Betreff
Antrag "Sozialer Brennpunkt" für die AWO-Tageseinrichtungen "Krümelkiste" und "Springmäuse"
Vorlage
9/1244
Aktenzeichen
ha-na
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der JHA stimmt dem Antrag der Arbeiterwohlfahrt, Unterbezirk Unna vom 15.02.08 zu und erkennt die AWO Tageseinrichtungen „Krümelkiste“, Präsidentenstr. 67 und die Tageseinrichtung „Springmäuse“, Am Südhang 9, als „Einrichtungen im Sozialen Brennpunkt“ an. Der JHA beauftragt das Jugendamt diesen Beschluss an das Landesjugendamt zur abschließenden Genehmigung weiterzuleiten.

 

Sachdarstellung:

 

Mit Schreiben vom 15.02.08 hat die Arbeiterwohlfahrt, Unterbezirk Unna beantragt, zu prüfen, ob die AWO Tageseinrichtungen „Krümelkiste“, Präsidentenstr. 67 und die Tageseinrichtung „Springmäuse“, Am Südhang 9, die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, um als sogenannte „Einrichtungen im Sozialen Brennpunkt“ anerkannt werden zu können (Anschreiben siehe Anlage).

 

Die AWO begründet ihren Antrag damit, dass beide Einrichtungen in sozial stark belasteten Einzugsgebieten liegen und fast ausschließlich Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund bzw. aus sozial schwachen Familien betreuen.

 

Dem Antrag vorausgegangen ist ein gleichlautendes Schreiben im Juni 2007 sowie ein Gespräch mit dem Jugendamt am 13.02.2008, in dem die Situation in den beiden Kindertageseinrichtungen ausführlich erläutert wurde.

 

Nach § 13 Abs. 4 und § 18 Abs. 4 GTK erhalten Träger von Einrichtungen in sozialen Brennpunkten eine erhöhte Förderung. Zukünftig kann gem. § 20 Abs. 3 KiBiz für Einrichtungen in sozialen Brennpunkten ein zusätzlicher Pauschalbetrag von bis zu 15.000,00 € geleistet werden, mit denen z.B. zusätzliches Personal beschäftigt oder besondere Materialien angeschafft werden können. Für die Entscheidung - die der abschließenden Genehmigung durch das Landesjugendamts bedarf - ist das örtliche Jugendamt zuständig. 

 

1. Definition Sozialer Brennpunkt

 

Weder das GTK noch das KiBiz definieren, was unter einem sozialen Brennpunkt zu verstehen ist.

 

Im Rahmen des bisher geltenden GTK wurde der Begriff „Sozialer Brennpunkt“ vom Ministerium sehr eng ausgelegt. Im Wege der Norminterpretation wurde dabei überwiegend auf eine an städtebaulichen Kriterien orientierte Definition zurückgegriffen. Bis 2006 konnten nur Tageseinrichtungen eine zusätzliche Förderung erhalten, wenn sie in Wohngebieten lagen, die als Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms mit Landesmitteln gefördert wurden. Die Zahl der Tageseinrichtungen, die Anspruch auf eine zusätzliche Förderung hatten, wurde dadurch deutlich eingeschränkt.

 

Im Zusammenhang mit der Einführung des KiBiz hat das Ministerium für Generationen, Familien, Frauen und Integration des Landes NRW den Begriff „Sozialer Brennpunkt“ deshalb weiter gefasst.

 

Mit Schreiben vom 12.10.2006 führt das Ministerium aus, dass sich „ein städtebaulicher Wandel und eine veränderte Ansicht – in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten – über soziale Brennpunkte entwickelt“ hat und dass es deshalb „eine neue, stets aktuelle und vor allem einheitliche Definition des sozialen Brennpunktes nicht geben“ kann. Deshalb muss in jedem Einzelfall konkret geprüft werden, ob die Voraussetzungen „soweit die Ortsebene sie definiert hat“ vorliegen.

Das MGFFI fordert die Kommunen und Jugendämter auf, bei der Ausweisung sozialer Brennpunkte  „grundsätzlich einen strengen Maßstab anzulegen“, denn „Sinn der erhöhten Förderung ist, nur dort Sonderförderung zu gewähren, wo extreme Sondersituationen vorliegen.“

 

Umgangssprachlich wird als sozialer Brennpunkt ein „meist räumlich abgegrenztes (Wohn-) Gebiet bezeichnet, in dem sich Menschen mit wirtschaftlichen und/oder sozialen Defiziten konzentrieren. Solche Defizite sind zum Beispiel Einkommensarmut, fehlende oder unterdurchschnittliche Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt (z. B. aufgrund von Sprach- oder Bildungsdefiziten) oder Netzwerkarmut, das heißt mangelhafte Kontaktmöglichkeiten zu anderen Menschen. Im öffentlichen Bewusstsein ist der Begriff sozialer Brennpunkt oft mit Vorstellungen von höherer Kriminalität oder Verwahrlosung verknüpft.“ (Quelle: Wikipedia)

 

2. Zum Antrag der AWO

 

Kindertageseinrichtung Krümelkiste (Präsidentenstraße)

 

Die 1-Gruppen-Tageseinrichtung Krümelkiste liegt in einem Siedlungsbereich, mit überwiegend nicht deutscher Wohnbevölkerung. Seit Jahren werden in der Tageseinrichtung ausschließlich türkische Kinder betreut, die große Defizite sowohl in der deutschen Sprache als auch im sozialen Verhalten aufweisen.

 

Die Leiterin der Tageseinrichtung schätzt, dass rund 70% der im Umfeld der Tageseinrichtung lebenden Eltern nur gebrochen oder gar kein Deutsch sprechen und in den meisten Familien nur jeweils ein Elternteil die deutsche Sprache versteht.

 

Viele türkische Familien im Bereich des Nordbergs akzeptieren nach Aussage der Leiterin die deutsche Lebensweise immer noch nicht und distanzieren sich mehr oder weniger offen von dieser. Die Integrationsbemühungen der Tageseinrichtung werden bisher allenfalls von einem Drittel der türkischen Eltern unterstützt.

 

Nur rund 20% der im Umfeld der Tageseinrichtung lebenden Eltern haben ein eigenes Einkommen, der Großteil ist auf öffentliche Unterstützung angewiesen.

 

Bei der AWO werden zurzeit Überlegungen angestellt, die (1-Gruppen-) Tageseinrichtung Präsidentenstraße mit der in direkter Nachbarschaft gelegenen (2-Gruppen-) Tageseinrichtung August-Bebel-Straße als Familienzentrum am Standort August-Bebel-Straße zusammenzufassen. Der Schwerpunkt des Familienzentrum soll im Bereich Integration liegen.

 

Kindertageseinrichtung Springmäuse (Am Südhang)

 

Die Tageseinrichtung Springmäuse liegt am Rand der „City“ von Bergkamen. Die Einrichtungsleiterin beschreibt die Besucher ihrer Tageseinrichtung wie folgt:

 

·         massive Sprachprobleme durch einen erhöhten Migrantenanteil (davon 83% türkisch), niedriges Bildungsniveau

·         Sprachentwicklungsstörungen auch bei deutschen Kindern

·         fehlendes Regelverständnis

·         erhöhter Fernsehkonsum, intensive Nutzung von Spielkonsolen

·         mangelnde Bewegungsmöglichkeiten der Kinder im Elternhaus

·         Leben in Isolation

·         hoher Anteil alleinerziehende Elternteile und sozial schwacher Familien

 

Die beiden AWO-Einrichtungen, die sich gleichzeitig auch um Zulassung zum Zertifizierungsverfahren als Familienzentrum beworben haben, möchten mit zusätzlichem Personal vor allem folgende Maßnahmen durchführen bzw. absichern:

 

·         Maßnahmen im Bereich Ernährung, Beseitigung von Mangelernährungen, Aufklärung der Eltern in Ernährungsfragen

·         Kariesprophylaxe

·         Motorische Schulungen, Beseitigung von Haltungsdefiziten

·         Förderung von Kindern mit Entwicklungsverzögerungen: zeitlich begrenzte Einzelförderung, Förderung der Selbständigkeit, Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Frühförderstelle

·         Zusätzliche Sprachförderangebote

·         Intensivierung der Elternarbeit : Beratung der Eltern, Begleitung der Eltern zu Beratungsstellen, Durchführung von Elternschulungen und vermehrte Hausbesuche

·         Verstärkte Kooperation mit den sozialen Diensten des Jugendamts

 

 

3. Bewertung des Antrags aus Sicht des Jugendamts

 

Aus Sicht des Jugendamts ist der Antrag der AWO berechtigt. Beide Tageseinrichtungen liegen in Siedlungsbereichen mit hoher Bevölkerungsdichte und mit einem großen Anteil an Kindern und Jugendlichen. Die im Bereich nördlich der Hubert-Biernat-Straße lebenden rund 450 Kinder und Jugendliche bilden einen Anteil von 31% an der dortigen Gesamtbevölkerung, die rund 450 Kinder im südlichen Teil der City bilden einen Anteil von rund 23%. Die 340 Kinder, die nördlich der August-Bebel-Straße leben, stellen ei einen Anteil von rund 26% an der Gesamtbevölkerung dar. Der durchschnittliche Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung liegt in Bergkamen bei 19,0%.

 

Während im Bereich der Präsidentenstraße der hohe Ausländeranteil zu den vom Antragsteller beschrieben Problemlagen führt, ist für den Bereich der City die hohe Konzentration sozial schwacher Familien zu nennen. Der Bereich der City weist nach wie vor die höchsten Fallzahlen im Bereich ASD und Jugendgerichtshilfe auf. Mit rund 160 ASD/JGH-Fällen liegt der Bereich nördlich und südlich der Hubert-Biernat-Straße in der Jugendamtstatistik weit vor allen anderen Siedlungsbereichen. Mit 61 ASD/JGH – Fällen liegt der Bereich nördlich der August-Bebel-Straße auf Rang 4. Nach wie vor kommen viele der in stationären Einrichtungen untergebrachten Bergkamener Kinder aus dem Siedlungsbereich der City.

 

Die Tageseinrichtungen der AWO tragen seit vielen Jahren die Hauptlast der Integrationsarbeit vor allem in den Siedlungsbereichen Bergkamen-Mitte und Bergkamen-Weddinghofen. Sie waren die ersten Einrichtungen, die regelmäßig Maßnahmen zur Sprachförderung durchführten und zusammen mit der RAA auch im Bereich der Erwachsenenbildung in türkischen Familien tätig wurden (Rucksackprojekte).

 

Der hohe Ausländeranteil im Bereich der Präsidentenstraße sowie der hohe Anteil an sozial schwachen Familien im Bereich der City führen in den beiden Tageseinrichtungen der AWO nachvollziehbar zu erheblichen personellen Mehrbelastungen:

 

·         Eltern müssen aufwendiger und häufiger angesprochen werden

·         Bedarfsgerechte Stützungsangebote müssen entwickelt und durchgeführt werden

·         Kontakte zu Ärzten und Gesundheitsdiensten müssen angeregt und hergestellt werden

·         es gibt zusätzliche Kontakte/Gespräche mit dem Jugendamt in Krisensituationen und bei drohender Vernachlässigung

·         deutlich mehr Kinder müssen einzeln und intensiv gefördert werden, um ihnen eine Teilnahme am Kindergartenalltag zu ermöglichen

·         die gesundheitlichen und hygienischen Aufwendungen bei einzelnen Kindern sind deutlich höher

·         sprachliche Barrieren müssen – z.B. mit Hilfe von externen Kräften – durchbrochen werden

 

Das Jugendamt regt deshalb an, dem Antrag der Arbeiterwohlfahrt, Unterbezirk Unna zuzustimmen und die AWO Tageseinrichtungen „Krümelkiste“, Präsidentenstr. 67 und die Tageseinrichtung „Springmäuse“, Am Südhang 9 als „Einrichtungen im Sozialen Brennpunkt“ anzuerkennen und diesen Beschluss dem Landesjugendamt zur Genehmigung vorzulegen.

 

4. Finanzielle Auswirkungen

 

Sofern das Landesjugendamt der Einschätzung des Bergkamener Jugendhilfeausschusses folgt, erhält jeder der beiden AWO-Einrichtungen pro Kindergartenjahr einen zusätzlichen Zuschuss zu den Gesamtbetriebskosten in Höhe von 15.000 €. Abzüglich des Landesanteils von 36 % entstehen für die Stadt Bergkamen Mehrkosten in Höhe von rund 19.200 €.

 

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

1. Das Deckblatt

2. Die Sachdarstellung und der Beschlussvorschlag

3. 1 Anlage

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

 

Wenske

Beigeordneter

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Kriegs

Sachbearbeiter

 

 

 

 

Harder