Betreff
Spielgruppen für Flüchtlingskinder
Vorlage
11/1062
Aktenzeichen
bu-dö
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag: 

 

Der Jugendhilfeausschuss des Rates der Stadt Bergkamen nimmt die Vorlage Drucksache Nr. 11/1062 zur Kenntnis.                  

Sachdarstellung:

 

Seit September 2015 bietet das Integrationsbüro der Stadt Bergkamen Spielgruppen für Flüchtlingskinder im Alter von 0-6 Jahren an. Die Förderung dieser „Brückenprojekte“  durch das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen ist bis Ende 2017 gesichert und für 2018 beantragt.

 

Die Spielgruppen sind insofern „Brückenlösung“, da sie fehlende Kindergartenplätze für die Zielgruppe der Flüchtlingskinder kompensieren sollen. Da nach den bisherigen Planungen in Bergkamen erst ab 2019 ausreichend Kitaplätze zur Verfügung stehen werden, sollten die Spielgruppen bis dahin weiter geführt werden.

 

 

Zielgruppe

 

Die Betreuungsangebote richten sich an die Altersgruppe 0-6 Jahren, die Gruppengröße schwankt zwischen 3 und 10 Kindern. Insgesamt werden zurzeit 48 Kinder in 14 Spielgruppen in fünf Einrichtungen betreut. Die geringe Gruppengröße soll die Kinder behutsam an den in der Regel sehr turbulenten Kindergartenalltag einer Großgruppe heranführen.

 

Alter in Jahren

 

Kinderanzahl

unter einem Jahr

1

1 Jahr

5

2 Jahre

9

3 Jahre

8

4 Jahre

12

5 Jahre

7

6 Jahre

6

 

Formen der Spielgruppen                                                                                                                                      

 

Die Gruppen sind in Spielgruppen und Eltern-Kind-Gruppen unterteilt. Die Eltern entscheiden selbst, ob sie an der Gruppe teilnehmen oder sich entfernen, da manche Kinder sich in der Anfangsphase nur schwer von ihren Eltern trennen. Daraus resultiert, dass die Spielgruppen variabel durchgeführt werden müssen, um eine Beteiligung des Kindes auf Dauer sicherzustellen. Entscheidend ist der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen allen Beteiligten.

 

Die bisherigen Betreuungszeiten im Umfang von zwei Stunden haben sich bewährt und sind aus Sicht des Jugendamts sinnvoll und angemessen. Da die Betreuung in den Kleingruppen aufgrund fehlender Sprachkompetenz fast ausschließlich non-verbal erfolgt, überfordert eine längere Betreuungszeit Kinder und Erzieherinnen.

 

Durchführungsorte

 

Die Angebote finden zurzeit im „Pestalozzihaus“, im „Anstoß“, und in den Kindertageseinrichtungen „Villa Kunterbunt“, „Springmäuse“ und „Vorstadtstrolche“ statt. Es finden derzeit fünf Angebote im Vormittagsbereich und neun im Nachmittagsbereich statt.

 

 

Pädagogisches Personal

 

Zurzeit betreuen 18 pädagogische Fachkräfte meist zu zweit die unterschiedlichen Spielgruppen.

 

Fort-und Weiterbildungen sind jederzeit möglich und können durch die Fördergelder finanziert werden. Es stehen den Fachkräften Broschüren und zusätzliches Material zum Thema „Umgang mit Trauma“ zur Verfügung. Neue Kollegen/innen werden durch die bestehenden Fachkräfte eingearbeitet und begleitet. Es finden im Abstand von ca. 6 Wochen regelmäßige Austauschtreffen mit den Fachkräften und dem Integrationsbüro statt.

 

Die Erzieherinnen sind hochmotiviert, den Flüchtlingskindern ein Spiel- und Lernverhalten näher zu bringen. Durch den Einsatz von pädagogischen Fachkräften ist eine optimale Betreuung der Familien gesichert, auch im Hinblick auf den möglicherweise erforderlichen Einsatz des Allgemeinen Sozialen Dienstes bei schwierigen Familienverhältnissen.

 

Kooperationspartner

 

Durch die Betreuung in den Räumlichkeiten unterschiedlicher Träger sind lokale Akteure wie AWO und kath. Pastoralverbund bereits eingebunden. Weitere Kooperationspartner sind die städt. Stadtbibliothek, die AWO Schwangerschaftsberatung, das Familienbüro und der ASD des Jugendamts, das Amt für Soziales, Gesundheit und Senioren, der Verein Familiäre Kindertagesbetreuung e.V., das Amt für Gesundheit und Verbraucherschutz im Kreis Unna, die städt. VHS und der ehrenamtliche Flüchtlingshelferkreis. In einer der Kindertageseinrichtungen bietet eine Hebamme wöchentlich offene Sprechstunden für  Flüchtlingsfamilien an.

 

Evaluation

 

Die Universität in Paderborn evaluiert die Brückenprojekte in NRW von Beginn an. Im Oktober 2017 fand auch eine Evaluation in Bergkamen statt. Es wurden Interviews mit den Fachkräften und Beobachtungen in den Gruppen durchgeführt, zusätzlich wurden Fragebögen ausgefüllt. Die Ergebnisse dieser Evaluation liegen noch nicht vor.

 

Aus den regelmäßigen Kontakten und Gesprächen mit den Erzieherinnen und Kooperationspartnern lassen sich folgende vorläufigen Ergebnisse ableiten:

 

·         Bei Kindern, die schon länger in den Spielgruppen sind, sind große Fortschritte in den Deutschkenntnissen zu verzeichnen.

·         Die Kinder nehmen die pädagogischen Angebote der Fachkräfte  an, woraus abgeleitet werden kann, dass sie sich dort wohl und angenommen fühlen.

·         Es braucht Zeit die Kinder an die unterschiedlichen Spielformen, wie z.B. das Rollenspiel und Freispiel usw. heranzuführen. Besonders das gemeinsame Spiel mit anderen Kindern fällt einigen Kindern schwer. Sicherlich spielen dabei auch Sprachbarrieren eine Rolle.

·         Jedes Kind bringt seine eigene Geschichte mit, so dass eine individuelle Förderung unumgänglich ist.

·         Die Anzahl der Kinder in den einzelnen Spielgruppen unterliegt starken Schwankungen, da die Eltern ihre Kinder nicht regelmäßig bringen. Die Fachkräfte müssen daher flexibel auf die jeweilige Situation reagieren und können wenig im Vorfeld planen.

·         Die Kinder kommen aus vielen unterschiedlichen Kulturen dieser Welt, die ihre eigenen Rituale und Werte haben. Es ist eine große Herausforderung für die Fachkräfte ein „Miteinander“ in den Gruppen zu gestalten.

·         Den Fachkräften fällt es manchmal schwer, sich klar abzugrenzen, wenn die Eltern mit ihren Alltagssorgen zu ihnen kommen und um Hilfe bitten. Sie brauchen daher ein eigenes Rollenverständnis, was die Aufgaben und Grenzen definiert.

·         Es ist erkennbar, dass das deutsche Bildungs-und Gesundheitssystem den Flüchtlingsfamilien oft fremd ist. Dies bedarf einer präventiven  Aufklärungsarbeit.

 

Einbeziehung der Eltern

Auch zu den Flüchtlingseltern, die an den Spielgruppen teilnehmen bestehen deutliche Sprachbarrieren, die nur bedingt durch den Einsatz ehrenamtlicher Dolmetscher überwunden werden können. Die Angebote für Familien werden dennoch gut angenommen – so z.B. die  Ausflüge in einen Tierpark.

Die Erzieherinnen müssen die Eltern immer wieder darauf hinweisen, dass die Spiel- und Eltern-Kind-Gruppen nicht als Deutschkurs genutzt werden sollen und können. Auch das Ausfüllen von Formularen, Anfragen in Bezug auf die Begleitung zu Ämtern und Ärzten kann nicht geleistet werden und wird an andere Institutionen wie z.B. den Flüchtlingshelferkreis weitervermittelt.

 

Ziele der Arbeit

 

Eine gezielte pädagogische Arbeit ist aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen nicht einfach. Dennoch wurden gemeinsam mit den Erzieherinnen folgende Ziele für die weitere Arbeit definiert:

 

·         Das Kind soll lernen, fremde erwachsene Personen vorübergehend als Bezugsperson anzunehmen.

·         Das Kind soll im Stande sein, die Zuwendung der Bezugsperson mit anderen Kindern zu teilen.

·         Das Kind soll Beziehung zu anderen Kindern aufnehmen, sowohl im Zweierkontakt, als auch in der Gruppe und die Fähigkeit zu Partner- und Rollenverhalten entwickeln.

·         Das Miteinander in der Spielgruppe soll dem Kind positive Erlebnisse vermitteln.

·         Das Kind hat die Möglichkeit, auf verschiedene Weise, Konflikte mit anderen Kindern zu lösen.

·         Das Kind wird lernen, Gruppenregeln zu beachten und zu erfüllen.

·         Ein weiteres, wichtiges Ziel einer Spielgruppe ist es, die frühkindliche Entwicklung in geplanten Angeboten und im Freispiel zu fördern und somit im Bereich Sprach- und Motorikentwicklung den Eltern eine hilfreiche Unterstützung zu sein und im Falle von Auffälligkeiten Hilfestellung zu leisten.

 

Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Brückenprojekte

 

Es ist schwierig geeignetes pädagogisches Personal zu finden. Die Fluktuation der Fachkräfte aufgrund der hohen Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt verkompliziert das Durchführungsverfahren zusätzlich. Seit kurzem können nach Absprache mit dem Land auch Personen mit einem pädagogischen Praktikum als Zweitkräfte zur Unterstützung eingesetzt werden. Es bleibt abzuwarten, ob dies die Suche nach neuem Personal in Zukunft erleichtert.

 

Es stehen wenig geeignete Räume im Stadtgebiet zur Verfügung, so dass Übergangslösungen geschaffen wurden. Die Flüchtlingsfamilien sind überwiegend im Stadtteil „Mitte“ untergebracht, so dass es sinnvoll ist auch dort die Spielgruppen anzubieten.

 

 

 

Weiterhin erschwerend gestalten sich die Zugangswege zu den Flüchtlingsfamilien, da das Integrationsbüro keinen direkten Kontakt bzw. Zugang zu den betroffenen Familien hat. Außerdem ist eine Kommunikation in deutscher Sprache größtenteils anfangs nicht möglich, so dass es sich schwierig gestaltet, den Eltern das Verfahren und die Bedingungen zu erklären.

 

Fazit

 

·         Das Projekt kann als sehr erfolgreich beschrieben werden. Durchschnittlich werden 47 Kinder wöchentlich in 14 Spielgruppen betreut.

·         Im Endergebnis ist die Durchführung dieser Brückenprojekte genau die richtige Maßnahme, Flüchtlingskindern einen sensiblen Einstieg in den turbulenten Kindergartenalltag zu ermöglichen.

·         In Bergkamen gibt es viele Angebote für Eltern z.B. beim Flüchtlingshelferkreis, bei der AWO „Backinsel“, der Caritas, dem Multikulturellem Forum usw., jedoch wenig für deren Kinder.

·         Die Flüchtlingsfamilien werden weiter durch die Kooperationspartner über die Brückenprojekte informiert und ins Integrationsbüro geschickt.

·         Die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten im Stadtteil „Mitte“ wird fortgesetzt.

·         Die Fachkräfte brauchen eine intensive Begleitung der Arbeit durch das Integrationsbüro und einen regelmäßigen Austausch mit den anderen Fachkräften. In Krisensituationen ist das Integrationsbüro ihr Ansprechpartner.

·         Es besteht der Bedarf in den Flüchtlingsfamilien der Spielgruppen präventive Aufklärungsarbeit zu den Themen „kindliche Bildung“ und  „Kindergesundheit“ zu leisten.

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

 

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

Busch

Beigeordnete

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Harder

Sachbearbeiter

 

 

 

 

Burghardt