Betreff
Lärmsituation an der Hamm-Osterfelder Bahnlinie und Muster-Klageverfahren beim Landgericht Bochum
Vorlage
11/0057
Aktenzeichen
36.05.01
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Ausschuss für Umwelt, Bauen und Verkehr des Rates der Stadt Bergkamen nimmt die Vorlage der Verwaltung zur Kenntnis.

Sachdarstellung:

 

 

Bundesbahnstrecke Hamm-Osterfeld als Lärmquelle in Bergkamen

 

Gemäß der EU-Umgebungslärmrichtlinie sind u.a. Hauptbahnstrecken als Quelle für Umgebungslärm zu untersuchen, wenn die von der Richtlinie vorgegebenen durchschnittlichen täglichen Zugverkehre überschritten werden. In diesen Fällen ist eine rechnerische Ermittlung des Umgebungslärm durchzuführen.

Während in der ersten Stufe der Umgebungslärmrichtlinie dieser Schwellenwert bei 60.000 Zügen pro Jahr lag, sind in der zweiten Stufe auch die Streckenabschnitte zu berücksichtigen, auf denen pro Jahr 30.000 Züge verkehren.

 

Anders als beim Straßenverkehr sind für die betroffenen Bundesbahnstrecken nicht vom LANUV oder von der Kommune die Lärmbelastungen zu berechnen, sondern vom Eisenbahnbundesamt als federführende Behörde.

 

Die nach der Umgebungslärmrichtlinie zu untersuchenden Bahnstrecken sind vom Eisenbahnbundesamt auf seiner Internetseite veröffentlicht und können unter der Adresse www.eba.bund.de, Rubrik Umgebungslärmkartierung, eingesehen werden. Aus der Übersicht des Eisenbahnbundesamtes geht hervor, dass die, auch das Stadtgebiet Bergkamen querende Hamm-Osterfelder-Bahnlinie im Streckenabschnitt Herten – Hamm auf Grund der Unterschreitung des Schwellenwertes von 30.000 Zügen pro Jahr nicht in den Kartierungsumfang gemäß der Schwellenwerte der Umgebungslärmrichtlinie fällt. Eine Ermittlung der Lärmsituation entlang dieser Strecke durch das Eisenbundesamt liegt daher nicht vor.

 

 

Abb.     Lärmkartierung des Eisenbahn-Bundesamtes im Raum Bergkamen

            (Quelle: Eisenbahn-Bundesamt)

 

Die Lärmkartierung in der obigen Abbildung betrifft die Bahnlinie zwischen Dortmund und Hamm. Die nicht untersuchte Hamm-Osterfelder- Bahnlinie verläuft nördlich davon.

 

Dem gegenüber hatte die DB Netz AG für das Jahr 2015 ein Zugverkehrsaufkommen auf der Hamm-Osterfelder-Bahnlinie von täglich 159 Güterzügen prognostiziert. Dieses Zugaufkommen würde die Mindestvorgabe der Umgebungslärmrichtlinie von 30.000 Züge pro Jahr überschreiten. Für den aktuell zu erstellenden Lärmaktionsplan aber kann das Eisenbahnbundesamt die Verkehrszahlen des Jahres 2010 gemäß der Vorgaben der Richtlinie zu Grunde legen.   

 

Beim Schienenverkehr ist, ähnlich den Hauptverkehrsstraßen des Bundes, zwischen der Lärmvorsorge und der Lärmsanierung zu unterscheiden. Beim Neubau oder erheblichen Umbau einer Bahnstrecke sind die Vorgaben der 16. BImSchV und die darin enthaltenen Grenzwerte für die vom Schienenverkehr ausgehenden Lärmimmissionen zu beachten und geeignete Lärmschutzmaßnahmen bereits beim Streckenneubau durchzuführen.

 

 

 

 

 

Tag

(6.00 Uhr - 22.00 Uhr)

Nacht

(22.00 Uhr – 6.00 Uhr)

 

 

 

dB(A)

dB(A)

an Krankenhäusern, Schulen, Kurheimen, Altenheimen,

57

47

 

 

 

 

 

in reinen und allgemeinen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten

59

49

 

 

 

 

 

in Kerngebieten, Dorfgebieten, Mischgebieten

64

54

 

 

 

 

 

in Gewerbegebieten

69

59

 

Tab. 1 Grenzwerte zur Lärmvorsorge gem. 16. BImSchV

 

An bestehenden Bahnstrecken entfallen auf Grund des Bestandschutzes die Vorgaben der 16. BImSchV, so dass entlang dieser Strecken zunächst kein Lärmschutz zu betreiben ist. Um dennoch geeignete Lärmschutzmaßnahmen an diesen Streckenabschnitten durchzuführen, hat die Bundesregierung seit 1999 ein freiwilliges Lärmsanierungsprogramm im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung aufgestellt. Aus diesen Haushaltsmitteln werden gemäß einer von der DB AG aufgestellten Dringlichkeitsliste Lärmsanierungsmaßnahmen an einzelnen Streckenabschnitten und Ortsdurchfahrten durchgeführt. Wie bei der Lärmvorsorge sind auch beim Lärmsanierungsprogramm Grenzwerte im Bundeshaushaltsgesetz genannt, bei deren Überschreitung Maßnahmen zum Lärmschutz gewährt werden können. Gleichzeitig sind diese Grenzwerte auch die Zielwerte der durch das Lärmsanierungsprogramm gewährten Lärmschutzmaßnahmen.

 

 

 

 

 

 

In der nachfolgenden Tabelle sind die Grenzwerte des Lärmsanierungsprogramms dargestellt, die, zur Berücksichtigung des o.g. Bestandsschutzes bestehender Strecken, deutlich über den Grenzwerten der 16. BImSchV zur Lärmvorsorge liegen.

 

 

 

 

 

Tag

(6.00 Uhr - 22.00 Uhr)

Nacht

(22.00 Uhr – 6.00 Uhr)

 

 

 

dB(A)

dB(A)

an Krankenhäusern, Schulen, Kurheimen, Altenheimen,

70

60

 

 

 

 

 

in reinen und allgemeinen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten

70

60

 

 

 

 

 

in Kerngebieten, Dorfgebieten, Mischgebieten

72

62

 

 

 

 

 

in Gewerbegebieten

75

65

 

Tab. 2 Grenzwerte des freiwilligen Lärmsanierungsprogramms (Bahnlärm)

 

Mit einem von der Deutschen Bahn AG aufgelegten Lärmsanierungsprogramm verfolgt die DB das Ziel, bis zum Jahr 2020 die Lärmbelastung entlang ihrer Strecken für die Anwohner um die Hälfte zu reduzieren. Innerhalb dieses Lärmsanierungsprogramms sollen geeignete Maßnahmen sowohl zur Vermeidung des Bahnlärms als auch Minderungsmaßnahmen innerhalb des Ausbreitungsweges des entstehenden Bahnlärms umgesetzt werden. Dabei reichen die Maßnahmen von der technischen Erneuerung der Bremsanlagen der eingesetzten Güterwaggons und dem Einbau lärmreduzierter Bremsen in Neuwaggons bis zu der Errichtung von Lärmschutzwällen und –wänden. Nach Information der DB AG befinden sich derzeit bundesweit über 1.000 Ortsdurchfahrten in der Bearbeitung für mögliche Lärmschutzmaßnahmen und für weitere 2.500 Ortsdurchfahrten stehen Untersuchungen zur Lärmsanierung nach den Kriterien der Förderrichtlinie „Maßnahmen zur Lärmsanierung“ des Bundesministeriums für Verkehrs, Bau und Stadtentwicklung an.

 

Der Rat der Stadt Bergkamen hat in seiner Sitzung vom 26.09.2013 eine Resolution beschlossen, um sowohl auf die bereits bestehende Lärmbelastung insbesondere der direkten Anwohner als auch mit Blick auf den Ausbau der sog. Betuwe-Linie auf die Zunahme der Lärmbelästigung hinzuweisen. Gegen diese Lärmsituation fordert die Resolution des Rates sowohl die Bundesregierung als Haupteigentümer der Deutschen Bahn AG als auch die DB AG selber auf, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Anwohner der Hamm-Osterfelder-Bahnlinie gegen den bestehenden Bahnlärm umzusetzen. Als geeignete Maßnahmen werden u.a. ein nächtliches Tempolimit von 30 km/h während der gesetzlich festgelegten Nachtruhezeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr, ein Nachtfahrverbot für alle nicht bis 2015 modernisierten Züge, Einführung lärmabhängiger Trassenpreise zur Förderung des Umbau von Waggons auf neue und leisere Bremstechnologien sowie zur Erhöhung des Lärmschutzes erforderliche Änderungen im Bundesimmissionsschutzgesetz und der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung gefordert.

In ihrer Reaktion auf die o.g. Resolution teilte die DB AG schriftlich mit, dass „die Ortsdurchfahrt Bergkamen im Gesamtkonzept der Lärmsanierung an Schienenwegen unter der laufenden Nummer 53 (Anm.: von insgesamt 226) aufgeführt (ist), so dass Lärmsanierungsmaßnahmen in Bergkamen kurzfristig nicht möglich sein werden“.

Für den Streckenabschnitt der Hamm-Osterfelder-Bahnlinie im Bereich der Stadt Lünen stehen Lärmsanierungsmaßnahmen unter der laufenden Nummer 52.

 

Des weiteren führt die DB AG in ihrem o.g. Schreiben aus:

„Für die Deutsche Bahn ist die Reduzierung des Schienenlärms ein zentrales Unternehmensziel, der Lärm soll bis 2020 im Vergleich zum Jahr 2000 halbiert werden. Wir werden das Ziel „Mehr Verkehr auf die Schiene“ nur erreichen, wenn wir durch eine erfolgreiche Lärmminderung die Akzeptanz für den Verkehrsträger Schiene erhalten.“

Das Antwortschreiben der DB AG ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt.

 

 

 

Klageverfahren betroffener Anlieger gegen die Deutsche Bahn AG

 

Beim Landgericht Bochum waren bislang sechs Musterklagen anhängig, bei denen Anwohner der Hamm-Osterfelder-Bahnlinie Klage gegen die DB Netz AG wegen der vom Zugverkehr ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen ihrer Wohnungen geführt haben.

Mit seinem Urteil vom 30. Juli 2014 (Aktenzeichen I – 6 O 443/09) hat das Gericht den Klägern entsprochen und die Deutsche Bahn Netz AG verpflichtet, den Anwohnern der Hamm-Osterfelder-Bahnlinie „die Kosten für den Bau und Unterhalt sämtlicher gegenwärtiger und zukünftiger passiver Schallschutzmaßnahmen zu erstatten, die geeignet und notwendig sind, um wesentliche Beeinträchtigungen durch Verkehrsgeräusche des Betriebs der Bahnstrecke Hamm – Oberhausen abzuwenden.“

Nach diesem Urteil hat die DB Netz AG den Anwohnern die Anschaffung geeigneter Schallschutzfenster zu bezahlen.

 

Anhand eines Sachverständigengutachtens hat das Gericht die Lärmsituation entlang der Hamm-Osterfelder-Bahnlinie ermitteln lassen. Nach diesem Gutachten wird die Strecke täglich von 61 Güterzügen mit einer Länge von bis zu 700 m befahren. Bei dem am weitesten von der Bahnlinie entfernt wohnenden Kläger (46 Meter) wurde ein Beurteilungspegel von tagsüber 60 dB(A) und nachts 62 dB(A) ermittelt. Beim Vergleich mit den o.g. Grenzwerte des freiwilligen Lärmsanierungsprogramm Bahnlärm wird danach der Grenzwert für die Tageszeit (70 dB(A)) eingehalten, für die Nachtzeit (60 dB(A)) um 2 dB(A) überschritten, die Grenzwerte der 16.BImSchV (Verkehrslärmschutzverordnung) bei reinen und allgemeinen Wohngebieten nachts (49 dB(A)) um 13 dB(A).

 

Während bislang die Bahn erst bei Überschreitung der Grenzwerte des freiwilligen Lärmsanierungsprogramms „freiwillige“ Lärmschutzmaßnahmen nach den Haushaltsmitteln durchführte, hat das Landgericht Bochum die DB Netz AG dazu verpflichtet, bereits bei Überschreitung der deutlich geringeren Grenzwerte der 16. BImSchV die Kosten für passive Lärmschutzmaßnahmen an den Wohngebäuden zu erstatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass die DB Netz AG diese Leistung nicht  freiwillig und vorsorglich, sondern erst im Wege der Klageinstanzen für jeden betroffenen Kläger erbringen wird.

Alternativ kann die Bahn die Lärmimmissionen auf den erforderlichen Grenzwert der 16. BImSchV reduzieren, wenn die Geschwindigkeit der Güterzüge von den im Gutachten angesetzten bis zu 100 km/h auf 30 km/h herabsetzt. Vorteil einer solchen aktiven Lärmminderungsmaßnahme ist, dass nicht nur die Wohnräume, sondern die Grundstücke der betroffenen Anwohner deutlich geringeren Lärmbeeinträchtigungen ausgesetzt wären. Diese weitergehende Forderung der Musterklagen hat das Landgericht Bochum allerdings abgewiesen. Eine schriftliche Urteilsbegründung steht nach Angabe des Anwaltes der Kläger noch aus. Allerdings soll der vom LG Bochum abgewiesene Antrag auf Geschwindigkeitsreduzierung auf der Hamm-Osterfelder-Bahnstrecke im Berufungsverfahren beim Oberlandesgericht Hamm erneut beantragt werden.

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung

3. 1 Anlage

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

Lachmann

Beigeordneter

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Reichling

Sachbearbeiter

 

 

 

 

Busch