Betreff
Rechtsinstrumente im Umgang mit verwahrlosten Immobilien
Antrag der CDU-Fraktion
Vorlage
11/0788
Aktenzeichen
60 sta-ev
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Ausschuss für Umwelt, Bauen und Verkehr nimmt die Vorlage der Verwaltung zur Kenntnis.

Sachdarstellung:

 

Im  Ausschuss für Bauen, Umwelt und Verkehr am 28.09.2016 und in der Haupt- und Finanzausschusssitzung bzw. Ratssitzung am 29.09.2016 hat die CDU-Fraktion einen Antrag zum Thema “Rechtsinstrumente beim  Umgang mit verwahrlosten Immobilien“  gestellt (s. Anlage). Der Rat hat dem Antrag einstimmig stattgegeben.

 

Zu den drei aufgeworfenen Fragestellungen nimmt die Verwaltung wie folgt Stellung:

 

 

Themenkomplex 1

 

Welche Rechtsinstrumente können bei dem Umgang mit sogenannten Schrottimmobilien durch die Stadt Bergkamen angewandt werden?

 

Abbildung der Rechtsinstrumente, die beim Umgang mit verwahrlosten Gebäuden angewendet werden können, anhand  der Publikation “Verwahrloste Immobilien - Leitfaden zum Einsatz von Rechtsinstrumenten beim Umgang mit verwahrlosten Immobilien- “Schrottimmobilien“ des Bundes für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)“

Die Rechtsreferendarin Frau Schaumann kommt zu folgendem Ergebnis:

1.)   Sachverhaltsermittlung: Sowohl die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder (§§ 24-28 VwVfG NRW), als auch das Baugesetzbuch (§§ 208, 209 BauGB) enthalten Vorschriften zur Ermittlung des Sachverhalts (S. 87 ff.)

2.)   Gutachten: Unabdingbare erste Voraussetzung dafür, dass der Stadt Handlungsspielräume eröffnet werden, ist eine gutachterliche Prüfung der vorliegenden Mängel. Erst auf Grundlage eines solchen Gutachtens können passende Ansätze ermittelt werden. Bei den meisten Fallbeispielen des Leitfadens konnten auch konsensuale Lösungen gefunden werden, sobald der finanzielle Aufwand für notwendige Erhaltungsmaßnahmen gutachterlich festgestellt worden war. Einer solchen Lösung wäre mit Blick auf das Kostenrisiko, dem sich die Stadt regelmäßig bei Anordnungen aussetzen würde, der Vorzug zu geben.

3.)   Rahmenbedingungen prüfen: Als zweiter Schritt sind der jeweilige städtebauliche Kontext sowie die immobilienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Blick zu nehmen. Anhand dessen kann ermittelt werden, ob die verwahrloste Immobilie ein Einzelfall im untersuchten Gebiet darstellt oder ob es sich um ein strukturelles Problem handelt, bei dem insbesondere Maßnahmen aus dem Handlungsfeld „gebietsbezogene Stadterneuerungsmaßnahmen“ in Frage kommen. Handelt es sich dagegen um ein Einzelproblem, so kommen ausschließlich grundstücksbezogene Maßnahmen in Betracht (S. 99 ff.).

4.)   Problemverstärkende Faktoren: Diese können sich auf Eigentümerseite ergeben, wenn diese nicht greifbar oder nicht willens und/oder in der Lage sind, die Missstände in ihren Immobilien zu beseitigen. In jedem Fall liegt die Verantwortung für ein solches Objekt beim Eigentümer, der zum Handeln gebracht werden muss. Bei Vorliegen von Missständen, die das öffentliche Interesse berühren, sind auch rechtliche Sanktionen angezeigt (S. 17 ff.).

5.)   Handlungsansätze: Sofern für eine verwahrloste Immobilie ein Handlungsbedarf identifiziert wird, ist zu prüfen, ob und ggf. welches hoheitliche Rechtsinstrument zur Beseitigung des Verwahrlosungszustandes in Betracht kommt. Dabei ist insbesondere auch zu ermitteln, ob eine Zuständigkeit verschiedener Behörden oder Ämter vorliegt, die ein koordiniertes Vorgehen ermöglicht / erfordert, und ob der Einsatz eines bestimmten Rechtsinstruments eine besondere Effektivität (insbesondere im Hinblick auf Vorliegen der Tatbestandsmerkmale, Kosten der Verwaltung, Personaleinsatz) erwarten lässt (S. 14 ff.).

I.      Konkrete Handlungsansätze:

1.)   Aus dem Bauplanungsrecht

a)    Durch eine verbindliche Bauleitplanung kann eine Steuerungswirkung erzielt werden, die so weit geht, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Eigentümer verpflichtet werden kann die Festsetzungen des Bauleitplans umzusetzen. Wegen ihres normativen Charakters können Festsetzungen in rechtsverbindlichen B-Plänen durch Instrumente wie Gebote nach §§ 176, 178, 179 BauGB durchgesetzt werden oder nach § 85 BauGB Grundlage einer Enteignung sein (S. 21).

b)    Die städtebaulichen Gebote der §§ 175 ff. BauGB kommen für Maßnahmen der Instandsetzung, der Standardverbesserung/ Modernisierung, der Anpassung und des Abbruchs verwahrloster Immobilien in Betracht (S. 21-22).

c)    Das Modernisierungsgebot gem. § 177 II BauGB verpflichtet den Eigentümer zur Beseitigung von inneren und äußeren Missständen der baulichen Anlage, welche insbesondere vorliegen, wenn die bauliche Anlage nicht den Anforderungen an ein gesundes Wohn- und Arbeitsumfeld entspricht. Die Berechnung des vom Eigentümer zu tragenden Kostenanteils erfolgt nach § 177 V BauGB. Danach wird der vom Eigentümer zu tragende Kostenanteil nach der Durchführung der Modernisierungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Erträge ermittelt, die für die modernisierte oder instand gesetzte bauliche Anlage bei ordentlicher Bewirtschaftung nachhaltig erzielt werden können (S. 22-25).

d)    Das Instandsetzungsgebot gem. § 177 III BauGB verpflichtet den Eigentümer zur Beseitigung von Mängeln, die insbesondere durch Abnutzung, Alterung, Witterungseinflüsse oder Einwirkungen Dritter verursacht worden sind. Die mit dem Instandsetzungsgebot verlangten Maßnahmen müssen technisch möglich, baurechtlich zulässig und wirtschaftlich vertretbar (mit Blick auf die Alternative eines Abbruchs) sein. Auch hier hat die Gemeinde nach § 177 V BauGB die unrentierlichen Kosten des Eigentümers zu erstatten (S. 25-28).

e)    Das Rückbau- und Entsiegelungsgebot gem. § 179 BauGB verpflichtet den Eigentümer zur Duldung (möglich auch: Selbstvornahme) der völligen oder teilweisen Beseitigung der baulichen Anlage, wenn sie entweder nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht oder Missstände (iSd § 177 II) bzw. Mängel (iSd § 177 III) aufweist, die durch Modernisierung und Instandsetzung nicht behoben werden können. Der Eigentümer kann an den Kosten des Rückbaus von verwahrlosten Immobilien bis zu der Höhe beteiligt werden, bis zu der ihm Vermögensvorteile durch die Beseitigung der baulichen Anlage entstehen. Die Vermögensvorteile können durch Wertermittlungsgutachten der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte (§ 192 BauGB) abschließend bestimmt werden (S. 28-31).

f)     Durch das Anpassungsgebot gem. § 176 I Nr. 2 BauGB wird der Eigentümer verpflichtet, eine vorhandene bauliche Anlage den Festsetzungen des Bebauungsplans anzupassen. Nutzungsänderungen, Modernisierungen und Instandsetzungen sind nicht Gegenstand des Anpassungsgebots, weshalb es auch nur sehr spezifische Fallkonstellationen betrifft und kaum Anwendung findet. Bereits die Androhung dieses Gebots kann jedoch Bewegung in festgefahrene Situationen bringen und insbesondere die Verkaufsbereitschaft der Alteigentümer fördern (S. 31-35).

g)    Das Enteignungsrechts gem. § 85 BauGB ist an sich nicht als Maßnahme im Bereich der verwahrlosten Immobilien vorgesehen, kann aber in einigen Fallkonstellationen auch in diesem Bereich relevant werden, z.B. zur Umsetzung von Festsetzungen eines Bebauungsplans gem. § 85 I Nr. 1 BauGB (S. 35).

h)    Die Gemeinde kann das Vorkaufsrecht gem. §§ 24, 25 BauGB beim (Ver-)Kauf von Immobilien einsetzen, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt (beachte die Ausschlussgründe der §§ 26 und 38 BauGB; gem. § 27 a auch zugunsten Dritter möglich). Im Zwangsversteigerungsverfahren ist das Vorkaufsrecht allerdings ausgeschlossen, was seinen Anwendungsbereich bezüglich verwahrloster Immobilien einschränkt (S. 35-37).

i)      Der Erlass einer Erhaltungssatzung gem. § 172 I Nr. 1 S. 1 BauGB kann erforderlich sein, wenn ein Gebiet eine städtebauliche Eigenart auf Grund seiner städtebaulichen Gestalt aufweist und in diesem Gebiet (einzelne) bauliche Anlagen zwar verwahrlost sind, aber dennoch allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen eine prägende Wirkung oder besondere Bedeutung im Sinne des § 172 Abs. 3 BauGB aufweisen. Mit den normierten Genehmigungsvorbehalten kann Einfluss auf verwahrloste Immobilien genommen werden, z.B. kann ein Rückbau versagt werden; auch möglich ist es nach § 85 Abs. 1 Nr. 6 BauGB zu enteignen, um im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung eine bauliche Anlage aus den in § 172 Abs. 3 bis 5 bezeichneten Gründen zu erhalten  (S.37-42).

j)      Mit der Vorbereitung und Festlegung eines Sanierungsgebiets im Sinne einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme nach §§ 136 ff. BauGB, stehen der Gemeinde hoheitliche Instrumente (Z.B. Genehmigungsvorbehalte nach §§ 144, 145 BauGB) zur Verfügung, die für den Einsatz bei verwahrlosten Immobilien geeignet sind. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Auskunftspflicht der Eigentümer nach § 138 BauGB zu, da sie der Gemeinde Zugang zu wichtigen Beurteilungsunterlagen verschaffen kann (S. 42).

k)    Stadtumbaumaßnahmen gem. § 171a ff. BauGB (städtebauliches Entwicklungskonzept und die Festlegung des Stadtumbaugebiets) sind Maßnahmen, „durch die in von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden“.  Sie bieten eine rechtliche Basis für die Begründung der alsbaldigen Erforderlichkeit des Einsatzes von städtebaulichen Geboten und für den Einsatz einer Sicherungssatzung nach § 171d BauGB. In ihrem Gebiet stünden der Gemeinde als Maßnahmen eine Veränderungssperre nach § 14 I BauGB, das Vorkaufsrecht nach § 24 I Nr. 4 BauGB und die Enteignung nach § 85 I Nr. 7 BauGB zur Verfügung (S. 42-45).

2.)   Aus dem Bauordnungsrecht

Im Gegensatz zum Bauplanungsrecht ist das Bauordnungsrecht nicht flächen-, sondern objektbezogen. Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht weisen materiell-rechtliche Überschneidungsbereiche auf und sind verfahrensrechtlich miteinander verknüpft. Das Bauordnungsrecht beinhaltet eine Reihe bauordnungsrechtlicher Eingriffsbefugnisse, die sich landesspezifisch unterscheiden (S. 45).

a)    Abbruch- und Beseitigungsanordnung, setzt zunächst formelle und materielle Illegalität voraus: Die nach der Generalermächtigung des § 3 BauO NRW zu ergreifenden Maßnahmen richten sich nach der Schwere des Verstoßes gegen die Generalklausel. Sie können bis zum Abbruch eines nicht mehr standsicheren Gebäudes führen, wenn dieses beispielsweise so dicht an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt, dass Passanten durch herabfallende Teile verletzt werden können. Der in Anspruch genommene Störer hat die Kosten zu tragen, die ihm bei der Erfüllung der Anordnung entstehen. Soweit der Störer der Anordnung nicht freiwillig nachkommt, kann die zuständige Behörde die erforderlichen Zwangsmittel (ggf. Zwangsgeld und Ersatzvornahme) im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung einsetzen. Hierbei ist jedoch das Kostenrisiko(z.B. für eine Ersatzvornahme) bei nicht zahlungsfähigen Eigentümern zu beachten (S. 46-50).

Abzugrenzen vom Rückbaugebot, das einem anderen Ziel dient: Die Beseitigungsanordnung dient dem Ziel, im Sinne der Gefahrenabwehr oder anderer Schutzgüter des Bauordnungsrechts Abhilfe gegen baurechtswidrige Zustände zu schaffen. Das Rückbaugebot verfolgt hingegen städtebauliche Ziele, die schon vor Eintritt einer bauordnungsrechtlichen Gefahrenlage seine Anwendung rechtfertigen können (beachte aber, dass es u. a. voraussetzt, „dass die alsbaldige Durchführung der Maßnahmen aus städtebaulichen Gründen erforderlich ist“, außerdem trifft die Gemeinde eine Kostentragungspflicht).

b)    Bei der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen auf Grundlage der landesbauordnungsrechtlichen Generalermächtigung (§ 3 I BauO NRW), wird der Eigentümer verpflichtet z.B. einen geschlossenen Zaun zu errichten; sämtliche Zugänge zum Gebäude zu verschließen oder lose Gebäudeteile (, die dann aber genau bezeichnet werden müssen) zu entfernen. Die einzelnen Maßnahmen, müssen bei Anordnung inhaltlich bestimmt sein und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Kostentragungspflicht trifft grundsätzlich den Störer (regelmäßig der Eigentümer). Der Gemeinde stehen zu ihrer Durchsetzung Zwangsmittel zur Verfügung, ein gewisses Kostenrisiko verbleibt jedoch. (Dient der Gefahrenabwehr;  auf das optische Erscheinungsbild lässt sich mit diesen Maßnahmen kein Einfluss nehmen) (S. 50-51).

c)    Die Anordnung von Instandsetzungsmaßnahmen auf Grundlage von § 3 I BauO NRW kann in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (s.o.) erfolgen und unterscheidet sich nur insofern vom städtebaulichen Instandsetzungsgebot nach § 177 BauGB, dass die Kosten grundsätzlich vom Störer zu tragen wären. Beim Einsatz von Zwangsmitteln, verbleibt jedoch ein Kostenrisiko bei der Gemeinde. Wegen der Verkomplizierung durch divergierende Zuständigkeiten, halten einige Stimmen das Instandsetzungsgebot aufgrund der Erforderlichkeit des Vorliegens städtebaulicher Gründe sogar für entbehrlich. Der Leitfaden empfiehlt eine Prüfung beider Rechtsinstrumente (S. 51-54).

d)    Weitere Ordnungsmaßnahmen, wie die Entfernung von Bauschutt oder die Einebnung des Geländes, können ebenso auf die Generalermächtigung des § 3 BauO NRW gestützt werden, sofern keine spezialgesetzliche Ermächtigungsnorm zu finden ist (S. 55).

e)    Die Anordnung von nachträglichen Anforderungen (Spezialermächtigung in NRW) kann für die Beseitigung von Verwahrlosungszuständen eine Bedeutung erlangen. Die Anwendung dieses Instruments ist jedoch auf das Vorliegen erheblicher Gefahren für Leben und Gesundheit beschränkt (S. 55, 56).

f)     Weitere (allgemeine) Anforderungen an den Erlass einer Anordnung, wie z.B. Zuständigkeit für und Form der Anordnung (S. 56-58).

 

 

3.)   Denkmalrechtliche Eingriffsbefugnisse

Anordnungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung von Denkmälern sind Instrumente, die nicht direkt auf die Beseitigung eines etwaigen Verwahrlosungszustands abzielen. Sie sind eher als Sanktion für die Zerstörung von Denkmälern ausgestaltet, im Rahmen der Denkmalschutzgesetze der Länder sind aber auch Vorkaufsrechte und Möglichkeiten zur Enteignung geregelt (S.58-64).

4.)   Wohnungsaufsichtsrechtliche Eingriffsbefugnisse (Generalklausel ist § 7 WAG NRW)

Die Eingriffsvoraussetzungen stellen auf eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohngebrauchs ab und liegen somit unterhalb der Eingriffsschwelle des Ordnungsrechts, bei der eine Gefahrenlage erforderlich ist (S. 64-68).

5.)   Eingriffsbefugnisse nach dem Hygienerecht / Infektionsschutzgesetz

Bei Vorliegen von Anhaltspunkten für gesundheitliche Gefahren finden die Vorschriften des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) Anwendung. Werden Tatsachen festgestellt, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können oder ist anzunehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, so trifft gemäß § 16 Abs. 1 IfSG die zuständige Behörde alle notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren (S. 68-69).

6.)   Eingriffsbefugnisse zur Beseitigung von Abfällen

Um gegen die Verwahrlosung von Immobilien vorzugehen kann das Abfallrecht ein hilfreiches Mittel darstellen. Auf der Grundlage des § 62 des 2012 neu gefassten Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) kann die zuständige Abfallbehörde im Einzelfall eine Anordnung zur ordnungsgemäßen Beseitigung illegal abgelagerter Abfälle erlassen (S. 69-71).

7.)   Eingriffsbefugnisse nach allgemeinem Ordnungsrecht und Polizeirecht

Auf der Grundlage des Polizei- und allgemeinen Ordnungsrechts können Anordnungen zur Abwehr von Gefahren, die von verwahrlosten Immobilien ausgehen, erlassen werden, wenn und soweit die speziellen Rechtsvorschriften (z. B. Bauordnungs- oder Denkmalrecht) die ergänzende Anwendung des Polizei- und allgemeinen Ordnungsrechts zulassen. Die Anwendbarkeit der jeweiligen Normen ist davon abhängig, ob und inwieweit spezielle Rechtsvorschriften aufgrund ihres Vorrangs und ihrer Sperrwirkung die ergänzende Anwendung des Polizei- oder allgemeinen Ordnungsrechts ausschließen oder zulassen (S. 71-75).

8.)   Verwaltungsvollstreckungsverfahren

Im Vollstreckungsverfahren kann das Kostenrisiko der Gemeinde minimiert werden, indem ein Zwangsverwalter vom Gericht bestellt wird. Die vom Zwangsverwalter angeordneten Maßnahmen zur Erhaltung des Gebäudes, müssten zwar zunächst von der Gemeinde bezahlt werden, allerdings wird die Gemeinde als die Zwangsverwaltung betreibende Gläubigerin vorrangig vor allen anderen auf dem Grundstück lastenden Forderungen mit ihren Aufwendungen für die Zwangsverwaltung befriedigt (S. 75-84).

9.)   Bestellung eines Vertreters/Pflegers

Ist die Person eines Beteiligten bzw. deren Aufenthalt unbekannt und konnten die erforderlichen Informationen auch nicht mit vertretbarem Aufwand beschafft werden, kann ein Vertreter von Amts wegen oder ein Pfleger bestellt werden, der den unbekannten oder abwesenden Beteiligten vertritt.

Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 VwVfG sind unter Anwendung eines strengen Maßstabs zu prüfen. So sind eine vorübergehende Verhinderung oder Schwierigkeiten bei der Feststellung der Person und/ oder des Aufenthalts, soweit sie mit einem vertretbarem Aufwand an Kosten, Zeit und Mühe seitens der Behörde behebbar sind, nicht hinreichend (S.84, 85).

Für den Bereich des BauGB ist eine spezielle Regelung zur Bestellung eines Vertreters von Amts wegen vorhanden. § 207 BauGB eröffnet die Möglichkeit, in den in § 207 Nr. 1 bis 5 geregelten Fallkonstellationen für Beteiligte einen rechts- und sachkundigen Vertreter durch das Betreuungs-gericht bestellen zu lassen. Die Regelung kann für verwahrloste Immobilien genutzt werden, wenn insbesondere Eigentümer als Beteiligte beim Einsatz von Instrumenten des BauGB nicht präsent sind.

Ergänzend zu den Möglichkeiten der „Bestellung eines Vertreters von Amts wegen“ im Rahmen öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns regeln die §§ 1909 ff BGB gesetzlich normierte Pflegschaften, bei denen für eine konkrete Angelegenheit ein Fürsorgebedürfnis für eine rechtliche Vertretung besteht (S.85-87).

10.)                 Eigentumsaufgabe (Herrenlosigkeit)

Gemäß § 928 Abs. 1 BGB kann das Eigentum an einem Grundstück dadurch aufgegeben wer-den, dass der Eigentümer den Verzicht dem Grundbuchamt gegenüber erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird. Das Recht zur Aneignung des aufgegebenen Grundstücks steht dem Fiskus des Landes zu, in dem das Grundstück liegt (§ 928 Abs. 2 Satz 1 BGB). Der Fiskus erwirbt das Eigentum dadurch, dass er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen lässt (§ 928 Abs. 2 Satz 2 BGB). Im Fall einer wirksamen Verzichtserklärung durch den Fiskus,  kann sich jeder Dritte das herrenlose Grundstück durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt und Eintragung im Grundbuch aneignen. Schon festgesetzte Kommunal-abgaben (einschließlich etwaiger öffentlicher Lasten) bleiben auch im Falle einer Eigentumsaufgabe bestehen. Der frühere Eigentümer wird von seiner persönlichen Abgabenschuld nicht frei (S. 91-96).

11.)                 Insolvenzen bei verwahrlosten Immobilien

Im Falle einer Insolvenz des Grundstückseigentümers, ist ein besonderes Augenmerk auf die Verfügungsbefugnis zu legen, die auch Auswirkungen beispielsweise darauf haben kann, wem die Anordnungen zugestellt werden müssen (S. 96-97).

 

 

 

Themenkomplex 2

 

Gegenstand einer exemplarischen Prüfung soll die ehemalige Gaststätte Jockenhöfer im Ortsteil Rünthe sein. Die Prüfung soll anhand der Publikation “Verwahrloste Immobilien - Leitfaden zum Einsatz von Rechtsinstrumenten beim Umgang mit verwahrlosten Immobilien- “Schrottimmobilien“ des Bundes für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)“ durchgeführt werden.

 

Konkrete Handlungsansätze für die ehemalige Gaststätte „Jockenhöfer“ in Bergkamen-Rünthe

In Bezug auf das „Jockenhöfer“-Gebäude wurde am 15.09.2016 ein Fachgutachten durch den Eigentümer beauftragt. Grund für die Erteilung des Gutachtens war ein Feuerwehreinsatz vom 01.09.2016, bei dem Dachziegel auf den Gehweg und vor dem Gebäude entfernt werden mussten. Bei den Ortsterminen waren den Gutachtern lose Teile der Bedachung aufgefallen, die die Verkehrssicherheit des Gebäudes beeinträchtigten. Daraufhin wurde das Dach von der Fachfirma soweit ertüchtigt, dass eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zunächst ausgeschlossen werden konnte. Außerdem waren als Sofortmaßnahmen Absperrungen zum Schutz der Passanten auf dem Gehweg aufgestellt worden.

Für die mittelfristige Sicherstellung der Stand- und Verkehrssicherheit wird ein hoher finanzieller Aufwand angegeben. Deshalb prüfen die derzeitigen Eigentümer, ob ein vollständiger Abbruch – die wirtschaftlich sinnvollere Alternative darstellt. Eine Äußerung wird seitens der Eigentümer noch in diesem Jahr erwartet.

Hinderlich ist hier zunächst die gutachterliche Feststellung von Mängeln i.S.d. § 177 III BauGB bezüglich des gesamten Gebäudes. Das vorliegende Gutachten beschäftigt sich zunächst mit der Gefährdung der Stand- und Verkehrssicherheit, die sich aufgrund des Zustandes der Bedachung ergibt.

Da die Eigentümer einen Abriss auf eigene Kosten erwägen, kämen nach derzeitigem Kenntnisstand keine Maßnahmen ernsthaft in Frage.

Aus dem Bauplanungsrecht: Sowohl beim Instandsetzungsgebot gem. § 177 III BauGB als auch beim Rückbaugebot gem. § 179 BauGB kann der Eigentümer von verwahrlosten Immobilien an den Kosten der Instandsetzung bzw. des Rückbaus bis zu der Höhe beteiligt werden, bis zu der ihm Vermögensvorteile durch die Instandsetzung/Beseitigung der baulichen Anlage entstehen. Demnach verbliebe ein Teil der Kosten bei der Gemeinde.

Sollten die Eigentümer wider Erwarten nicht tätig werden, ist insbesondere die wirtschaftliche Vertretbarkeit einer Instandsetzungsanordnung problematisch. Zumal im vorliegenden Fall die Eigentümer für den Bauzustand nicht vollständig verantwortlich sind, sondern dieser zum Teil auch auf die Einwirkung Dritter zurückzuführen ist.

Maßnahmen nach dem Bauordnungsrecht, hätten gegenüber Maßnahmen aus dem Bauplanungsrecht den Vorteil, dass grundsätzlich der Grundstückseigentümer als Störer finanziell in Anspruch genommen werden würde. Allerdings sind die Voraussetzungen insofern strenger, dass nach der Generalermächtigung des § 3 BauO NRW der Zustand der baulichen Anlage die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden muss (und demnach keine optischen Mängel ausreichend wären).

 

 

 

Themenkomplex 3

 

Der Bürgermeister wird beauftragt darzustellen, unter welchen Voraussetzungen verwahrloste Immobilien erworben und verwertet werden können.

 

Vor einer rechtlichen Prüfung ist zu berücksichtigen, dass für den Erwerb von sog. Schrottimmobilien Gelder durch den Rat der Stadt Bergkamen bereitgestellt werden müssen. In der Vergangenheit wurden im Haushalt keine Gelder für den Ankauf von Schrottimmobilien bereitgestellt. Aus der Sicht der Verwaltung ist von einer Bereitstellung von Geldern für den Ankauf von Schrottimmobilien eher abzuraten, da Eigentümer vorsätzlich ihre Immobilien verwahrlosen lassen könnten, um die Stadt zu einem Kauf zu drängen/zu verführen.

 

1.)     Handlungsmöglichkeiten der Stadt zum Erwerb von verwahrlosten Immobilien:

a)    Enteignung gemäß § 85 BauGB:

Angesichts der Strenge der tatbestandlichen Voraussetzungen für Enteignungsmaßnahmen, wird von diesem Instrument im Bereich der verwahrlosten Immobilien nur selten Gebrauch gemacht. Denkbar wären Enteignungen bei verwahrlosten Immobilien in folgenden drei Fallkonstellationen (wobei nur die Erste bislang im Bereich der verwahrlosten Immobilien tatsächlich eingesetzt wurde):

-          Gemäß § 85 I Nr. 1 BauGB zur Durchsetzung von Festsetzungen eines Bebauungsplans (auf den überplanten Flächen können sich verwahrloste Immobilien befinden)

-          Gemäß § 85 I Nr. 5 BauGB im Rahmen des Erlasses eines Bau- oder Anpassungsgebots nach § 176 BauGB

-          Gemäß § 85 I Nr. 7 BauGB im Geltungsbereich einer Satzung nach § 171 d BauGB, um einen den städtebaulichen und sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf der Stadtumbaumaßnahmen zu sichern (entweder auf Grundlage eines Stadtentwicklungskonzepts nach § 171 b II BauGB oder eines Sozialplans gem. § 180 BauGB; nicht ausreichend: Beschluss nach § 171 b I BauGB oder Stadtumbauvertrag gem. § 171 c BauGB)

b)    Vorkaufsrecht gemäß §§ 24 und  25 BauGB

Sowohl das allgemeine als auch das besondere Vorkaufsrecht dürfen nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt (§§ 24 III, 25 II 1 BauGB).

 

Das Vorkaufsrecht kann nicht ausgeübt werden beim Kauf von Rechten nach dem WEG und von Erbbaurechten (§ 24 II BauGB), bei Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 26 BauGB (z.B. Verkäufen unter Verwandten, bei Grundstücken von bestimmten öffentlichen Bedarfsträgern sowie von Kirchen und Religionsgemeinschaften und bei Grundstücken, für die Planfeststellungsverfahren nach § 38 BauGB eingeleitet sind) oder bei Abwendung des Vorkaufsrechtes durch den Käufer gemäß § 27 BauGB. Auch ausgeschlossen ist das Vorkaufsrecht bei Zwangsversteigerungen.

Für verwahrloste Immobilien bedeutsam ist die Ausnahmeregelung des § 26 Nr. 4 BauGB: Danach ist das Vorkaufsrecht nicht ausgeschlossen, wenn zwar das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bebaut und genutzt wird, aber eine auf ihm errichtete bauliche Anlage Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 II und III 1 BauGB aufweist.

Immer häufiger werden Wohnungsbestände über sogenannte "Shared Deals" gehandelt. Diese Form des Unternehmenskaufs bedeutet, dass z. B. das Wohnungsunternehmen, nicht aber die entsprechenden Immobilien des Unternehmens verkauft werden. Ein gesetzliches oder besonderes Vorkaufsrecht besteht in diesen Fällen nicht.

Die Gemeinde hat gemäß § 28 BauGB i.V.m. § 464 II BGB den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen, es sei denn dieser überschreitet den Verkehrswert „in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich“. Für Vermögensnachteile Dritter (§ 28 VI BauGB), hat die Gemeinde Entschädigung zu leisten. Verfahrenskosten (z. B. Eintragung und Löschung der Vormerkung im Grundbuch) trägt die Gemeinde.

Seit der Novellierung des BauGB 2013 kann das Vorkaufsrecht grundsätzlich in allen Fällen, in denen nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs ein Vorkaufsrecht der Gemeinde besteht, auch zugunsten eines Dritten erfolgen.

aa) Der Gemeinde steht ein sog. „Allgemeines Vorkaufsrecht“ zu beim Kauf von Grundstücken

unter den Voraussetzungen des § 24 I Nr. 1 BauGB im Geltungsbereich eines Bebauungsplans,

gemäß § 24 I Nr. 2 BauGB in einem Umlegungsgebiet,

gemäß § 24 I Nr. 3 BauGB in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten und Entwicklungsbereichen, 

gemäß § 24 I Nr. 4 BauGB im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus,

gemäß § 24 I Nr. 4 BauGB im Geltungsbereich von Erhaltungssatzungen,

nach § 24 I Nr. 5 BauGB im Geltungsbereich eines Flächennutzungsplans für bestimmte Flächen,

unter den Voraussetzungen des § 24 I Nr. 6 BauGB, in Gebieten nach §§ 30, 33 und 34 Abs. 2 BauGB

gemäß § 24 I Nr. 7 BauGB in Gebieten, die zum Zweck des vorbeugenden Hochwasserschutzes von Bebauung freizuhalten sind, insbesondere in Überschwemmungsgebieten

bb) Die Gemeinde kann ein sog. „Besonderes Vorkaufsrecht“ für Grundstücke durch Satzung begründen:

gemäß § 25 I Nr. 1 BauGB für unbebaute Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans sowie

gemäß § 25 I Nr. 2 BauGB für Grundstücke in bezeichneten Flächen zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Gemeinde städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht

Denkmalrechtliches Vorkaufsrecht: Im Bereich der verwahrlosten Immobilien, die dem Denkmalschutz unterliegen, sind in der Regel nur wenige Kaufvorgänge zu verzeichnen.

cc) Abwendungsmöglichkeiten:

Der Käufer des Grundstücks kann die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 27 I 1 BauGB abwenden, wenn er sich verpflichtet, das Grundstück entsprechend den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme zu nutzen. Liegen Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 II und III BauGB vor, kann das Vorkaufsrecht vom Käufer abgewendet werden, wenn er sich zur Beseitigung der Missstände oder Mängel binnen einer angemessenen Frist verpflichtet. Hierüber ließe sich demnach derselbe Effekt wie über eine bauplanungsrechtliche Anordnung erreichen, ohne dem entsprechenden finanziellen Risiko eines Grundstückskaufs ausgesetzt zu werden oder eine Kostentragungspflicht der Gemeinde zu verursachen.

 

c)    Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde:

In Einzelfällen und wenn sich keine andere Lösung anbietet kann es auch hilfreich sein, als Kommune bei entsprechenden Gelegenheiten selbst am Immobilienmarkt aktiv zu werden und gezielt Gebäude zu erwerben bzw. mit den entsprechenden Lasten zu übernehmen. Ziel ist dann die Vermittlung an neue handlungsbereite Eigentümer (zum Beispiel an die kommunale Wohnungsgesellschaft oder an andere private Interessenten) oder – sofern städtebaulich geboten – auch der Abriss der Immobilie. Möglichkeiten für einen Erwerb ergeben sich unter anderem im Rahmen von Zwangsversteigerungsverfahren (ohne Vorkaufsrecht der Gemeinde), die z. T. auch gezielt durch die Gemeinde eingeleitet werden können (S. 112; vgl. S. 83).

 

 

 

 

 

 

Fazit:

 

 

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die bisher favorisierte Haltung der Stadt nach dem Verursacherprinzip die richtige Strategie ist. Am Beispiel Wohnturm hat sich gezeigt, dass ordnungsbehördliche Maßnahmen, wie die Unbewohnbarkeitserklärung in Verbindung mit einer abwartenden und kooperativen Haltung zu einem Abbruch des Wohnturmes geführt haben. Auch bei der Jockenhöfer Immobilie zeichnet sich eine vergleichbare Entwicklung ab.

 

Über den aktuellen Stand wird die Verwaltung in der Sitzung berichten.

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

3. 1 Anlage

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

Dr.-Ing. Peters

Erster Beigeordneter

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Stankowski