Beschlussvorschlag:
Der
Jugendhilfeausschuss nimmt den Bericht der Verwaltung über die Entwicklung im
Bereich der Erzieherischen Hilfen 2012 zur Kenntnis.
Sachdarstellung:
1. Entwicklung der Fallzahlen
1.1 Stationäre erzieherische Hilfen
Die Fallzahlen im stationären Bereich konnten in den letzten zwei Jahren
kontinuierlich abgebaut werden, so dass bezogen auf den Stichtag 01.01 zwischen
2010 bis 2013 insgesamt ein Rückgang von rund 40% eingetreten ist:
Jahr |
Fälle Gesamt |
Fälle 01.01. |
Fälle 31.12. |
Zugänge |
Abgänge |
Betreu- ungstage |
Zielvereinbarung |
2013 |
|
63 |
|
|
|
|
33.187 |
2012 |
88 |
70 |
63 |
20 |
27 |
23.805 |
34.287 |
2011 |
117 |
99 |
70 |
18 |
47 |
28.449 |
35.387 |
2010 |
137 |
103 |
99 |
33 |
37 |
34.839 |
36.487 |
Enthalten in den Fallzahlen des Jahres 2012 sind auch 12
Mutter-Kind-Unterbringungen, die rein formal keine erzieherischen Hilfen
sind. Da es sich bei diesen unterstützenden Angeboten für junge Mütter um recht
teure Maßnahmen handelt, werden sie vom Bergkamener Jugendamt statistisch wie
eine stationäre erzieherische Hilfe behandelt. In den Fallzahlen enthalten sind
auch die jungen Volljährigen, die in Wohngruppen von Heimen oder im –
vergleichsweise kostengünstigen -
Betreuten Wohnen des Jugendamtes betreut werden.
Die positive Entwicklung in den letzten Jahren resultiert vor allem aus
neuen Hilfeformen, die vom Jugendamt über das Rückführungsmanagement eingeführt
wurden. Insbesondere die „Aufsuchende Familientherapie“, die „Soziale
Gruppenarbeit“ und die „Gastfamilien“ haben dazu beigetragen, die Anzahl neuer
stationärer Hilfen deutlich zu reduzieren. Durch die intensive Zusammenarbeit
des Rückführungsmanagements mit den Heimeinrichtungen konnten darüber hinaus
laufende stationäre Hilfen vorzeitig beendet oder in eine (kostengünstige)
ambulante Maßnahme umgewandelt werden. Die Fachkraft Rückführungsmanagement
nimmt dem Bezirkssozialarbeiter dabei keine Fälle ab, sondern unterstützt als zusätzliche
Kraft in den Fällen, in denen eine Fremdunterbringung droht oder eine
Heimunterbringung frühzeitiger beendet werden soll.
Gemäß der mit dem
Verwaltungsvorstand 2010 abgeschlossenen Zielvereinbarung hat sich das
Jugendamt verpflichtet, die stationären Unterbringungen jährlich um 3 Fälle
(dies entspricht 1.100 Betreuungstagen) zu reduzieren. Ausgangspunkt der
Zielvereinbarung waren 36.487
Betreuungstage zum 31.12.2010. Wie in
der Tabelle dargestellt, konnte die Zahl der Betreuungstage bereits zwischen
2010 und 2012 um rund 11.000 Tage verringert werden, was einem Umfang von 30
stationären Fällen entspricht. Bei einem durchschnittlichen Tagessatz von 125
Euro bedeutet dieser Rückgang eine rechnerische Einsparung von rund 1.375.000 €
bei den stationären Hilfen.
1.2 Ambulante erzieherische Hilfen
Gemäß der Empfehlung der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) wurde die Zahl der
ambulanten Hilfen in den letzten Jahren konsequent ausgebaut, wobei
mittlerweile in vielen Familien auch mehrere ambulante Helfer zum Einsatz
kommen. Eine Folge dieses Anstiegs ist, dass es immer schwieriger wird, den
Einsatz der ambulanten Hilfen in der Gesamtheit zu koordinieren und ein
Berichtswesen zu entwickeln, das einen Vergleich mit anderen Jugendämtern
ermöglicht, zumal z.B. auch die GPA in den letzten Jahren ihre „Zählweise“
immer wieder verändert hat.
In der nachfolgenden Tabelle ist unter „Amb. Hilfen“ die Gesamtzahl der
ambulanten erzieherischen Hilfen gemeint. War z.B. in einer Familie eine
Sozialpädagogische Familienhilfe eingesetzt, wurde eine Hilfe gezählt, wurde
ein einzelnes Kind dieser Familie zusätzlich durch einen
Erziehungsbeistand betreut, wurden zwei Hilfen gezählt. Mit „Betreuten
Personen“ ist dagegen die Zahl der Hilfeempfänger („Köpfe“) gemeint, die durch
eine einzelne erzieherische Hilfe erreicht wurden. Insbesondere bei der
Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) werden oft mehre Personen
(einer Familie) durch eine erzieherische Hilfe erreicht. Die Zählweise
(Hilfen oder Köpfe) ist z.B. bei Organisationsuntersuchungen und zu Zwecken der
Personalplanung eine wichtige Kennziffer.
Jahr |
Amb. Hilfen
Gesamt |
Amb. Hilfen 01.01. |
Amb. Hilfen 31.12. |
Zugänge |
Abgänge |
Betreute Personen |
2012 |
272 |
167 |
199 |
105 |
73 |
356 |
2011 |
263 |
178 |
200 |
85 |
63 |
346 |
2010 |
174 |
103 |
133 |
71 |
41 |
246 |
Die 272 ambulanten Hilfen verteilen sich wie folgt:
72 |
§ 27 allgemeine ambulante Hilfen |
32 |
§ 29 Soziale Gruppenarbeit |
47 |
§ 30 Erziehungsbeistandschaft / Betreuungshelfer |
114 |
§ 31 Sozialpädagogische Familienhilfe |
7 |
§ 35 a ambulant |
272 |
Gesamt |
Die quantitative und qualitative Ausweitung der ambulanten Hilfen ging
einher mit einer Ausweitung des Anbieterspektrums. 2012 verteilten sich die
ambulanten Fallzahlen wie folgt:
32% Bergkamener Verein
32% Schwerter Netz
19% Fairbindung
5% Help Unna
12% Sonstige
Zwei der vorgenannten Anbieter haben bereits
Räumlichkeiten in Bergkamen angemietet, weitere Anbieter überlegen dies
zurzeit. Die räumliche Nähe von Jugendhilfeträgern trägt dazu bei, dass Hilfen
zeitnahe und schnell eingerichtet werden können und der organisatorische (und
finanzielle) Aufwand für Nutzer und Anbieter geringer bleibt.
1.3 Vollzeitpflege
Die Zahl der Kinder, die vom Pflegekinderdienst des Jugendamtes und der
Adoptionsvermittlungsstelle betreut werden, ist in den letzten Jahren nur
leicht angestiegen, wobei der Anstieg u.a. aus der Einführung einer neuen und
zeitlich befristeten Betreuungsform (Gastfamilien) resultiert. Die Betreuung in
Gastfamilien erfolgt bisher durch externe Anbieter.
Statistik
Pflegekinderdienst |
2012 |
2011 |
2010 |
Vollzeitpflegen gesamt, davon: |
106 |
104 |
101 |
Dauerpflegeverhältnisse |
53 |
48 |
46 |
Verwandtenpflegeverhältnisse
|
20
|
18
|
20
|
Junge Volljährige
|
3
|
8
|
9
|
Sonderpflegestellen,
Erziehungsstellen
|
11
|
11
|
12
|
Bereitschaftspflege / Kurzzeitpflege
|
12
|
9
|
11
|
Sonstige
|
7
|
10
|
3
|
1.4 Verteilung der erzieherischen Hilfen
Die ambulanten Hilfen haben mittlerweile einen Anteil von 58% an der
Gesamtzahl der erzieherischen Hilfen, während der Anteil der stationären Hilfen
auf rund 19% zurück gegangen ist. 2009 – zum Zeitpunkt der GPA – Untersuchung -
lag der Anteil nur bei 47%, bei einem Benchmark von rund 70%.
272 |
Ambulante Hilfen |
88 |
Stationäre Hilfen |
106 |
Vollzeitpflegen |
466 |
Hilfen zur Erziehung insgesamt |
2. Anlässe für
Erzieherische Hilfen 2012
Der häufigste Grund für die
Gewährung einer ambulanten oder stationären erzieherischen Hilfe ist nach wie
vor die eingeschränkte
Erziehungskompetenz der Eltern. Es folgt als zweithäufigster Grund die Belastung
des jungen Menschen durch familiäre Konflikte aufgrund von Trennung und
Scheidung, Partnerkonflikte oder Umgangs-/ Sorgerechtsstreitigkeiten. In der
nachfolgenden Tabelle wurden pro Fall bis zu drei Gründe für einen Anlass der
erzieherischen Hilfe gezählt:
Anlässe für Erzieherische Hilfen |
Insgesamt |
Anteil % |
Stationär |
Ambulant |
Eingeschränkte
Erziehungskompetenz Eltern |
181 |
30 |
28 |
153 |
Belastung junger
Mensch durch familiäre Konflikte |
89 |
15 |
14 |
75 |
Unzureichende
Betreuung, Versorgung des jungen Menschen |
76 |
13 |
18 |
58 |
Auffälligkeiten
im sozialen Verhalten des jungen Menschen |
74 |
13 |
9 |
65 |
Belastung junger
Mensch durch Problemlagen der Eltern |
50 |
8 |
14 |
36 |
Gefährdung des
Kindeswohls |
49 |
8 |
24 |
25 |
Schulische,
berufliche Probleme des jungen Menschen |
44 |
7 |
0 |
44 |
Entwicklungsauffälligkeiten,
seelische Probleme junger Mensch |
37 |
6 |
11 |
26 |
Gesamt |
600 |
100 |
|
|
Wird nur eine Nennung pro Fall gewertet (Hauptgrund) steht die
eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern meistgenannt (109 Nennungen),
gefolgt von der Gefährdung des Kindeswohls (45). Die „unzureichende
Betreuung/Versorgung des Kindes“ und „Auffälligkeiten im sozialen Verhalten des
jungen Menschen“ folgen mit jeweils 43 Nennungen.
Um die Zahl der stationären Hilfen weiter zu
reduzieren, ist es aus Sichte des Jugendamtes deshalb notwendig, die
Erziehungskompetenz von Eltern weiter zu stärken und Eltern in
Konfliktsituationen frühzeitig professionelle Beratungsangebote zur Verfügung
zu stellen.
Dies ist nur möglich, wenn die bisherigen
präventiven und ambulanten Maßnahmen weiter ausgebaut, koordiniert und
evaluiert werden.
Angeregt wurden erzieherische Hilfen in 80% aller Fälle durch den ASD
oder die Eltern:
187 Soziale Dienste
163 Eltern
25 Junger Mensch
15 Schule / Kindertageseinrichtung
14 Arzt
12 Gericht / Polizei
22 Sonstige / Keine Angaben
In 55% der Fälle wurden erzieherische Hilfen in Familien mit einem
allein erziehenden Elternteil gewährt. Der Anteil der „vollständigen“ Familien
(verheiratet) lag 2012 bei knapp einem Viertel:
243 Alleinerziehend 55%
89 Alleinerziehend mit neuem Partner 20%
2 Eltern verstorben 1%
104 Verheiratet 24%
70% der Empfänger von erzieherischen Hilfen waren von sozialen
Transferleistungen abhängig, lediglich 25% konnten ihren Lebensunterhalt
ausschließlich durch ihre Berufstätigkeit sicherstellen, in 5% der Fälle lagen
noch keine Angaben vor. Zu einem Sorgerechtsentzug war es in 18% der Fälle (79)
gekommen. Von den 103 erzieherischen Hilfen, die 2012 beendet wurden, wurden
45 erfolgreich beendet
37 vorzeitig abgebrochen, davon 23 von den Sorgeberechtigten und 6 durch
das Jugendamt
16 Fälle in die Zuständigkeit eines anderen Jugendamts gegeben
5 Fälle an andere Dienste (z.B.
EB) übergeben
Bei den 37 durch Abbruch beendeten Hilfen handelte es sich in 75% der Fälle
(28) um ambulante Hilfen, die nach dem Abbruch auch nicht fortgesetzt wurden.
Bei den durch Abbruch beendeten 4 Heimunterbringungen und 4 Vollzeitpflegen
wurden weiter ambulante Hilfen gewährt. Unter den 16 Fällen, die in die
Zuständigkeit eines anderen Jugendamtes wechselten, waren 9 Vollzeitpflegen.
3. Kosten der erzieherischen Hilfen
2012 ist es erstmals wieder gelungen im Sachgebiet „Erzieherische Hilfen“
die Budgetvorgaben einzuhalten und sogar Einsparungen zu erzielen. Durch
deutliche Minderausgaben im stationären Bereich konnten die Mehrausgaben bei
den ambulanten Hilfen und im Bereich der Vollzeitpflege ausgeglichen und
Einsparungen in Höhe von 128.260 € erzielt werden. Die Einsparungen wären noch
höher ausgefallen, wenn nicht die Pflegesätze auch 2012 wieder erhöht worden
wären.
|
Heim- Pflege |
Vollzeit- Pflege |
Ambulante + sonstige Maßnahmen |
Gesamt- Ausgaben |
Budget |
Budget - Abweichung |
2012 |
3.219.491 |
1.184.867 |
1.877.382 |
6.281.740 |
6.410.000 |
+ 128.260 |
2011 |
3.753.723 |
1.062.010 |
1.683.778 |
6.499.511 |
4.665.000 |
-1.834.511 |
2010 |
4.511.833 |
999.536 |
1.255.580 |
6.766.949 |
4.915.000 |
-1.851.946 |
Als Folge der personellen Verstärkung in der WJH ist es 2012 gelungen,
trotz sinkender Fallzahlen im stationären Bereich die Einnahmen bei der
Heranziehung Dritter noch leicht zu steigern:
|
Ausgaben |
Einnahmen |
Zuschuss |
2012 |
6.281.740 |
743.253 € |
5.538.487 |
2011 |
6.499.511 |
716.608 € |
5.782.903 |
2010 |
6.766.949 |
718.195 € |
6.048.754 |
Aufgrund eines neuen Urteils des
Bundesverfassungsgerichts müssen zukünftig stationäre Hilfen für
geistig/körperlich behinderte Kinder und Jugendliche vom örtlichen bzw.
überörtlichen Sozialhilfeträger gewährt werden. Vom Jugendamt der Stadt
Bergkamen ist der sachliche Zuständigkeitswechsel für 8 Kinder/Jugendliche beim
LWL und dem Kreis Unna beantragt worden. Die Übernahme der Fälle soll 2013
erfolgen und wird das Budget des Jugendamtes weiter entlasten.
Die Entwicklung in den letzten 3 Jahren zeigt, dass auch ein deutlicher
Rückgang bei den stationären Fallzahlen sich nicht unmittelbar in finanziellen
Einsparungen niederschlägt, sondern dass es zunächst nur zu einer Umverteilung
der Mittel (von stationär zu ambulant) kommt. Darüber hinaus werden Einsparungen
durch die regelmäßige Anhebung der Tagessätze immer wieder zunichte gemacht.
4. Ausbau der präventiven
Angebote
Mit der Einrichtung des Familienbüro / Besuchsdienstes, der Durchführung
von Elternkompetenzkursen und der Durchführung von Elternbildungsangeboten im
Familientreff Bodelschwinghhaus (SSP I) hat das Jugendamt bereits erste
präventive Angebote eingerichtet, die mittlerweile in der Bergkamener
Bevölkerung bekannt und anerkannt sind. Es zeichnet sich aber ab, dass es
notwendig ist, auch in den anderen beiden Siedlungsschwerpunkten (Oberaden und
Rünthe) Angebote der Familienbildung einzurichten, um Eltern aus sozial
schwachen Familien mit Defiziten in der Erziehungskompetenz einen Zugang zu
solchen Angeboten zu ermöglichen. Auch ASD und Erziehungsberatungsstelle müssen
personell in die Lage versetzt werden, u.a. über die Familienzentren
rechtzeitig auf Familien in Notlagen zugehen zu können.
4.1 Bundeskinderschutzgesetz / Landesprogramm „Kein Kind zurücklassen“
Seit dem 01.01.2012 ist das „Bundeskinderschutzgesetz“ in Kraft. Es sieht
u.a. die Beratung unterschiedlicher beruflicher Professionen durch „erfahrene
Fachkräfte“ und den Aufbau kommunaler Netzwerke vor. Parallel dazu hat die NRW
– Landesregierung das Präventionsprogramm „Kein Kind zurücklassen“ aufgelegt,
an dem sich die Stadt Bergkamen seit Anfang 2012 im Verbund mit anderen
Kommunen des Kreises Unna beteiligt.
Bundeskinderschutzgesetz und Landesprogramm haben das gemeinsame Ziel,
die kommunale Infrastruktur (Soziale Einrichtungen, Soziale Dienste,
Gesundheitsdienste, etc.) stärker als bisher an dem Bedarf von Familien und
Kindern auszurichten, mit dem Ziel, langfristig „kein Kind zurückzulassen“.
Vorraussetzung ist allerdings, dass die Kommunen bereit und in der Lage sind,
für den Ausbau und die Vernetzung präventiver Angebote im Verbund mit den
freien Trägern zukünftig mehr Ressourcen als bisher zur Verfügung zu stellen.
Um mit dem Aufbau der im Bundeskinderschutzgesetz geforderten präventiven
Netzwerke zu beginnen soll im Bergkamener Jugendamt 2013 eine zusätzliche
(Teilzeit-) Stelle eingerichtet werden, die zu 100% aus Bundesmitteln
finanziert wird.
Bestandteile dieser Vorlage sind:
1.
Das Deckblatt
2.
Der Beschlussvorschlag und die Sachdarstellung
Der
Bürgermeister In
Vertretung Wenske Beigeordneter |
|
Amtsleiter Kriegs |
Sachbearbeiter Harder |
|