Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Bergkamen beauftragt die Verwaltung, sich weiter mit dem Thema „Barrierefreie Stadt Bergkamen“ zu befassen und die Prozessschritte aus der Vorlage Nr. 11/1319 umzusetzen.
Sachdarstellung:
1. Allgemeines
und Begriffsdefinitionen
In der Sitzung vom
14.12.2017 hat der Rat der Stadt beschlossen, die Verwaltung mit der Erstellung
eines Handlungskonzeptes barrierefreie Stadt Bergkamen unter Berücksichtigung
von Inklusionsbelangen in verschiedenen Lebenslagen zu beauftragen, wobei der Behindertenbeirat
eng in die Arbeit einzubeziehen sei.
Der Begriff der
„Barrierefreiheit“ ist § 4 Abs. 1 und 2 des Gesetzes des Landes NRW zur
Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG NRW) definiert:
(1)
Die Erreichung von
Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen ist ein zentrales Ziel dieses
Gesetzes, das von den Trägern öffentlicher Belange im Rahmen ihrer
Zuständigkeit zu verwirklichen ist. Barrierefreiheit im Sinne dieses Gesetzes
ist die Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der gestalteten
Lebensbereiche für alle Menschen. Die Auffindbarkeit, der Zugang und die
Nutzung müssen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise,
ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich sein.
Hierbei ist die Nutzung persönlicher Hilfsmittel zulässig.
(2) Zu den gestalteten Lebensbereichen gehören insbesondere
bauliche und sonstige Anlagen, die Verkehrsinfrastruktur, Beförderungsmittel im
Personennahverkehr, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung,
akustische und visuelle Informationsquellen sowie Kommunikationseinrichtungen.
Zur Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit gehört auch die
Gewährleistung der Verständlichkeit von Informationen.
Barrierefreiheit
ist als Gestaltungsprinzip in wesentlichen Bereichen des kommunalen Lebens
verankert. Dies beinhaltet die Gestaltung von Wohnquartieren, zentralen
Verkehrswegen, öffentlichen Gebäuden und privaten Einrichtungen von allgemeinem
Interesse und die Verbreitung von Informationen.[1]
Barrierefreiheit ist ein wesentlicher Baustein eines inklusiven Gemeinwesens.
Die Kommune kann
Teilhabe und Inklusion in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen nicht
selbst herstellen und nur in ganz geringem Maße durch kommunale Autorität
erzwingen. Allerdings kann die Kommune durch ihre demokratische Verfasstheit
und ihren sehr weitreichenden Auftrag inklusive Prozesse anstoßen und allen
Beteiligten ein Forum bieten, in dem sie ihre legitimen Interessen zum Ausdruck
bringen und nach Lösungen der Verwirklichung grundlegender Menschenrechte
suchen. [2]
Um das Thema Inklusion nachhaltig in der kommunalen Entwicklung zu verankern,
werden in der im Auftrag des MAIS erstellten Arbeitshilfe zur Entwicklung
inklusiver Gemeinwesen fünf Dimensionen in den Vordergrund gestellt:1
·
Partizipation
und Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen;
·
Sensibilisierung
und Bewusstseinsbildung für die Idee der Inklusion;
·
Gestaltung
einer barrierefreien Infrastruktur;
·
inklusive
Gestaltung von Bildungseinrichtungen und anderer Einrichtungen für die
Allgemeinheit (Vereine, Museen, Theater, Verwaltungen, usw.);
·
Planung
und Entwicklung flexibler und inklusionsorientierter Unterstützungsdienste
Nach der erfolgten
politischen Beauftragung sind, wie in anderen beteiligungsorientierten Prozessen
üblicherweise auch, für die Erstellung des Handlungskonzeptes barrierefreie
Stadt Bergkamen folgende Schritte erforderlich: [3]
·
Handlungs-
und Themenfelder identifizieren,
·
Prioritäten
festlegen,
·
Beteiligungen
organisieren,
·
Bestandsaufnahme
und Bedarfsklärungen vornehmen sowie
·
Maßnahmen
im Sinne konkreter Praxisschritte entwerfen.
2. Identifikation
von Handlungs- und Themenfeldern
In Anlehnung an die
bereits existierenden Konzepte und Aktionspläne verschiedener Kommunen in NRW
wurden folgende Handlungs- und Themenfelder identifiziert:
(1) Bauen und Wohnen, Öffentlicher Raum,
Mobilität, ÖPNV
(2) Bildung, Arbeit und Berufsausbildung
(3) Kultur, Freizeit, Sport
(4) Verwaltung („eine Verwaltung für
alle“), Sensibilisierung der Mitarbeitenden durch Kommunikation nach innen
(5) Bewusstseinsbildung und Kommunikation
nach außen
Ein Muster für
einen beispielhaften, umfassenden Aktionsplan stellt das Handlungsprogramm 2016
– 2020 zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskommission „Kreis Unna inklusiv –
auf dem Weg zu einer inklusiven Verwaltung“ dar (Link:
https://www.kreis-unna.de/hauptnavigation/kreis_region/leben_im_kreis/behinderung_inklusion/aktuelles_veroeffentlichungen_und_berichte.html ).
3. Entwicklung
der Handlungsfelder / Prozessgestaltung
3.1. Einsatz des
Schneeballverfahrens
Es empfiehlt sich,
zunächst mit einem oder zwei Handlungsfeldern zu starten, um Erfahrungen zu
gewinnen, die im weiteren Vorgehen möglicherweise zu Anpassungen der
Arbeitsweise führen. Der Vorteil dieses sogenannten „Schneeballverfahrens“ im
Gegensatz zu einem umfassenden Planungsansatz z.B. nach einer
lebenslauforientierten Planungsstruktur ist, dass schnell Ergebnisse in
einzelnen Handlungsbereichen erzielt werden, die die Beteiligten und die
gesamte Stadtbevölkerung motivieren, das Thema Inklusion weiter anzugehen und
immer neue Handlungsfelder zu erschließen.
3.2. Öffentliche
Gebäude
Ein gutes Thema für
eine erste inhaltliche Auseinandersetzung bietet im Handlungsfeld (1) „Bauen und Wohnen, Öffentlicher Raum, Mobilität,
ÖPNV“ die Bestandsaufnahme zur Barrierefreiheit öffentlicher Einrichtungen.
Hierzu bietet die Agentur Barrierefrei NRW Unterstützung in der Form an, dass
Studierende der TU Dortmund aus dem Fachbereich Reha-Wissenschaften die
öffentlichen Gebäude begehen und identifizierte Barrieren an die Verwaltung
rückmelden. Die dieser Bestandsaufnahme zugrunde liegenden Kriterien wurden
unter Federführung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales NRW in
enger Zusammenarbeit mit der Agentur Barrierefrei NRW und der
Behinderten-Selbsthilfe entwickelt und abgestimmt. Die nach landesweit
einheitlichem Standard erhobenen Daten können die Grundlage für eine Diskussion
in der zu bildenden Facharbeitsgruppe und für eine anschließende
Maßnahmenplanung der Bauverwaltung darstellen.
Die Stadt Bergkamen
beteiligt sich im aktuellen Wintersemester an der Bestandsaufnahme NRW. Die
Studierenden werden die Barrierefreiheit des Rathauses, des Stadtmuseums, des
Trauzimmers in der Marina Rünthe sowie des studio theaters bergkamen erheben.
3.3.
Sensibilisierung der Verwaltung
Um die
Voraussetzungen für einen gelungenen Entwicklungsprozess in Richtung einer
barrierefreien Stadt zu schaffen scheint es unumgänglich, die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter innerhalb der Stadtverwaltung zu informieren und zu
sensibilisieren. Nur wenn in allen Verwaltungsbereichen bewirkt wird, dass bei
jeder Maßnahme und jeder Aktivität mit bedacht wird, ob Barrieren in
irgendeiner Form vorhanden sind und wie diese beseitigt werden können, kann
dieser Prozess in unserer Stadt in Gang gebracht werden.
Daher scheint es
zielführend, das Handlungsfeld (4)
„Verwaltung, Sensibilisierung der Mitarbeitenden durch Kommunikation nach innen“
zeitnah in Angriff zu nehmen. Das Zentrum für Planung und Evaluation der Universität
Siegen hat eine Arbeitshilfe „Inklusionsorientierte Verwaltung“ zur
Sensibilisierung und Qualifizierung von kommunalen Verwaltungsstellen
entwickelt. Das hierin beschriebene Handlungskonzept „Verwaltung für alle“
definiert fünf konkrete Arbeitsschritte für diesen Sensibilisierungsprozess.[4]
3.4.
Öffentlichkeitsarbeit
Neben der
Sensibilisierung der Verwaltung sollte der Fokus auch auf das Handlungsfeld (5) „Bewusstseinsbildung und
Kommunikation nach außen“ gelegt werden. Hier geht es u.a. darum, dass die
Webangebote auf Barrierefreiheit überprüft werden, neue Themenbroschüren
entwickelt und aufgelegt werden und Informationen in Leichter Sprache
bereitgestellt werden. Über diese Maßnahmen und kontinuierliche
Presseberichterstattung über die erzielten Fortschritte können möglicherweise
Mitstreiter aus dem Kreis der Menschen mit Behinderungen für die weiteren
Prozessschritte und die spätere Besetzung der Arbeitsgruppen gewonnen werden
Im Rahmen der
Kommunikationsmaßnahmen nach außen sollte eine größere Auftaktveranstaltung
geplant und durchgeführt werden, in der die bisherigen kleineren Schritte in
Richtung einer barrierefreien Stadt dargestellt und die weiteren Pläne für die
Öffentlichkeit transparent gemacht werden. Ziel der Auftaktveranstaltung sollte
die Bildung von Arbeitsgruppen für die fünf benannten Handlungsfelder sein.
Anschließend kann
mit der Arbeit einzelner Facharbeitsgruppen begonnen werden. Diese sollten sich
zusammensetzen aus
·
Vertreter/innen
der Verwaltungsspitze
·
Vertreter/innen
der Ratsfraktionen
·
Beauftragte
für Behindertenangelegenheiten, Seniorenarbeit, Integration, Gleichstellung
·
Vertreter/innen
folgender Fachämter/-bereiche: Bürgermeisterbüro,
Stadtplanung/Verkehr/Stadtgrün, Soziales, Schulverwaltung, Jugendamt,
Immobilienwirtschaft, Zentrale Dienste, Kultur
·
Vertreter/innen
der Selbstorganisationen für Menschen mit Behinderungen
·
Vertreter/innen
der ortsansässigen Wohlfahrtsverbände
·
an
der Mitarbeit interessierte Bürger/innen
Erfahrungen anderer
Kommunen zeigen, dass eine zielführende Moderation der Arbeitsgruppen entweder
durch kompetente und erfahrene Führungskräfte der Verwaltung oder durch
beauftragte externe professionelle Moderatoren/-innen erfolgen sollte.
3.5. Prozess
Zug um Zug sollten
die Arbeitsgruppen einzelne Themen ihres Handlungsfeldes benennen, Maßnahmen
entwickeln und dem Rat der Stadt Bergkamen zur Umsetzung empfehlen. Dieser
Prozess wird sich über Jahre erstrecken. Daher ist es erforderlich, in
bestimmten Zeitabständen (z.B. alle drei Jahre) einen Zwischenbericht zu
verfassen, um zum einen die bereits erreichten Verbesserungen der
Barrierefreiheit zusammenfassend darzustellen und zum anderen aufzuzeigen,
welche Barrieren nach wie vor bestehen und im Sinne der
UN-Behindertenrechtskonvention beseitigt werden müssen.
3.6. Personelle
Auswirkungen
Zur Steuerung des
Gesamtprozesses ist es erforderlich, personelle Kapazitäten im Umfang einer
halben Stelle bereit zu stellen.
[1] Rohrmann, Albrecht; Schädler, Johannes u.a.: Inklusive Gemeinwesen Planen. Eine Arbeitshilfe, hrsg. vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 2014
[2] Rohrmann, Albrecht; Maykus, Stephan u.a.: Inklusion – Chance und Herausforderung für Kommunen, hrsg. von Jürgen Hartwig und Dirk Willem Kroneberg, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Berlin, 2014
[3] Rohrmann, Albrecht; Maykus, Stephan u.a.: Inklusion – Chance und Herausforderung für Kommunen, hrsg. von Jürgen Hartwig und Dirk Willem Kroneberg, Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Berlin, 2014
[4] Konieczny, Eva u.a.: „Inklusionsorientierte Verwaltung“ – Arbeitshilfe zur Sensibilisierung und Qualifizierung von kommunalen Verwaltungsstellen, hrsg. durch das Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste an der Universität Siegen (ZPE), 1. Auflage, Siegen, 2012
Kostendarstellung: |
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Kosten/Erlöse: |
30.000,00
€ |
Produkt-/Sachkonto: 05.31.05.501200 |
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Folgekosten
pro Jahr:
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30.000,00
€ |
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1. Das Deckblatt
2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
Der Bürgermeister In Vertretung Busch Beigeordnete |
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Amtsleiterin Höchst |
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