII sind die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe beschrieben:

 

(1)    Als Träger der freien Jugendhilfe können juristische Personen und Personenvereinigungen anerkannt werden, wenn sie

 

  1. auf dem Gebiet der Jugendhilfe im Sinne des § 1 SGB VIII tätig sind,
  2. gemeinnützige Ziele verfolgen,
  3. aufgrund der fachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lassen, dass sie
    einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Jugendhilfe zu
    leisten im Stande sind, und
  4. die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten.

 

 

zu 1. (Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe):

 

Laut Satzung des BKZ bietet der Verein soziale, kulturelle sowie religiöse Dienste an und ist in den Bereichen Jugendförderung, Bildung, Erziehung und Integration tätig.

 

Dies wird lt. Vereinssatzung durch die Einrichtung und Unterhaltung von Gemeinden im Rahmen der religiösen und kulturellen Aktivitäten verwirklicht. Ferner erfolgt die Förderung der Integration und Vertiefung des gegenseitigen Verständnisses sowie der Solidarität der Kulturen, Religionen und Völkergemeinschaften durch Deutschkurse, Feste und Seminare.

 

Darüber hinaus wird der Vereinszweck durch die Unterweisung im islamischen Glauben sowie die Lehre und Wahrung der islamischen Werte, gezielte Unterstützung der schulischen Bedürfnisse, Spendensammlungen und soziale Hilfeleistungen an Migranten (z. B. Seelsorge bei Bestattungen, Krankenbesuche) verwirklicht. Schwerpunkt der Zielgruppe sind jugendliche Migranten.  

 

Der Verein BKZ betreibt seit September 2016 das Bildungszentrum Bergkamen (BZB) an der Präsidentenstraße in Bergkamen-Mitte. Laut Konzept ist das BZB „darauf ausgerichtet, die Entwicklung von muslimischen Kindern und Jugendlichen sowohl in ihrer persönlichen Entwicklung als auch in ihren schulischen Belangen gezielt zu unterstützen. Durch Förderung der sprachlichen und schulischen Kompetenz sowie ihrer Entwicklung zu einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit sollen die Jugendlichen zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und sozialem Engagement angeregt werden.“ 

 

Das BZB bietet Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfe und individuellen Förderunterricht an. Ziel ist es, Bildungsdefizite zu überwinden und Schülern den Zugang zu einer qualifizierten beruflichen Ausbildung zu ermöglichen.

 

Hierfür sind im BZB 20 Übernachtungsplätze für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren eingerichtet. Zurzeit sind hiervon 10 Plätze belegt. Dies entspricht der Betriebserlaubnis des Landesjugendamtes. Die Kinder und Jugendlichen besuchen weiterführende Schulen in Bergkamen und Nachbarorten. Sie sind unter der Woche im BZB untergebracht und verbringen die Wochenenden in ihren jeweiligen Heimatorten.           

 

Neben der schulischen Förderung und religiösen Unterweisung wird im BZB ein umfassendes Programm zur Freizeitgestaltung angeboten. Hierzu zählen Sportangebote, Videospiele, eine Kinder- und Jugendbibliothek, Gesellschaftsspiele, Präventionsangebote, Ausflüge in Freizeitparks und erlebnispädagogische Ausflüge. Das BZB verfügt über ein Außengelände auf dem u. a. ein Bolzplatz eingerichtet ist.

 

Der Alltag im BZB wird durch die Kinder und Jugendlichen mitverantwortlich gestaltet. Es gibt einen Schülerrat, der regelmäßig tagt und gemeinsame Aktionen und Regeln initiiert.

 

Insbesondere die Freizeitaktivitäten werden nicht ausschließlich von den im BZB lebenden Schülern genutzt, sondern auch von Bergkamener Kindern und Jugendlichen. Zurzeit sind 52 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus Bergkamen Mitglied im BKZ. Die Gesamtmitgliederzahl des Vereins beträgt derzeit 120 Personen.

 

Zur Prüfung, ob es sich hierbei um Tätigkeiten auf dem Gebiet der Jugendhilfe handelt, ist
§ 1 VIII SGB VIII heranzuziehen:

 

(1)    Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf
Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

(2)    Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3)    Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere

1.       junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,

2.       Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen,

3.       Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,

4.       dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.

 

In der Gesamtbetrachtung der Arbeit des BKZ sind die Vorgaben des § 1 Abs. 3 SGB VIII erfüllt, insbesondere Nr. 1 und 4.

 

Schulische Förderung allein ist kein Anerkennungsgrund im Sinne des § 75 Abs. 1 Nr.1 SGB VIII. Da diese hier sowohl laut Satzung als auch in der praktischen Umsetzung in ein Gesamtkonzept zur Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen eingebettet ist, können die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 Nr.1 SGB VIII auf diesem Tätigkeitsgebiet als erfüllt angesehen werden.

 

Die beschriebenen Freizeitaktivitäten erfüllen die Anforderungen des § 75 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII und sind klassische Beispiele für Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII.

 

Religiöse Unterweisung hingegen ist kein Anerkennungsgrund. Trägern, deren überwiegende Tätigkeit die Lehre und Verbreitung einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft ist, ist die Anerkennung nach § 75 SGB VIII gar zu verwehren. Da die religiöse Unterweisung in der Konzeption und Praxis des BKZ nur einen Teil der Arbeit ausmacht, kann hier nicht von einer überwiegenden Tätigkeit gesprochen werden.

 

Sofern einzelne Tätigkeiten eines Trägers nicht Aufgaben der Jugendhilfe erfüllen, ist dies kein Ablehnungsgrund. In den „Grundsätzen für die Anerkennung von freien Trägern der Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugendbehörden vom 07.09.2016“ heißt es dazu: „Daher ist eine Anerkennung auch dann zulässig, wenn sich die Tätigkeit des freien Trägers nur auf einen bestimmten Teilbereich der Jugendhilfe erstreckt“.

 

Ferner wird hier auch empfohlen, dies im Anerkennungsbescheid zu betonen: „Im Anerkennungsbescheid sollte in diesen Fällen zum Ausdruck kommen, auf welche vom Träger wahrgenommenen Aufgaben der Jugendhilfe sich die Anerkennung bezieht.“    

 

Die entsprechende Formulierung im Beschlussvorschlag dieser Vorlage wird in den Anerkennungsbescheid übernommen.

 

 

zu 2. (Gemeinnützigkeit):

 

Der Verwaltung des Jugendamtes liegt ein aktueller Freistellungsbescheid des Finanzamtes Hamm vor, aus dem die Gemeinnützigkeit des BKZ hervorgeht.

 

 

zu 3. (Personelle Vorrausetzungen):

 

Die im BZB lebenden Schüler werden von einer hauptamtlichen Fachkraft (Sozialarbeiter) und vier weiteren Mitarbeitern betreut. Diese Mitarbeiter verfügen über eine Jugendleiterschulung (Juleica) und eine islamtheologische Ausbildung. Nach erfolgter Anerkennung plant das BKZ, weitere Mitarbeiter in selbstständig durchgeführten Schulungen auszubilden.

Nach eigenen Angaben des Vereins wird bis Ende März 2019 eine weitere hauptamtliche Fachkraft (Sozialarbeiter) eingestellt. Es soll dann eine Erhöhung der Platzzahl auf 20 Schüler beim Landesjugendamt beantragt werden.

 

 

 

zu 4. (Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit):

 

Die vorliegende Vereinssatzung, die der Arbeit des Vereins zu Grunde liegende Konzeption und die bisherigen Erfahrungen der Verwaltung des Jugendamtes in der Zusammenarbeit mit dem BKZ geben keinen Anlass zum Zweifel an der Grundgesetzkonformität der verfolgten Ziele und Arbeit des BKZ.

 

 

Anspruch auf Anerkennung: 

Gemäß § 75 Abs. 2 SGB VIII hat „einen Anspruch auf Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe … unter den Voraussetzungen des Absatzes 1, wer auf dem Gebiet der Jugendhilfe mindestens drei Jahre tätig gewesen ist.“

 

Die Gründungsversammlung des BKZ hat am 03.12.2005 stattgefunden. Das BZB wurde zwar erst im September 2016 eröffnet, aber bereits seit Vereinsgründung war der Verein im Bereich der Freizeitgestaltung junger Menschen auf dem Gebiet der Jugendhilfe tätig. Die notwendige Drei-Jahres-Frist ist somit erfüllt.

 

Die Voraussetzungen für die Anerkennung nach § 75 SGB VIII Abs. 1 sind somit erfüllt.

 

 

Rechte des anerkannten Trägers:

Als anerkannter Träger der freien Jugendhilfe verfügt der Antragsteller über folgende Rechte:

 

·        Fördermittel der Stadt Bergkamen nur für anerkannte Träger

·        Wahrnehmung von Leistungen und Aufgaben nach SGB VIII

·        Teilnahme an den Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII

·        Beteiligung gem. § 80 SGB VIII an der Jugendhilfeplanung

·        Anspruch auf die Mitgliedschaft im Stadtjugendring Bergkamen e. V.

·        Vorschlagsrecht für die Benennung eines stimmberechtigten Mitgliedes im
Jugendhilfeausschuss

 

 

 

Nach pflichtgemäßem Ermessen schlägt die Verwaltung des Jugendamtes vor, dem „Bildungs- und Kulturzentrum Bergkamen e. V.“, vertreten durch Herrn Ismail Göcen, die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe auf örtlicher Ebene gem. § 75 SGB VIII auszusprechen, da die rechtlichen, fachlichen und personellen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Anerkennung bezieht sich auf die Tätigkeiten der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII) und die Förderung positiver Lebensbedingungen junger Menschen (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 SGB VIII).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

Busch

Beigeordnete

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Kortendiek

Sachbearbeiter

 

 

 

 

Scharwey