Beschlussvorschlag:
1.
Der Rat der
Stadt Bergkamen beschließt, den am 27.09./09.11.2000 eingerichteten
„Arbeitskreis gegen Rechts“ in „Arbeitskreis Demokratie“ umzubenennen und ihn
für seine Arbeit mit einem Ratsmandat auszustatten.
Mitglieder des Arbeitskreises sind Vertreter gesellschaftlich relevanter
Gruppen aus der Stadt Bergkamen.
Der Vorsitz und der stellvertretende Vorsitz werden durch vom Rat gewählte
Stadtverordnete wahrgenommen.
Die Geschäftsführung obliegt dem Leiter der „Infostelle Rechtsextremismus“, die
im Jugendamt angesiedelt ist.
2.
Der
Arbeitskreis Demokratie tagt zweimal im Jahr sowie bei Bedarf. Er berichtet dem
Rat einmal jährlich über seine Arbeit.
3.
Der Rat
wählt
a)
zum/zur
Vorsitzenden des Arbeitskreises Demokratie Herrn/Frau Stadtverordnete(n) …
b)
zum/zur
stellvertretenden Vorsitzenden des Arbeitskreises Demokratie Herrn/Frau
Stadtverordnete(n) …
Sachdarstellung:
Mit dieser
Vorlage greift die Verwaltung eine langjährige Entwicklung rechtsextremer
Aktivitäten und des demokratischen Widerstandes in der Stadt auf. Zum einen
geht es um die Neuorientierung der Arbeit zum Thema „Politischer Extremismus“
und zum anderen um die Frage der Organisation und Anbindung dieser Arbeit an
Rat und Verwaltung. Dabei wird an das Interfraktionelle Gespräch am 25.02.2013
angeknüpft, in dem Einvernehmen bestand, dem bisherigen „Arbeitskreis gegen
Rechts“ eine verbindliche politische Legitimation durch einen entsprechenden
Ratsbeschluss zu geben und den Arbeitskreis mit einer neuen Bezeichnung zu
versehen, die den politischen Extremismus im Allgemeinen erfasst.
Vor diesem
Hintergrund wird vorgeschlagen, den Arbeitskreis nunmehr „Arbeitskreis
Demokratie“ zu nennen. Die bisher in der Diskussion erörterte Möglichkeit, die
Bezeichnung „Arbeitskreis für Demokratie“ zu wählen, erscheint etwas weniger
prägnant, sodass die Verwaltung die einfachste Fassung favorisiert.
1.
Rückblick
Der Kampf gegen den
Rechtsextremismus hat in Bergkamen Tradition. Die Industrialisierung der
Region, die sich in Bergkamen seit Ende des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen
durch die Entwicklung des Bergbaus manifestierte, brachte eine Bevölkerung und
Arbeiterschaft mit einer weitgehend gewerkschaftlichen Orientierung hervor, die
schon immer allen faschistischen und später rechtsextremen Bestrebungen
entgegen trat.
In der jüngeren Zeit gelang es keiner Partei aus dem extrem rechten Spektrum,
wie NPD, DVU und Republikanern, in dieser Stadt bei Wahlen Fuß zu fassen. Die
Bürgerschaft pflegt eine demokratische und soziale Haltung, die sich
dementsprechend bei Wahlen widerspiegelt. Eingebunden sind alle demokratischen
Parteien dieser Stadt.
Daher ist es als selbstverständlich anzusehen, dass die demokratischen Parteien
immer mit öffentlichem Widerstand zur Stelle waren, wenn rechtsextreme oder
faschistisch orientierte Gruppierungen irgendwelche Aktionen durchführten. So
z. B. Ende der 1990er Jahre, als zu beklagen war, dass sich viele junge
Menschen rechtsextremen Strömungen zuwandten.
Als Reaktion richtete die Verwaltung ab September 2000 eine „Infostelle
Rechtsextremismus“ im Jugendamt ein. Diese wurde mit der Aufgabe betraut, die Szene
zu beobachten und zu analysieren, um im Bedarfsfall handlungsfähig zu sein.
Ferner, um Jugendliche, Eltern oder Institutionen qualifiziert beraten zu
können.
Parallel dazu und im Einvernehmen mit der Politik berief die Verwaltung
außerdem für den 27.09.2000 eine „Konferenz gegen Rechts“ ein, zu der alle
politischen Vertreter der Stadt und die Bevölkerung eingeladen waren. Die
Nachfrage war außerordentlich, sodass der große Saal im Treffpunkt kaum
reichte. Seinerzeit wurden viele Fragen diskutiert, viele blieben aber auch
offen. Unter diesen Umständen entstand aus der Versammlung heraus der spontane
Wunsch, jene offenen Fragen und weitere Probleme in einem zu installierenden
„Arbeitskreis gegen Rechts“ zu bearbeiten und dazu die gesellschaftlich relevanten
Gruppen einzuladen.
Bereits am 09.11.2000 fand die erste Sitzung des „Arbeitskreises gegen Rechts“
unter Federführung der Verwaltung und unter Leitung des Beigeordneten Bernd
Wenske statt.
In den folgenden 12 Jahren kam es zu einer Vielzahl von Sitzungen des
Arbeitskreises, die regelmäßig bedarfsbezogen stattfanden. Ebenso wurde eine
Reihe von Aktionen und Veranstaltungen durchgeführt, wie etwa „Bergkamen - bunt
statt braun“.
So konnte sich der „Arbeitskreis gegen Rechts“ immer als ein Forum verstehen,
in dem die politische Entwicklung des Rechtsextremismus vorgestellt und
erörtert wurde und aus dem im Bedarfsfalle öffentliche Aktionen erwuchsen.
Somit verfügt die Stadt Bergkamen mit dem politisch orientierten Arbeitskreis
und der „Infostelle Rechtsextremismus“ über zwei Institutionen, die die
politische Entwicklung und die Strukturen des Rechtsextremismus qualifiziert
bewerten und Schlüsse daraus ziehen können. Dieser Status soll mit dem jetzt
angestrebten Ratsbeschluss weiter verstärkt werden.
2.
Veränderung der Lage Ende 2012/Anfang
2013
Am 08.12.2012 und am
12.01.2013 kam es zu zwei größeren Demonstrationen der Bergkamener Demokraten
gegen den Rechtsextremismus. Auf dem Herbert-Wehner-Platz versammelten sich
jeweils 200 – 300 Personen, um sich für die Demokratie einzusetzen und offen
gegen rechtsextreme Aktivitäten Flagge zu zeigen.
Vorausgegangen war zunächst am 20.11.2012 eine einfache Information der
Polizeiwache Bergkamen an die Verwaltung, dass am 08.12.2012 ein Aufmarsch der
rechten Szene, Personenzahl unbekannt, vom Busbahnhof bis zum
Herbert-Wehner-Platz mit dortiger Kundgebung und Rückmarsch geplant sei. Die
Kreispolizeibehörde als für das Versammlungsrecht zuständige Stelle hatte zu
prüfen, ob andere Veranstaltungen stattfinden, die evtl. mit dem Aufmarsch der
Rechtsextremen kollidieren könnten.
Durch diese Anfrage war sofort klar, dass mit einem solchen Aufmarsch eine neue
Eskalationsstufe in Bergkamen erreicht werden würde. Eine derartige Aktion mit
Kundgebung gab es in den letzten Jahrzehnten nicht.
Die Verwaltung konnte der Polizeibehörde mitteilen, dass der
Herbert-Wehner-Platz durch den Samstagsmarkt und ein anschließendes
Adventssingen belegt sei. Daraufhin erhielt der Anmelder des Aufmarsches
seitens der Polizei lediglich eine Genehmigung eines Marsches vom Busbahnhof
bis zum Marktplatz an der Ebertstraße. Zugleich informierte der Leiter des
Arbeitskreises gegen Rechts alle Mitglieder des Arbeitskreises und alle
sonstigen gesellschaftlichen Gruppierungen bis hin zu den Schulen, dass ein
Neonazi-Aufmarsch in Form einer „Demonstration gegen Kinderschänder“ geplant
sei. Dies führte nun zu einer überwältigenden Mobilisierung der Bergkamener
Demokraten, sodass das Adventssingen am 08.12.2012 zu einer Kundgebung für
Frieden und Demokratie umfunktioniert werden konnte. Dies alles fand statt,
obwohl der Anmelder den Aufmarsch der Rechten einen Tag zuvor abgesagt hatte.
Vergleichbares wiederholte sich einige Wochen später am 12.01.2013. Auch hier
wurde für diesen Tag ein Aufmarsch nach dem gleichen Muster wie zuvor
angemeldet. Der Herbert-Wehner-Platz konnte auch dieses Mal nicht zur Verfügung
stehen, weil die örtlichen Gewerkschaften eine Informationsveranstaltung
durchführten. Obwohl die Neonazi-Demonstration erneut kurzfristig vorher
abgesagt wurde, führte der Arbeitskreis gegen Rechts im Einvernehmen mit den
Gewerkschaften eine eigene Veranstaltung gegen Rechtsextremismus durch, die als
„Sternmarsch für Demokratie und Toleranz“ organisiert wurde. Die Aktivitäten in
der Stadt hatten bereits überregional ein solches Echo gefunden, dass es
gelang, alle örtlichen Bundestagsabgeordneten als Redner für die Kundgebung am
12.01.2013 zu gewinnen.
3.
Bewertung
Durch die Vorgänge um
die Jahreswende 2012/13 war für die Stadt Bergkamen eine neue (negative)
Qualität entstanden. Es musste nun damit gerechnet werden, dass künftig immer
wieder neue Aktivitäten der rechtsextremen Szene entfaltet würden. So kann
nicht ausgeschlossen werden, dass die bekannten umfangreichen polizeilichen
Maßnahmen in den benachbarten Großstädten zu einer Verdrängung der Szene in die
umliegenden Kommunen führen. Daher gilt es, die Menschen in dieser Stadt zu
sensibilisieren und die Solidarität im Widerstand gegen Rechtsextremismus und
Faschismus hochzuhalten. Das ganze stellt sich als Daueraufgabe für Politik und
Verwaltung dar.
In diese Entwicklung hinein bzw. parallel dazu wurde die Debatte politisch
erweitert.
Zum einen forderten politische Vertreter, nicht nur den Rechtsextremismus,
sondern auch den Linksextremismus in die politische Arbeit mit einzubeziehen.
Insoweit sei der bisherige Titel „Arbeitskreis gegen Rechts“ zu einschränkend.
Zum anderen war und ist nicht mehr zu übersehen, dass in Bund und Land ein
religiöser Extremismus aufkommt, der mit dem Auftreten der sogenannten
„Salafisten“ öffentlich geworden ist. Neben diesem religiösen Extremismus, der
totalitäre und faschistoide Elemente hat, ist ein weiterer Extremismus zu
beklagen. Zu nennen sind solche Bestrebungen bei bestimmten Gruppierungen von
Zuwanderern. Besonders bekannt sind die „Grauen Wölfe“, die einen extremen
türkischen Nationalismus pflegen und die nach Einschätzung der Verwaltung
organisiert oder nicht organisiert auch in Bergkamen anzutreffen sind.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nunmehr sinnvoll, die Arbeit für
Demokratie, Toleranz und Freiheit nicht nur einschränkend am
rechtsextremistischen Neonazitum festzumachen. Der Begriff der „Demokratie“
erfasst von seinem Inhalt her die positive Haltung zu Staat und Gesellschaft,
wie sie im Grundgesetz beschrieben ist, und zugleich eine Ablehnung all dessen,
was eben diese Demokratie in Frage stellt: Neonazitum, Faschismus,
Linksextremismus, religiöser Totalitarismus, übersteigerter ethnischer
Nationalismus.
Diese Einschätzung lässt es angemessen erscheinen, dem bisherigen Arbeitskreis
gegen Rechts einen umfassenderen Auftrag zu erteilen und ihm einen dem Auftrag
angemessene politische Legimitation durch einen Ratsbeschluss zu verleihen.
4.
Struktur und Arbeit des „Arbeitskreises
Demokratie“
Mit der Umbenennung in
„Arbeitskreis Demokratie“ wird demgemäß das Aufgabenfeld auf alle Formen des
Extremismus erweitert. Die Mitglieder des Arbeitskreises sollten wie bisher
Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen aus der Stadt Bergkamen sein.
Hierzu ist keine Begrenzung in der Mitgliedschaft zu empfehlen. Der
Arbeitskreis sollte offen sein für alle demokratischen Gruppierungen, die
bereit sind, sich für Demokratie und Freiheit und gegen extremistische
Bestrebungen einzusetzen.
Im Unterschied zu bisher wird vorgeschlagen, den Vorsitz und den
stellvertretenden Vorsitz durch Stadtverordnete entsprechend der Wahlperiode
des Rates wahrnehmen zu lassen, um dadurch den politischen Auftrag stärker
hervorzuheben und gleichzeitig die Arbeit des Arbeitskreises enger an den Rat
anzubinden. Demgemäß würde eine mit der Beschlussfassung über diese Ratsvorlage
einhergehende Wahl bis zur nächsten Kommunalwahl Gültigkeit haben.
Die Geschäftsführung sollte wie bisher durch den Leiter der „Infostelle
Rechtsextremismus“ wahrgenommen werden, damit der Arbeitskreis geschäftsmäßig
arbeitsfähig bleibt.
Die Verwaltung schlägt letztlich vor, dass der Arbeitskreis zweimal im Jahr
sowie bei Bedarf tagen soll. Das entspricht in etwa dem Rhythmus, in dem auch
der bisherige Arbeitskreis gegen Rechts einberufen wurde. Zugleich sollte
aufgrund der Anbindung an den Rat einmal jährlich eine entsprechende
Berichterstattung erfolgen.
Zusammenfassend lässt sich aus der Sicht der Verwaltung festhalten, dass die
Namensgebung des neuen Arbeitskreises und die erweiterte Aufgabenstellung sowie
die Legitimation durch den Rat der Stadt Bergkamen wichtige Schritte
darstellen. So bekommt die politische Arbeit für die Demokratie
parteiübergreifend und für die gesamte Bevölkerung der Stadt einen besonders
hohen Stellenwert.
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1.
Das Deckblatt
2.
Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
Der
Bürgermeister In
Vertretung Wenske Beigeordneter |
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