Betreff
Barrierefreie Stadt Bergkamen - Beschluss des Rates vom 11.10.2018
Vorlage
11/1387
Aktenzeichen
50 mö-
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Behindertenbeirat nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 

Sachdarstellung:

 

Der Rat der Stadt Bergkamen hat mit Beschluss vom 11.10.2018 die Verwaltung beauftragt, sich weiter mit dem Thema „Barrierefreie Stadt Bergkamen“ zu befassen und die Prozessschritte aus der Vorlage Nr. 11/1319 umzusetzen.

 

Die Vorlage Nr. 11/1319 enthielt folgende Sachdarstellung:

 

1.      Allgemeines und Begriffsdefinitionen

 

In der Sitzung vom 14.12.2017 hat der Rat der Stadt beschlossen, die Verwaltung mit der Erstellung eines Handlungskonzeptes barrierefreie Stadt Bergkamen unter Berücksichtigung von Inklusionsbelangen in verschiedenen Lebenslagen zu beauftragen, wobei der Behindertenbeirat eng in die Arbeit einzubeziehen sei.

 

Der Begriff der „Barrierefreiheit“ ist § 4 Abs. 1 und 2 des Gesetzes des Landes NRW zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG NRW) definiert:

 

(1)  Die Erreichung von Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen ist ein zentrales Ziel dieses Gesetzes, das von den Trägern öffentlicher Belange im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu verwirklichen ist. Barrierefreiheit im Sinne dieses Gesetzes ist die Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der gestalteten Lebensbereiche für alle Menschen. Die Auffindbarkeit, der Zugang und die Nutzung müssen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich sein. Hierbei ist die Nutzung persönlicher Hilfsmittel zulässig.

(2)  Zu den gestalteten Lebensbereichen gehören insbesondere bauliche und sonstige Anlagen, die Verkehrsinfrastruktur, Beförderungsmittel im Personennahverkehr, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen sowie Kommunikationseinrichtungen. Zur Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit gehört auch die Gewährleistung der Verständlichkeit von Informationen.

 

Barrierefreiheit ist als Gestaltungsprinzip in wesentlichen Bereichen des kommunalen Lebens verankert. Dies beinhaltet die Gestaltung von Wohnquartieren, zentralen Verkehrswegen, öffentlichen Gebäuden und privaten Einrichtungen von allgemeinem Interesse und die Verbreitung von Informationen.[1] Barrierefreiheit ist ein wesentlicher Baustein eines inklusiven Gemeinwesens.

 

Die Kommune kann Teilhabe und Inklusion in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen nicht selbst herstellen und nur in ganz geringem Maße durch kommunale Autorität erzwingen. Allerdings kann die Kommune durch ihre demokratische Verfasstheit und ihren sehr weitreichenden Auftrag inklusive Prozesse anstoßen und allen Beteiligten ein Forum bieten, in dem sie ihre legitimen Interessen zum Ausdruck bringen und nach Lösungen der Verwirklichung grundlegender Menschenrechte suchen. [2] Um das Thema Inklusion nachhaltig in der kommunalen Entwicklung zu verankern, werden in der im Auftrag des MAIS erstellten Arbeitshilfe zur Entwicklung inklusiver Gemeinwesen fünf Dimensionen in den Vordergrund gestellt:1

 

·         Partizipation und Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen;

·         Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für die Idee der Inklusion;

·         Gestaltung einer barrierefreien Infrastruktur;

·         inklusive Gestaltung von Bildungseinrichtungen und anderer Einrichtungen für die Allgemeinheit (Vereine, Museen, Theater, Verwaltungen, usw.);

·         Planung und Entwicklung flexibler und inklusionsorientierter Unterstützungsdienste

 

Nach der erfolgten politischen Beauftragung sind, wie in anderen beteiligungsorientierten Prozessen üblicherweise auch, für die Erstellung des Handlungskonzeptes barrierefreie Stadt Bergkamen folgende Schritte erforderlich: [3]

 

·         Handlungs- und Themenfelder identifizieren,

·         Prioritäten festlegen,

·         Beteiligungen organisieren,

·         Bestandsaufnahme und Bedarfsklärungen vornehmen sowie

·         Maßnahmen im Sinne konkreter Praxisschritte entwerfen.

 

 

2.      Identifikation von Handlungs- und Themenfeldern

 

In Anlehnung an die bereits existierenden Konzepte und Aktionspläne verschiedener Kommunen in NRW wurden folgende Handlungs- und Themenfelder identifiziert:

 

(1)  Bauen und Wohnen, Öffentlicher Raum, Mobilität, ÖPNV

 

(2)  Bildung, Arbeit und Berufsausbildung

 

(3)  Kultur, Freizeit, Sport

 

(4)  Verwaltung („eine Verwaltung für alle“), Sensibilisierung der Mitarbeitenden durch Kommunikation nach innen

 

(5)  Bewusstseinsbildung und Kommunikation nach außen

 

Ein Muster für einen beispielhaften, umfassenden Aktionsplan stellt das Handlungsprogramm 2016 – 2020 zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskommission „Kreis Unna inklusiv – auf dem Weg zu einer inklusiven Verwaltung“ dar (Link: https://www.kreis-unna.de/hauptnavigation/kreis_region/leben_im_kreis/behinderung_inklusion/aktuelles_veroeffentlichungen_und_berichte.html ).

 

 

3.      Entwicklung der Handlungsfelder / Prozessgestaltung

 

3.1. Einsatz des Schneeballverfahrens

 

Es empfiehlt sich, zunächst mit einem oder zwei Handlungsfeldern zu starten, um Erfahrungen zu gewinnen, die im weiteren Vorgehen möglicherweise zu Anpassungen der Arbeitsweise führen. Der Vorteil dieses sogenannten „Schneeballverfahrens“ im Gegensatz zu einem umfassenden Planungsansatz z.B. nach einer lebenslauforientierten Planungsstruktur ist, dass schnell Ergebnisse in einzelnen Handlungsbereichen erzielt werden, die die Beteiligten und die gesamte Stadtbevölkerung motivieren, das Thema Inklusion weiter anzugehen und immer neue Handlungsfelder zu erschließen.

 

3.2. Öffentliche Gebäude

 

Ein gutes Thema für eine erste inhaltliche Auseinandersetzung bietet im Handlungsfeld (1) „Bauen und Wohnen, Öffentlicher Raum, Mobilität, ÖPNV“ die Bestandsaufnahme zur Barrierefreiheit öffentlicher Einrichtungen. Hierzu bietet die Agentur Barrierefrei NRW Unterstützung in der Form an, dass Studierende der TU Dortmund aus dem Fachbereich Reha-Wissenschaften die öffentlichen Gebäude begehen und identifizierte Barrieren an die Verwaltung rückmelden. Die dieser Bestandsaufnahme zugrunde liegenden Kriterien wurden unter Federführung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW in enger Zusammenarbeit mit der Agentur Barrierefrei NRW und der Behinderten-Selbsthilfe entwickelt und abgestimmt. Die nach landesweit einheitlichem Standard erhobenen Daten können die Grundlage für eine Diskussion in der zu bildenden Facharbeitsgruppe und für eine anschließende Maßnahmenplanung der Bauverwaltung darstellen.

 

Die Stadt Bergkamen beteiligt sich im aktuellen Wintersemester an der Bestandsaufnahme NRW. Die Studierenden werden die Barrierefreiheit des Rathauses, des Stadtmuseums, des Trauzimmers in der Marina Rünthe sowie des studio theaters bergkamen erheben.

 

3.3. Sensibilisierung der Verwaltung

 

Um die Voraussetzungen für einen gelungenen Entwicklungsprozess in Richtung einer barrierefreien Stadt zu schaffen scheint es unumgänglich, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb der Stadtverwaltung zu informieren und zu sensibilisieren. Nur wenn in allen Verwaltungsbereichen bewirkt wird, dass bei jeder Maßnahme und jeder Aktivität mit bedacht wird, ob Barrieren in irgendeiner Form vorhanden sind und wie diese beseitigt werden können, kann dieser Prozess in unserer Stadt in Gang gebracht werden.

 

Daher scheint es zielführend, das Handlungsfeld (4) „Verwaltung, Sensibilisierung der Mitarbeitenden durch Kommunikation nach innen“ zeitnah in Angriff zu nehmen. Das Zentrum für Planung und Evaluation der Universität Siegen hat eine Arbeitshilfe „Inklusionsorientierte Verwaltung“ zur Sensibilisierung und Qualifizierung von kommunalen Verwaltungsstellen entwickelt. Das hierin beschriebene Handlungskonzept „Verwaltung für alle“ definiert fünf konkrete Arbeitsschritte für diesen Sensibilisierungsprozess.[4]

 

3.4. Öffentlichkeitsarbeit

 

Neben der Sensibilisierung der Verwaltung sollte der Fokus auch auf das Handlungsfeld (5) „Bewusstseinsbildung und Kommunikation nach außen“ gelegt werden. Hier geht es u.a. darum, dass die Webangebote auf Barrierefreiheit überprüft werden, neue Themenbroschüren entwickelt und aufgelegt werden und Informationen in Leichter Sprache bereitgestellt werden. Über diese Maßnahmen und kontinuierliche Presseberichterstattung über die erzielten Fortschritte können möglicherweise Mitstreiter aus dem Kreis der Menschen mit Behinderungen für die weiteren Prozessschritte und die spätere Besetzung der Arbeitsgruppen gewonnen werden

 

Im Rahmen der Kommunikationsmaßnahmen nach außen sollte eine größere Auftaktveranstaltung geplant und durchgeführt werden, in der die bisherigen kleineren Schritte in Richtung einer barrierefreien Stadt dargestellt und die weiteren Pläne für die Öffentlichkeit transparent gemacht werden. Ziel der Auftaktveranstaltung sollte die Bildung von Arbeitsgruppen für die fünf benannten Handlungsfelder sein.

 

Anschließend kann mit der Arbeit einzelner Facharbeitsgruppen begonnen werden. Diese sollten sich zusammensetzen aus

 

·         Vertreter/innen der Verwaltungsspitze

·         Vertreter/innen der Ratsfraktionen

·         Beauftragte für Behindertenangelegenheiten, Seniorenarbeit, Integration, Gleichstellung

·         Vertreter/innen folgender Fachämter/-bereiche: Bürgermeisterbüro, Stadtplanung/Verkehr/Stadtgrün, Soziales, Schulverwaltung, Jugendamt, Immobilienwirtschaft, Zentrale Dienste, Kultur

·         Vertreter/innen der Selbstorganisationen für Menschen mit Behinderungen

·         Vertreter/innen der ortsansässigen Wohlfahrtsverbände

·         an der Mitarbeit interessierte Bürger/innen

 

Erfahrungen anderer Kommunen zeigen, dass eine zielführende Moderation der Arbeitsgruppen entweder durch kompetente und erfahrene Führungskräfte der Verwaltung oder durch beauftragte externe professionelle Moderatoren/-innen erfolgen sollte.

 

3.5. Prozess

 

Zug um Zug sollten die Arbeitsgruppen einzelne Themen ihres Handlungsfeldes benennen, Maßnahmen entwickeln und dem Rat der Stadt Bergkamen zur Umsetzung empfehlen. Dieser Prozess wird sich über Jahre erstrecken. Daher ist es erforderlich, in bestimmten Zeitabständen (z.B. alle drei Jahre) einen Zwischenbericht zu verfassen, um zum einen die bereits erreichten Verbesserungen der Barrierefreiheit zusammenfassend darzustellen und zum anderen aufzuzeigen, welche Barrieren nach wie vor bestehen und im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention beseitigt werden müssen.

 

3.6. Personelle Auswirkungen

 

Zur Steuerung des Gesamtprozesses ist es erforderlich, personelle Kapazitäten im Umfang einer halben Stelle bereit zu stellen.

 

 



[1] Rohrmann, Albrecht; Schädler, Johannes u.a.: Inklusive Gemeinwesen Planen. Eine Arbeitshilfe, hrsg. vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 2014

[2] Rohrmann, Albrecht; Maykus, Stephan u.a.: Inklusion – Chance und Herausforderung für Kommunen, hrsg. von Jürgen Hartwig und Dirk Willem Kroneberg, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Berlin, 2014

[3] Rohrmann, Albrecht; Maykus, Stephan u.a.: Inklusion – Chance und Herausforderung für Kommunen, hrsg. von Jürgen Hartwig und Dirk Willem Kroneberg, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Berlin, 2014

[4] Konieczny, Eva u.a.: „Inklusionsorientierte Verwaltung“ – Arbeitshilfe zur Sensibilisierung und Qualifizierung von kommunalen Verwaltungsstellen, hrsg. durch das Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste an der Universität Siegen (ZPE), 1. Auflage, Siegen, 2012

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

Busch

Beigeordnete

 

 

Amtsleiterin

 

 

 

 

Höchst

Sachgebietsleiter

 

 

 

 

Möllmann