Beschlussvorschlag:
Der Jugendhilfeausschuss der Stadt Bergkamen stimmt dem Antrag des Kirchenkreises Unna vom 09.12.2009 zu und erkennt das Evangelische Familienzentrum „Am Bodelschwinghhaus“ als „Einrichtung im Sozialen Brennpunkt“ an. Der Jugendhilfeausschuss beauftragt das Jugendamt diesen Beschluss an das Landesjugendamt zur abschließenden Genehmigung weiterzuleiten.
Sachdarstellung:
Mit Schreiben vom 09.12.09 hat der Kirchenkreis Unna beantragt, zu
prüfen, ob das Familienzentrum „Am Bodelschwinghhaus“, Ebertstraße 20 die
notwendigen Voraussetzungen erfüllt, um als sogenannte „Einrichtung im Sozialen
Brennpunkt“ anerkannt werden zu können (Anschreiben siehe Anlage). Der Kirchenkreis Unna ist seit 01.08.2009
Träger der Tageseinrichtung.
Der Kirchenkreis Unna
begründet seinen Antrag damit, dass die Einrichtung in einem sozial stark
belasteten Einzugsgebiet liegt und überwiegend Kinder aus Familien mit
Migrationshintergrund bzw. aus sozial schwachen Familien betreut werden. Dem
Antrag vorausgegangen sind Gespräche mit dem Jugendamt, in denen die Situation
in der Kindertageseinrichtung ausführlich erörtert wurde.
Gem. § 20 Abs. 3 KiBiz kann für Einrichtungen in sozialen Brennpunkten ein zusätzlicher Pauschalbetrag von bis zu 15.000,00 € geleistet werden, mit denen z.B. zusätzliches Personal beschäftigt oder besondere Materialien angeschafft werden können. Für die Entscheidung - die der abschließenden Genehmigung des Landesjugendamts bedarf - ist das örtliche Jugendamt zuständig.
1. Definition Sozialer Brennpunkt
Bis 2006 konnten nur Tageseinrichtungen eine zusätzliche Förderung
erhalten, wenn sie in Wohngebieten lagen, die als Stadtteile mit besonderem
Erneuerungsbedarf im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms mit
Landesmitteln gefördert wurden. Die Zahl der Tageseinrichtungen, die Anspruch
auf eine zusätzliche Förderung hatten, wurde dadurch deutlich eingeschränkt.
Im Zusammenhang mit der Einführung des KiBiz hat das Ministerium für
Generationen, Familien, Frauen und Integration des Landes NRW den Begriff
„Sozialer Brennpunkt“ deutlich weiter gefasst. Mit Schreiben vom 12.10.2006
führt das Ministerium aus, dass sich „ein städtebaulicher Wandel und eine
veränderte Ansicht – in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten – über
soziale Brennpunkte entwickelt“ hat und dass es deshalb „eine neue, stets
aktuelle und vor allem einheitliche Definition des sozialen Brennpunktes nicht
geben“ kann. Deshalb muss in jedem Einzelfall konkret geprüft werden, ob die
Voraussetzungen „soweit die Ortsebene sie definiert hat“ vorliegen.
Das MGFFI fordert die Kommunen und Jugendämter auf, bei der Ausweisung
sozialer Brennpunkte „grundsätzlich
einen strengen Maßstab anzulegen“, denn „Sinn der erhöhten Förderung ist, nur
dort Sonderförderung zu gewähren, wo extreme Sondersituationen vorliegen.“
Umgangssprachlich wird als
sozialer Brennpunkt ein meist räumlich abgegrenztes (Wohn-)Gebiet bezeichnet,
in dem sich Menschen mit wirtschaftlichen und/oder sozialen Defiziten
konzentrieren. Solche Defizite sind zum Beispiel Einkommensarmut, fehlende oder
unterdurchschnittliche Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt (z. B.
aufgrund von Sprach- oder Bildungsdefiziten) oder Netzwerkarmut, das heißt
mangelhafte Kontaktmöglichkeiten zu anderen Menschen.
2. Zum Antrag des Kirchenkreis Unna
Das Familienzentrum „Am
Bodelschwinghhaus“ ist eine 3-Gruppen-Tageseinrichtung, in der zum KiBiz – Jahr
2009/2010 insgesamt 70 Kinder, davon 10 Schulkinder und 5 Kinder U3 betreut
wurden. In der Einrichtung werden ferner 3 Kinder integrativ betreut. Die Leiterin der Tageseinrichtung beschreibt
die Lebenssituation der Nutzer des Familienzentrums „Am Bodelschwinghhaus“ wie
folgt:
-
38% der Familien haben
einen Migrationshintergrund
-
45% der Familien
verfügen lediglich über ein Einkommen am Existenzminimum, häufig trotz Berufstätigkeit
-
34% der Kinder wachsen
in Ein-Eltern-Familien auf
-
37% der Familien
erhalten über das Jugendamt erzieherische Hilfen
-
bei den 10 Schulkindern
handelt es sich ausschließlich um Kinder, die über den Allgemeinen Sozialen
Dienst des Jugendamts in die Einrichtung vermittelt wurden
Die Nutzer der Einrichtung
kommen zu rund 30% aus dem Bereich der City und zu 50% aus dem direkten
Wohnumfeld des Marktplatzes.
Aufgrund der besonderen
Belastung vieler Familien im Umfeld ist vielfach die physische und emotionale
Versorgung der Kinder durch die Eltern nicht gewährleistet. Als Folge der
mangelnden Zuwendung zeigen sie vermehrt Auffälligkeiten im Kindergarten und
der Grundschule in Form von Defiziten in der sprachlichen Entwicklung sowie in
der Ausbildung lebenspraktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Sprachentwicklungsstörungen und fehlendes Regelverständnis lassen sich
gleichermaßen bei Kindern mit und ohne Migrationshintergrund feststellen.
Das Familienzentrum „Am
Bodelschwinghhaus“ möchte zukünftig verstärkt folgende Maßnahmen durchführen:
·
Intensivierung der
Elternarbeit , Begleitung der Eltern zu Beratungsstellen, Durchführung von
Elternschulungen und vermehrte Hausbesuche
·
Verstärkte Kooperation
mit den sozialen Diensten des Jugendamts
·
Planung und Durchführung
von Aktionen im Gemeinwesen, um Familien den Zugang zu Unterstützung- und
Hilfsangeboten aufzuzeigen
·
Projekte im Bereich
Ernährung um Eltern in Ernährungsfragen
aufzuklären und zu schulen
·
Förderung von Kindern
mit Entwicklungsverzögerungen, Einzelförderung, Förderung der Selbständigkeit,
zusätzliche Sprachförderangebote
·
Kooperation mit der
Stadtbibliothek
3. Bewertung des Antrags
aus Sicht des Jugendamts
Aus Sicht des Jugendamts ist
der Antrag des Kirchenkreises Unna begründet. Das Familienzentrum „Am Bodelschwinghhaus“
liegt in einem Siedlungsbereich mit hoher Bevölkerungsdichte und mit einem
großen Anteil an Kindern und Jugendlichen.
Ein hoher Anteil von Familien
mit Migrationshintergrund und teilweise überschneidend ein hoher Anteil an
sozial schwachen Familien im Einzugsbereich der Evangelischen Tageseinrichtung
führen nachvollziehbar zu erheblichen personellen Mehrbelastungen.
Eltern müssen immer wieder angesprochen und motiviert werden, um an bestimmten Maßnahmen teilzunehmen und es gibt häufiger Kontakte und Gespräche mit dem Jugendamt in Krisensituationen oder bei drohender Vernachlässigung von Kindern. Deutlich mehr Kinder müssen intensiv (einzeln) gefördert werden, die Aufwendungen im gesundheitlichen und hygienischen Bereich sind deutlich höher.
Im Siedlungsbereich nördlich
und südlich der Ebertstraße (Stat. Bezirke 104 und 108) lebten 2008 rund 2000
Einwohner, davon rund 430 Kinder und Jugendliche unter 17 Jahren. Der Anteil
der Kinder und Jugendliche lag insgesamt bei 21%. Westlich an die Einrichtung
grenzt der Siedlungsbereich City (Stat. Bezirk 103), in dem weitere 1.470
Menschen, davon 425 Kinder und Jugendliche leben. Der Anteil der Kinder und
Jugendlichen ist hier mit 28,8% der höchste in der Stadt Bergkamen.
Während im Bereich südlich
der Ebertstraße der hohe Migrantenanteil zu den vom Antragsteller beschrieben
Problemlagen führt, ist für den Bereich der City die hohe Konzentration sozial
schwacher Familien zu nennen. Insgesamt gehören die City und der Bereich südlich
der Ebertstraße zu den Siedlungsbereichen mit hohen ASD- bzw. JGH - Fallzahlen.
13% aller 1.200 Fälle, die 2008 aufgetreten sind stammen von hier. Der
Siedlungsbereich nördlich der Ebertstraße weist mit 28 Fällen auf den ersten
Blick zwar eine geringe Fallzahl auf, doch ist die Falldichte bezogen auf die
hier lebenden Kinder- und Jugendlichen mit 15,8 pro 100 Kinder / Jugendliche
vergleichsweise hoch (Rang 10 von 66 Siedlungsbereichen).
Die Fallzahlen des ASD sind
in allen drei Siedlungsbereichen im Einzugsbereich der Kita Bodelschwinghhaus
in den letzten Jahren steigend, rund 10% der stationären erzieherischen Hilfen
stammen aus diesem Bereich.
Seit fast 10 Jahren versuchen
das Jugendamt und die Evangelische Tageseinrichtung Bodelschwinghhaus deshalb,
durch gemeinsame Angebote der Familienbildung (Projekt „Familie und
Nachbarschaft“ – FuN und Angebote im „Familientreff“) die im Umfeld des
Bodelschwinghhauses lebenden Familien bei ihrer Erziehungsarbeit zu
unterstützen.
Das Jugendamt regt deshalb an, dem Antrag des Kirchenkreises Unna
zuzustimmen und das Evangelische Familienzentrum „Am Bodelschwinghhaus“,
Ebertstraße 20 als „Einrichtung im Sozialen Brennpunkt“ anzuerkennen und diesen
Beschluss dem Landesjugendamt zur Genehmigung vorzulegen.
Am 29.04.2008 hat der
Jugendhilfeausschuss der Stadt Bergkamen bereits die beiden AWO –
Tageseinrichtungen „Springmäuse“ und „Krümelkiste“ (jetzt „Villa Kunterbunt“)
als „Einrichtungen im Sozialen Brennpunkt“ anerkannt.
4. Finanzielle Auswirkungen
Sofern das Landesjugendamt
der Einschätzung des Bergkamener Jugendhilfeausschusses folgt, erhält die
Evangelische Tageseinrichtung pro Kindergartenjahr einen zusätzlichen Zuschuss
zu den Gesamtbetriebskosten in Höhe von 15.000 €. Abzüglich des Landesanteils
von 36 % entstehen für die Stadt Bergkamen Mehrkosten in Höhe von rund 9.600 €.
Bestandteile dieser Vorlage
sind:
1. Das Deckblatt
2. Die Sachdarstellung und der Beschlussvorschlag
3. 1 Anlage
Der Bürgermeister In Vertretung Wenske Beigeordneter |
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Amtsleiter Kriegs |
Sachbearbeiter Harder |
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