Betreff
Konzeption der Sprachförderung in den städtischen Kindertageseinrichtungen in Bergkamen
Vorlage
9/0914
Aktenzeichen
kor-dö
Art
Beschlussvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss des Rates der Stadt Bergkamen nimmt die Konzeption der Sprachförderung in den städtischen Kindertageseinrichtungen in Bergkamen incl. der Anlagen 1 und 2 zur Kenntnis.

Sachdarstellung:

 

Konzeption der Sprachförderung in den städtischen

Kindertageseinrichtungen in Bergkamen

 

 

 

1. Einführung

 

 

1.1 Sprache und Verständigung

 

Sprache ist die wichtigste Form wechselseitigen Verständnisses zwischen Menschen. Mit anderen Worten: Sie ist das wichtigste Medium der Kommunikation.

 

Interkulturelle Erziehung und Sprachförderung gehören eng zusammen. Sprachförderung soll die sprachliche Kompetenz und die Mehrsprachigkeit fördern, positive Anregungen zur Identitätsbildung geben, Sprechfreude und Sprachrespekt vermitteln.

 

Die Sprachforschung im Kleinkindalter belegt, dass das Erlernen von Sprache (Erst- und Zweitsprache) so früh wie möglich beginnen sollte. Die erste optimale Phase zum Erlernen einer Sprache endet bereits nach dem dritten Lebensjahr, die zweite Phase dauert bis zur Pubertät.

 

Darüber hinaus besteht sprachwissenschaftlicher Konsens, dass es einem Kind leichter fällt, die Begriffe und Regeln einer Zweitsprache zu erlernen, je besser und differenzierter das Verständnis eines Kindes für den Aufbau der Erstsprache ausgeprägt ist.

 

 

1.2 Ausgangslage in Bergkamen

 

In Deutschland leben immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund. Für eine bessere Integration und eine größere Handlungsfähigkeit gerade dieser Gruppe ist die Aneignung von Deutschkenntnissen unumgänglich.

 

In der Stadt Bergkamen leben zz. ca. 52.000 Einwohner, davon haben ca. 11 % der Mitbürger einen ausländischen Pass. Der Anteil der Bergkamener Mitbürger mit Migrationshintergrund (d. h. mindestens ein Elternteil ist nichtdeutscher Herkunft und spricht eine andere Muttersprache als “Deutsch”) kann nicht bestimmt werden, liegt aber wesentlich höher. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund steigt weiter stetig an. Aktuell nehmen etwa 98 % sowohl der deutschen als auch der ausländischen Familien in Bergkamen den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz wahr.

 

In einzelnen Sozialräumen ist der Anteil von Familien nichtdeutscher Herkunft überdurchschnittlich hoch: In der städtischen Kindertageseinrichtung in Bergkamen-Overberge liegt der Migrantenanteil zz. bei 22 % und in Bergkamen-Mitte bei 23 %. Dagegen liegt in der städtischen Kindertageseinrichtung in Bergkamen-Oberaden der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund bei 35 %.

 

Hinzu kommt, dass bei einem Teil der deutschen Bevölkerung auf Grund von Bildungsbenachteiligung, kombiniert mit Defiziten im sozialen und emotionalen Bereich und so genannter “Medienverwahrlosung” die Sprachkenntnisse weiter abnehmen. Ein Teil der Kinder lernt Bücher erst in der Kindertageseinrichtung kennen.

 

Dies führt dazu, dass je nach Lage der städtischen Kindertageseinrichtung und Zusammensetzung der Gruppen zwischen 20 und 50 % der Kinder einen Sprachförderbedarf haben.

 

Die Folgen mangelnder Sprachfähigkeit können Menschen ein Leben lang behindern. Die Folgen deuten sich auf drastische Weise bei der Bildungsbenachteiligung eines Teils der Kinder aus Zuwandererfamilien an. Hier liegt der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss um ein vielfaches höher als bei Schülern mit Normalbiographie. Sprache ist die Voraussetzung zu einem gelingenden Start in die Schule, in die Ausbildung als auch für eine gelingende Integration in unsere Gesellschaft.

 

Seit 2003, mit der Aufnahme in die Bildungsvereinbarung NRW, soll die Sprachförderung explizit Bestandteil der Praxis in allen Kindertageseinrichtungen in NRW sein. Durch diesen Auftrag hat sich die Praxis der Sprachförderung jedoch qualitativ wenig verändert, wenn der Anteil von Zuwandererkindern in den Gruppen gering und somit über Drittmittel nicht förderungsfähig war.

 

In 2007 stellt nun die Landesregierung durch die verbindliche Einführung einer vorauseilenden Schulpflicht und der Einführung des Sprachstandsfeststellungsverfahrens “Delfin4” die Sprachförderung auf eine neue gesetzliche Grundlage. Hier wurde eine verbindliche Sprachförderung für alle bedürftigen Kinder, die zwei Jahre später die Grundschule besuchen, geschaffen.

 

Die Sprachförderkonzeption der städtischen Kindertageseinrichtungen in Bergkamen geht über diesen Ansatz hinaus. Sie berücksichtigt aktuell die Einschulungsjahrgänge 2007 und 2008, als auch den Einschulungsjahrgang 2009.

 

Eine gelingende Sprachförderung ist bereits mit der Aufnahme in der Kindertageseinrichtung notwendig, falls die Aufnahme im dritten Lebensjahr oder früher erfolgt. Nur so ist es möglich, die erste Phase des Spracherwerbs von Kindern noch zu nutzen. Weiter muss die ganzheitliche Sprachförderung die Familie der Kinder konzeptionell einbeziehen, Leseanreize schaffen und mögliche Behinderungen, wie bspw. Lese-Rechtschreib-Störungen, präventiv bearbeiten.

 

 

2. Sprachförderung in den städtischen Tageseinrichtungen

 

In den städtischen Kindertageseinrichtungen ist die ganzheitliche allgemeine Sprachförderung seit dem Kindergartenjahr 2006/2007 als fester Bestandteil in die Gesamtkonzeption integriert und wird nicht als isolierte Hilfe betrachtet. Die Grundlage für die pädagogische Arbeit bildet der “Situationsansatz”. Dieser Ansatz wird um wiederkehrende Rituale sowie gezielte Sprachförderung in Gruppen- und Einzelarbeit ergänzt. Die Wiederholung, Korrektur und Festigung des Erlernten erfolgt in der alltäglichen Arbeit in den Gruppen und unter Beteiligung der Eltern.

 

Ganzheitliche Sprachförderung bedeutet, dass entwicklungspsychologische und lerntheoretische Erkenntnisse über kindliche Lernprozesse ebenso berücksichtigt werden wie die verschiedenen Ebenen von Sprache und Kommunikation, als da sind:

 

·         das Sprachverständnis

·         die Artikulation (Lautbildung)

·         die rhythmisch-melodische Ebene (Sprachmelodie, Rhythmus, Betonung, Pausen)

·         der Wortschatz

·         die Grammatik und der Satzbau

·         die dialogische Kompetenz

·         die Gestik, Mimik und Körpersprache

 

Sprachförderung richtet sich an alle Kinder und orientiert sich an deren Lebenssituationen und Bedürfnissen. Sie knüpft an dem Sprachentwicklungsstand jedes einzelnen Kindes an und versucht, im Kind Interesse und Freude an Sprache zu wecken.

 

Ziel der Sprachförderung in der Tageseinrichtung sollte sein, dass möglichst alle Kinder bis zum Schuleintritt in der Lage sind, mit einem altersgemäßen Vokabular zu kommunizieren und grammatikalisch richtig und verständlich zu sprechen.

 

Um dies zu erreichen, beginnt die Sprachförderung in den städtischen Tageseinrichtungen an dem Tag, an dem das Kind mit seiner Familie zum ersten Mal in die Einrichtung kommt. Hier beginnt der Aufbau neuer Beziehungen und die Kommunikation mit den Erzieherinnen und mit anderen Kindern.

 

Die Bausteine der Sprachförderung in den städtischen Tageseinrichtungen sind:

 

·         allgemeine Sprachfördermaßnahmen

·         die Sprachstandsbeobachtung

·         die Sprachstandsfeststellung

·         differenzierte Sprachförderung in Kleingruppen

·         die Elternarbeit

·         die Evaluation

 

 

2.1 Allgemeine Sprachfördermaßnahmen

 

Kinder lernen Sprache, weil sie sich mitteilen, austauschen und etwas über ihr Umfeld und über die Welt erfahren wollen. Am Anfang jeder Sprachfördermaßnahme steht daher der Aufbau einer Beziehung zum Kind, die Unterstützung der Kontaktaufnahme der Kinder untereinander und das Wecken der Freude am Sprechen. Kinder erlernen und vertiefen ihre Sprachfähigkeit, indem sie in einen Dialog treten.

 

Kleine Kinder, aber auch Kinder, die erst am Anfang des Erlernens einer Zweitsprache stehen, setzen dabei oftmals nonverbale Ausdrucksmittel ein (Mimik, Gestik, Körpersprache). Der Blickkontakt eröffnet hier den Dialog. Unterstützt durch das aktive Zuhören bietet sich hier die Möglichkeit den wechselseitigen Dialog zu fördern. Die äußeren Bedingungen, wie die verschieden gestalteten Spielbereiche und das Angebot der unterschiedlichsten Materialien, bieten vielfältige Sprechanlässe.        

 

 

2.1.1 Gezielte Sprachförderung in Alltagssituationen

 

Sprache ist Bestandteil aller alltäglichen Abläufe in der Tageseinrichtung. Der zum Teil ritualisierte Tagesablauf (z. B. Begrüßung, Frühstück oder auch Sitzkreis) bietet den Kindern die Erweiterung ihrer Sprachkompetenz, indem sie neue Wörter und Satzmuster immer wieder hören und selbst anzuwenden lernen.

 

Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist der Einsatz von Büchern, Bilderbuchbetrachtungen, Umgang mit Geschichten (hören und selbst erzählen) sowie der Umgang mit Buchstaben und anderen Symbolen. Insbesondere für Kinder aus “lesefernen” Familien übernimmt die Tageseinrichtung die wichtige Aufgabe, den Kindern “Literacy-Erfahrungen” nahe zu bringen.

 

Literacy = Kindliche Erfahrungen, Interessen und Kompetenzen rund um Buch-, Erzähl-, Reim- und Schriftkultur.

 

2.1.2 Lesepaten

 

Die städt. TEK erhält Unterstützung durch so genannte “Lesepaten”, die in einem landesweiten Projekt ausgebildet wurden, um drei- bis sechsjährigen Kindern vorzulesen und Bilderbuchbetrachtungen in Kleingruppen durchzuführen. Dies findet in der Regel einmal pro Woche statt .

 

Weiter wird der Einsatz von muttersprachlichen Lesepaten, die den Kindern mit Migrationshintergrund in ihrer Erstsprache vorlesen können, als Bestandteil des Konzeptes angestrebt.

 

 

3. Differenzierte Sprachförderung in Kleingruppen

 

 

3.1 Sprachstandsmessung

 

Bevor mit der gezielten individuellen Sprachförderung begonnen wird, muss der Sprachstand eines jeden Kindes ermittelt werden. Diese Sprachstandsmessung erfolgt durch Beobachtungen und/oder Testverfahren. Die in den städtischen Tageseinrichtungen für Kinder bisher verwandten Testverfahren “seldak” und “sismik” haben sich bei der Sprachstandsmessung gut bewährt.

 

Bei “seldak” und “sismik” handelt es sich um evaluierte Beobachtungsbögen zur Sprachstandserhebung von drei- bis sechsjährigen Kindern. Beide Verfahren beinhalten nach entsprechender Auswertung Hinweise und Empfehlungen zur weitergehenden Sprachförderung.

 

SELDAK = Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern

 

SISMIK = Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen

 

 

3.1.1 seldak

 

Im “seldak” - Beobachtungsbogen werden Sprachvermögen und Literacy beobachtet und klassifiziert. Dieses Verfahren ist für Kinder, die mit der Erstsprache und Muttersprache Deutsch aufwachsen, geeignet.

 

 

3.1.2 sismik

 

Der “sismik” - Beobachtungsbogen ist bei Kindern anzuwenden, deren Familien aus einem anderen Sprach- und Kulturkreis nach Deutschland gekommen sind und deren Erstsprache (Muttersprache bzw. Familiensprache) nicht Deutsch ist.

 

 

3.1.3 Sonstige bewährte Verfahren

 

Mit dem Gelsenkirchener Entwicklungsbegleiter wird der Entwicklungsstand von Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren in den Bereichen Sprache, kognitive Entwicklung, soziale Kompetenz sowie Grob- und Feinmotorik überprüft und dokumentiert.

 

11 Monate vor der Einschulung können Kinder mit Hilfe des “Bielefelder Screenings” (Bisc) auf eine Lese - Rechtschreibschwäche getestet werden.

 

 

3.1.4 Sprachstandsfeststellung “Delfin4” durch Kindertageseinrichtung und Grundschule

 

Ab 2007 ist für alle vierjährigen Kinder – unabhängig, ob sie eine Kindertageseinrichtung besuchen oder nicht - durch die Grundschule in Kooperation mit der Tageseinrichtung eine Sprachfeststellung verbindlich. Hierbei wird das Sprachstandsfeststellungsverfahren “Delfin 4” angewandt. In der ersten Stufe werden hier alle Kinder auf ihren Sprachstand getestet. Bei der Bewertung der Ergebnisse durch Schule und Kindertageseinrichtung ist das Testergebnis als auch die in der Tageseinrichtung verwandten Verfahren “sismik”- und “seldak”-Verfahren anzuwenden. Die Kinder, die über nicht ausreichende Sprachkenntnisse verfügen oder die nicht getestet werden können, werden durch die Grundschule einem zweiten Testverfahren unterzogen.

Die Kindertageseinrichtungen sind verpflichtet für alle Kinder ihrer Einrichtung, bei denen ein Sprachförderbedarf festgestellt wird, ab dem folgenden Kindergartenjahr Sprachfördermaßnahmen durchzuführen. Die städtischen Kindertageseinrichtungen sind hierauf vorbereitet. Familienzentren haben den weitergehenden Auftrag, Sprachförderung darüber hinaus auch für Kinder anzubieten, die keine Kindertageseinrichtung besuchen.

 

Ein halbes Jahr vor dem Schulbesuch der Kinder wird wie bisher auch eine weitere Sprachstandsfeststellung durch die Grundschulen durchgeführt.

 

 

3.2 Sprachförderung in städtischen Tageseinrichtungen

 

Kinder mit Sprachförderbedarf werden unabhängig von ihrem Einschulungstermin in Kleingruppen, die sich durch einen möglichst homogenen Sprachstand auszeichnen, zusammengefasst und mit sog. “Spracherwerbseinheiten” (SE) systematisch gefördert.

 

Die Inhalte der SE orientieren sich nah am Sprachstand der Kinder und befassen sich mit Themen und Wortfeldern, die sich vom Kind aus zur Umwelt hin weiterentwickeln (eigener Körper, Ernährung, Familie, Stadtteil, etc.)

 

Diese SE werden von den Erzieherinnen in Anlehnung an entsprechend evaluierte Programme erarbeitet. Systematisch wird der Wortschatz erschlossen und erweitert. Eine enge Vernetzung zwischen den Inhalten und Themen der SE mit dem jeweiligen Gruppenalltag und Gruppenthema ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Sprachförderung.

 

 

3.2.1 Struktur und Organisation der Spracherwerbseinheit:

 

Die SE finden i. d. R. zweimal, maximal dreimal pro Woche statt. Teilnehmen können im Durchschnitt ca. 3 bis 6 Kinder. Die Dauer der SE beträgt ca. 20 bis 25 Minuten. Die SE sollten in ungestörter Atmosphäre und deshalb möglichst nicht innerhalb des Gruppenraums stattfinden. Die Gruppe sollte Kinder mit annähernd gleichem Sprachentwicklungsstand zusammenführen und sollte auch möglichst homogen im Hinblick auf das Alter und nach den Interessen der Kinder sein. Die teilnehmenden Kinder sollen nicht von den anderen Gruppenaktivitäten ausgeschlossen werden.

Bei der Durchführung der SE werden evaluierte Sprachfördermittel eingesetzt, wie z. B. :

                       
Roger Loos “Praxisbuch Spracherwerb” Band 1+2,

Elke Schlösser “Wir verstehen uns gut”,

Maria Monschein “Spiele zur Sprachförderung” Band1+2,

Lern- und Spielmappe für Vorschulkinder,

Sprachförderung “Kreative Ideen für den Kindergarten”.

 

Die Universität Dortmund entwickelt zz. für das Land NRW im Rahmen von “Delfin4” einzelne Bausteine zur Praxis der Sprachförderung und Elternarbeit. Diese werden voraussichtlich im August 2008 vorliegen und sicherlich Eingang in der Sprachförderpraxis der städt. Kindertageseinrichtungen finden.

 

Aufbau der Sprachfördereinheiten

 

Mit einer Handpuppe werden die Kinder in den “Sprachraum” geleitet. Dieses Spielzeug begleitet sie durch die Fördereinheit. Die Kinder erhalten einen Hefter mit Arbeitsblättern zum jeweiligen Sprachförderstand und dem aktuellen Grundwortschatz. Ihre Anwesenheit wird in einem so genannten “Lernpass” dokumentiert.

 

Die Inhalte der Spracherwerbseinheiten werden im Alltag der Kindertageseinrichtung wiederholt.

 

Durchführende Personen sind die Gruppenleiterin bzw. die Zweitkraft. Die Spracherwerbseinheiten zeichnen sich durch strukturellen und inhaltlichen Aufbau aus. Ausführliche Planung, die regelmäßige Durchführung und eine zuverlässig stattfindende Nachbereitung sind wichtige Voraussetzungen.

 

Sprachförderung erfordert – zusätzlich zur Durchführung - einen hohen Zeitaufwand. Zz. erhalten die städt. TEK keine Unterstützung durch zusätzliche Kräfte (z. B. Honorarkräfte) sowie keine Drittmittelunterstützung (Land NRW). Die Sprachförderangebote werden durch die Umorganisation der täglichen Arbeit in den Einrichtungen ermöglicht.

 

Perspektivisch wird eine Drittmittelförderung angestrebt, um sowohl eine Entlastung der Erzieherinnen für die Vorbereitung, die Durchführung und die Nachbereitung der Sprachförderung zu ermöglichen als auch über zusätzliche Kräfte interkulturelles Lernen in der TEK stärker als zz. möglich zu etablieren. Organisatorisch wird eine zusätzliche Betreuung in den Gruppen durch eine zusätzliche Kraft angestrebt.

 

Für Kinder, die einen nach “Delfin4” ermittelten Förderbedarf haben, werden ab August 2007 340,00 € pro Kind und Jahr zur Verfügung stehen.

 

Darüber hinaus soll ein “Patensystem” für die Gruppen mit interessierten Eltern aufgebaut werden. Hier soll neben dem Baustein Sprachförderung auch interkulturelles Lernen in den städt. Kindertageseinrichtungen unterstützt werden. Hier wird eine Zusammenarbeit mit der VHS Bergkamen und eine Co-Finanzierung aus ESF-Mittel angestrebt.

 

 

4. Zusammenarbeit mit Eltern

 

4.1 Gespräch bei der Anmeldung des Kindes

 

In der Praxis der Sprachförderung sind die Eltern die wichtigsten Bündnispartner, um Lern- und Erfahrungsprozesse von Kindern entsprechend fördern zu können. Um dies in der Kindertageseinrichtung fortzusetzen, ist die regelmäßige Zusammenarbeit mit den Eltern notwendig. Sie ist ein integraler Bestandteil der Sprachförderung. Darüber hinaus können Eltern den Erzieherinnen Informationen zur familiären Situation geben, mitteilen, was ihnen in der Erziehung ihres Kindes wichtig ist und wie das Sprachumfeld gestaltet ist.

 

Bei der Anmeldung in der Tageseinrichtung werden die Eltern über das Sprachförderkonzept in der Einrichtung informiert. Genaue Informationen über das Sprachförderkonzept helfen Eltern, die Ziele und Aktivitäten der Erzieherinnen zu verstehen und einzuordnen.

 

Um wichtige Erkenntnisse über die Sprachsituation eines Kindes zu bekommen, wird bereits bei der Anmeldung in einem behutsamen Gespräch mit den Eltern erfragt, ob die Kommunikation mit dem Kind zu Hause selbstverständlich ist, ob das Umfeld spracharm ist und welche Sprache die Familiensprache ist. Hinterfragt wird:

 

·         Wie ist der Spracherwerb des Kindes bisher verlaufen?

·         Spricht das Kind in ganzen Sätzen?

·         Bildet das Kind Anlaute (Sch, Sp, St, G, K)

·         Ist das Kind kommunikativ, teilt es sich mit?

·         Spricht das Kind viel, berichtet es von Erlebnissen?

·         Welche Sprache wird innerhalb der Familie gesprochen?

 

Hierbei wird den Eltern dargelegt, warum sich die Kindertageseinrichtung für die Sprachgewohnheiten der Familie interessiert. Hier vermitteln die Erzieherinnen die Wertschätzung für die familiäre Erstsprache und weisen auf deren hohe Bedeutung für die weitere Entwicklung des Kindes hin.

 

Wird innerhalb der Familie kein deutsch gesprochen, obwohl mindestens ein Elternteil die deutsche Sprache beherrscht, wird dargelegt, wie wichtig es ist, dem Kind Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln und Zweisprachigkeit einzuführen.

 

Zusätzlich wird der Einsatz von Beobachtungsbögen, die u. a. auch die Sprachentwicklung des Kindes im Laufe der Kindergartenzeit dokumentiert, hingewiesen, da diese Entwicklungsbögen eine wichtige Grundlage der weiteren Kooperation mit den Eltern darstellen.

 

Weiterhin werden die Eltern über die gezielte Sprachförderung, die sowohl in Alltagssituationen als auch in Kleingruppen stattfindet, informiert.

 

 

4.2 Gespräch bei der Aufnahme des Kindes

 

Bei der Aufnahme werden die im Anmeldegespräch erhaltenen Informationen zur Sprachentwicklung und der Förderung des Kindes in der Familie vertieft und weiter differenziert. Die benötigen Detailinformationen zum Kommunikationshintergrund in der Familie gliedern sich in die Bereiche:

 

·         Hat sich die Sprachentwicklung des Kindes seit der Anmeldung verändert?

·         Gibt es Auffälligkeiten oder Beeinträchtigungen?

·         Welche Rolle spielt Sprache in der Familie?

·         Welche Spiele spielt das Kind zu Hause?

·         Mit welchen Dingen beschäftigt es sich gerne?

·         Werden Geschichten und Bilderbücher vorgelesen?

·         Sieht das Kind fern? Spielt es PC-Spiele? Wenn ja, in welchem Umfang?

·         In welcher Sprache bzw. in welchen Sprachen wird nun seit Anmeldung überwiegend mit dem Kind kommuniziert? Kann es sich gut verständigen?

 

 

4.3 Elterninformationen und Selbstverpflichtung der Eltern

 

In Einzelgesprächen, insbesondere an den regelmäßigen Elternsprechtagen, werden den Eltern die Beobachtungsbögen zur Sprachentwicklung detailliert erläutert. Die Eltern sollen wissen, dass die Erhebungsbögen zur Sprachstandsmessung zu einer aufmerksamen Begleitung von Sprachentwicklungsprozessen gehören.

Gegenseitige Wertschätzung sowie Transparenz der Arbeit kann sich gut in einer praxisbezogenen Kooperation entwickeln. So können selbstverständlich auch Eltern mit Migrationshintergrund eingeladen werden, sich bspw. an einem Vorleseprojekt in der Einrichtung zu beteiligen. Eltern und Erzieherinnen lesen hierbei abwechselnd Geschichten in Deutsch und einer anderen Muttersprache vor. Das weckt bei allen Beteiligten die Bereitschaft, sich mit der eigenen sowie auch der anderen Sprache auseinanderzusetzen. Weiter werden die Eltern durch die Erzieherinnen angeregt ritualisiertes Vorlesen, regelmäßige Spielsequenzen und ausgiebige Kommunikation mit ihren Kindern in ihren Familienalltag einzubauen.

 

4.4 Mitarbeit der Eltern

 

Die Eltern werden über den Prozess des Spracherwerbs von Kindern und insbesondere von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache umfassend informiert. Weiter werden die Eltern regelmäßig über die Sprachentwicklung ihres Kindes unterrichtet.

 

Die Erzieherinnen geben den Eltern darüber hinaus konkrete Anregungen für eine sprachliche Förderung zu Hause. Die Eltern werden über persönliche (“Haus”-) Aufgaben in die Vertiefung des Gelernten mittels einer so genannten “Sprachmappe” in die Sprachförderung ihres Kindes einbezogen.

Die Eltern wiederum verpflichten sich ihr Kind regelmäßig an der Sprachförderung teilnehmen zu lassen. Zu diesem Zweck wird ein Kontrakt geschlossen, indem die regelmäßige Teilnahme des Kindes an der Sprachfördergruppe mit den Eltern vereinbart wird. Hier verpflichten sich die Eltern weiter, das Erlernte im Rahmen ihrer Möglichkeiten im häuslichen Bereich fortzuführen und abzusichern. Hierdurch soll den Eltern u. a. verdeutlicht werden, wie wichtig ihre persönliche Mitarbeit zur Verbesserung der Sprachentwicklung ihres Kindes ist.

 

4.5 Besondere Angebote für Migranteneltern

 

Kindern fällt es leichter, die Begriffe und Regeln einer Zweitsprache zu erlernen, je besser und differenzierter ihr Verständnis für den Aufbau ihrer Muttersprache ausgeprägt ist.

 

Migranteneltern wird deshalb in den städtischen Tageseinrichtungen nicht nur die Möglichkeit zum Besuch von Deutschkursen angeraten, sondern auch die Möglichkeit zur Verbesserung ihres Sprachverständnisses in ihrer Ursprungssprache, kombiniert mit Handreichungen zu Normen, Werten, Hilfen zur Erziehung und Umgangsregeln in unserer Einwanderungsgesellschaft gegeben. Die so genannten “Rucksackprojekte” der RAA zeigen hier einen viel versprechenden Weg. Sie sollen bei Bedarf durchgeführt werden.

 

Verschiedene Institutionen in Bergkamen bieten Sprachkurse für Erwachsene an:

 

AWO Migrationsdienst,                         Präsidentenstr., Fr. Grieger und Herr Hausmann

REVAG                        Rotherbachstr., Kontakt über Herrn Herr Mattwig

Volkshochschule Bergkamen,                         Lessingstr., Fr. Ostrowski und Herr Duscha

 

In der Nachbarstadt Lünen ist das “Multikulturelle Forum” der größte Anbieter von Sprach- und Integrationskursen. Das “Multikulturelle Forum” hat aktuell eine Nebenstelle in Bergkamen auf der Präsidentenstr. eröffnet. Es ist zu erwarten, dass hier das Kursangebot perspektivisch weiter ausgebaut wird und somit für Bergkamener Bürger leichter nutzbar ist.

 

 

5. Zusammenarbeit mit den Schulen

 

Tageseinrichtung und Grundschule arbeiten in der Regel eng zusammen. Um einen bestmöglichen Schulstart für das Kind zu sichern, ist es im Rahmen des Übergangs zwischen Tageseinrichtung und Grundschule wichtig, dass die Tageseinrichtung Informationen über das Kind an die Grundschule weiterleitet. Dies geschieht sowohl im schriftlichen als auch verbalen Austausch. Dies ist Bestandteil der Bildungsvereinbarung NRW.

 

Schule und Tageseinrichtung gestalten bereits jetzt gemeinsam die verpflichtend durchzuführenden Informationsveranstaltungen für Eltern, deren Kinder in zwei Jahren eingeschult werden, um frühzeitig über allgemeine und besondere Fördermaßnahmen der Kindertageseinrichtungen zu informieren. Die Förderung der Sprachkompetenz der Kinder im Kindergartenalter erhält hierbei zunehmend ein besonderes Gewicht.

 

Die Feststellung des Sprachstandes von Kindern im vierten Lebensjahr nach “Delfin4” in der Kindertageseinrichtung wird in NRW erstmals vor und nach Ostern 2007 durchgeführt. Hier soll die Grundschule in Zusammenarbeit mit der Kindertageseinrichtung den Sprachstand eines Kindes ermitteln. Die Kindertageseinrichtung wird ab August d. J. im Anschluss die Sprachförderung für die Kinder mit Sprachförderbedarf, wenn diese die Tageseinrichtung besuchen, durchführen. Die Notwendigkeit der Kooperation zwischen Kindertageseinrichtung und Schule wird sich zunehmend enger gestalten müssen.

 

Das Konzept der städt. Kindertageseinrichtungen in Bergkamen geht über diesen Ansatz des Landes NRW hinaus, da hier die gezielte Sprachförderung frühzeitig, bereits bei der Aufnahme in die TEK, in der Regel im dritten Lebensjahr der Kinder, einsetzt. Hierdurch erhalten Kinder mit Sprachförderbedarf i. d. R. drei Jahre Sprachförderung. Die Regelung des Landes sieht hierfür max. 2 Jahre vor.

 

Durch das Konzept der städt. TEK erhalten sowohl bildungsferne deutsche Kinder als auch Kinder aus Migrantenfamilien eine Förderung. Hierdurch haben diese Kinder bessere Startchancen, indem sie Sprachförderung vor dem ersten Ende des Spracherwerbprozesses im dritten Lebensjahr erhalten. Weiter beinhaltet das Konzept der Stadt Bergkamen weitergehende Förderung (s. o.)

 

 

6. Qualifizierung der Erzieherin

 

Damit Sprachförderung dauerhaft in den pädagogischen Alltag der Tageseinrichtung verankert werden kann, bildet sich das pädagogische Personal kontinuierlich durch Fortbildungen weiter. Die Beschäftigten aus den städtischen Tageseinrichtungen haben bisher an folgenden Fortbildungen teilgenommen:

 

·         “Bisc” - Ausbildung zur Testung von Kindern auf eine Lese-Rechtschreibschwäche

·         “Sismik” – Ein Beobachtungsverfahren zur Sprachstandserhebung von Migrantenkindern

·         “Hokus Lotus” -  Sprachförderprogramm: Wie kleine Kinder eine zweite Sprache lernen

·         “Hören – Lauschen – Lernen”, Würzburger Förderprogramm

·         Lesepatenausbildung

·         “Delfin4”

·         “Rucksackprojekt”

·         Diverse einzelne Fortbildungen zur (spielerischen) Sprachförderung

 

 

7. Vernetzung

 

In den Bereichen Sprachförderung und interkultureller Erziehung sind weitere Institutionen tätig. Diese Träger arbeiten mit den städt. Kindertageseinrichtungen vernetzt. In Kooperation, z. B. mit Logopäden oder der RAA (Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien), finden Elternabende statt, um deren Ansätze vorzustellen und Grundlagenarbeit zu leisten. Interkulturelles Lernen in multiethnischen Spielgruppen, Elternbildungsprojekte oder auch so genannte “Rucksackprojekte” für Migrantenfamilien werden angestrebt.

 

Die RAA verfügt neben Fachkenntnis zum interkulturellen Lernen über Elternbroschüren zum Thema “Wie lernen Kinder Sprachen?” in verschiedenen Sprachen wie Türkisch, Russisch und Deutsch. Weitere Sprachen werden über anderes Informationsmaterial abgedeckt.

In diesen Broschüren werden den Eltern Informationen gegeben, wie sie persönlich die sprachlichen Fähigkeiten ihres Kindes im Alltag fördern können, auch wenn sie als Eltern u. U. selbst nur wenig Deutsch verstehen und sprechen. Diese Materialien werden durch die Kindertageseinrichtungen gezielt an Eltern weitergegeben und mit ihnen aufgearbeitet.

 

Mit Fortbildungsangeboten unterstützt die RAA die Arbeit der Bildungsinstitutionen, besonders im Bereich der Sprachförderung und Elternbildung. Hierauf greifen die städt. Kindertageseinrichtungen regelmäßig zurück. Ziel ist es, dass alle Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen der Stadt Bergkamen den gleichen Kenntnisstand in den Methoden der Sprachförderung und des interkulturellen Lernens haben und vernetzt mit der RAA als auch anderen Anbietern zusammenarbeiten.

 

 

8. Qualität sichern durch Dokumentation und Evaluation

 

Die städtischen Tageseinrichtungen für Kinder entwickeln grundsätzlich Qualitätskriterien für die verschiedenen Entwicklungs- und Bildungsbereiche. Diese Qualitätskriterien werden im Qualitätshandbuch der städtischen Kindertageseinrichtungen von Bergkamen verankert.

 

Sprachförderung ist für die städtischen Kindertageseinrichtungen ein Qualitätskriterium mit verbindlichen Zielen für die tägliche Arbeit. Sie wird nach standardisierten Verfahren durchgeführt, dokumentiert und in regelmäßigen Abständen evaluiert.

 

Eine regelmäßige Dokumentation und Evaluation ist Bestandteil des Konzeptes, um zu überprüfen, in welchen Bereichen das Sprachförderkonzept verändert und überarbeitet werden muss.

 

Die Sprachstandsfeststellung, die Sprachförderung, die Beobachtung und die Dokumentation der Sprachentwicklung dienen neben der Überprüfung des sprachlichen Fortschritts des Kindes auch der Überprüfung der Angemessenheit der Methode(n) und der eingesetzten Materialien. Weiter gelten sie als Grundlage für Elterngespräche, als Hilfsmittel bei der u. U. notwendigen Kooperation mit der Jugendhilfe, der Frühförderung, der Logopädie und Sprachheilkunde, der Erziehungsberatungsstelle oder der Kooperation mit der Schule.

 

Die Spracherwerbseinheiten und der Lernfortschritt der Kinder sowie ggf. der besondere Förderbedarf durch Dritte werden dokumentiert. Diese Dokumentation bildet eine weitere Grundlage für die Elternarbeit und die Zusammenarbeit mit der Grundschule, sowohl bei der Sprachstandsfeststellung im vierten Lebensjahr, als auch für die Kooperation im Übergang des Kindes von der Kindertageseinrichtung in die Grundschule.

 

 

 

Bestandteile dieser Vorlage sind:

 

1. Das Deckblatt

2. Die Sachdarstellung und der Beschlussvorschlag

3. Anlage 1 und 2

 

Der Bürgermeister

In Vertretung

 

 

 

 

Wenske

 

 

Amtsleiter

 

 

 

 

Kriegs

Sachbearbeiter

 

 

 

 

Kortendiek