Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Bergkamen beauftragt die Verwaltung, mit dem Kreis Unna die in der Anlage beigefügte, dem neuen Europarecht Rechnung tragende Refinanzierungsvereinbarung abzuschließen, da sich durch die Neuregelung keine Verschlechterung für die Stadt Bergkamen ergibt.
Sachdarstellung:
Ausgangslage
Der Kreis Unna ist gemäß § 3
Absatz 1 des Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr in
Nordrhein-Westfalen (ÖPNVG NRW) in seinem Gebiet als Aufgabenträger zuständig
für die Planung, Organisation und Ausgestaltung des Öffentlichen
Personennahverkehrs (ÖPNV).
Der ÖPNV ist eine Aufgabe der
Daseinsvorsorge; allgemeiner Grundsatz der Sicherstellung dieser Aufgabe ist
dabei insbesondere, eine angemessene Bedienung der Bevölkerung durch den ÖPNV
zu gewährleisten (vgl. § 2 Absatz 3 Satz 1 ÖPNVG NRW). Der Kreis Unna erfüllt
diese Aufgabe im wesentlichen über die Verkehrsgesellschaft Kreis Unna mbH
(VKU), an der er neben 8 kreisangehörigen Kommunen und der Westfälischen
Verkehrsgesellschaft mbH beteiligt ist.
Bisher erfolgte die Finanzierung
der VKU auf der Grundlage folgender Vereinbarungen:
1. Vereinbarung
zwischen dem Kreis Unna und den Städten Bergkamen, Kamen, Lünen, Unna, Werne
sowie den Gemeinden Bönen und Holzwickede vom 03.12.1993 über die Abdeckung des
Jahresfehlbetrages und die kostendeckende Abrechnung des Schülerlinienverkehrs
2. Vereinbarung zwischen dem Kreis
Unna, den Städten Lünen, Werne und Selm und der VKU über die Finanzierung des
bisher von der Regionalverkehr Münsterland GmbH (RVM) im Kreis Unna
durchgeführten Linienverkehrs vom 16.09.1999
3. Verträge über die Durchführung eines
Ortslinienverkehrs zwischen der Stadt Werne/Selm und der VKU
4. Vereinbarung zwischen dem Kreis Unna und der Stadt Schwerte über die Mitfinanzierung des ab dem 10.01.2005 von der VKU in Schwerte durchgeführten Linienverkehrs durch die Stadt Schwerte
Auf europäischer Ebene regelt derzeit die Verordnung (EWG) 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs die Durchführung des öffentlichen Nahverkehrs.
In Deutschland geht es vor allem um die Frage, inwieweit die Finanzierung des ÖPNV über öffentliche Mittel, die direkt und ohne Rechtsanspruch an bestimmte Unternehmen gezahlt werden, gegen die EU-VO 1191/69 verstößt. Ausgelöst durch einen Streit um Linienkonzessionen in der Altmark erging am 24.07.2003 das sog. Altmark-Urteil (Rs. C-280/00) des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Demnach ist die ÖPNV-Finanzierung umzustrukturieren mit dem Ziel, diese wettbewerbsneutral, transparent und effizient zu gestalten.
Nach den Feststellungen des Urteils sind Zahlungen an öffentliche Verkehrsunternehmen keine Beihilfen, wenn kummulativ vier Kriterien erfüllt sind:
- Begünstigtes
Unternehmen muss mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlichen
Verpflichtungen betraut sein und der Zuschuss dient nur dem
Ausgleich dieser Verpflichtungen.
- Die Parameter
anhand derer der Ausgleich berechnet wird, sind zuvor objektiv und transparent
aufzustellen.
- Verbot
der Überkompensation, d.h. die Ausgleichszahlungen dürfen nicht über
das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der gemeinwirtschaftlichen
Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken. Erzielte Einnahmen und ein
angemessener Gewinn zur Abdeckung des unternehmerischen Wagnisses sind
dabei zu berücksichtigen.
- Kostenmaßstab ist ein durchschnittliches Unternehmen, d.h. die Höhe des erforderlichen Ausgleichs ist auf Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes und angemessen mit Transportmitteln ausgestattetes Untenehmen geltend machen könnte (Begrenzung der Kostenübernahme).
Vor diesem neuen rechtlichen Hintergrund war die bisherige Finanzierung der VKU zu überprüfen. Eine von der VKU in Auftrag gegebene Prüfung der Beihilferechtsrelevanz der Zuschüsse durch den Gutachter BbA - Dr. Bruns & Fetzer Unternehmensberatung GmbH hat folgendes ergeben:
Die VKU erfüllt die o.g. vier Kriterien unter der Voraussetzung eines strengen Restrukturierungskonzeptes. Das Restrukturierungskonzept wurde vom Aufsichtsrat der VKU beschlossen und basiert auf der Unternehmensvereinbarung in der u.a. ein neuer Tarif (Spartentarif) und im Gegenzug der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vereinbart worden sind.
Weiterhin ist es zur Sicherstellung einer beihilferechtlich unbedenklichen ÖPNV-Finanzierung notwendig, die vorhandenen Finanzierungsstrukturen auf eine neue Grundlage zu stellen, die den formalen Anforderungen des EuGH-Urteils entspricht.
Dies soll mit dem Abschluss einer sog. Betrauungsregelung zwischen dem Kreis Unna und der VKU erfolgen. Der Kreis hat außerdem im Innenverhältnis mit den beteiligten Kommunen die Verteilung der Finanzlasten neu zu regeln; hierzu ist der Abschluss einer Refinanzierungsvereinbarung vorgesehen.
Betrauungsregelung
Die Betrauungsregelung ist ein formales Regelungswerk, welches nach außen dokumentiert, dass die Finanzierung der VKU durch den Kreis Unna beihilfe- und vergaberechtskonform durchgeführt wird. Im Innenverhältnis zwischen VKU, Kommunen und Kreis sollen materiell keine Änderungen gegenüber der bisherigen Finanzierung vorgenommen werden.
Inhaltlich ist von Bedeutung, dass der Kreis Unna die VKU mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im ÖPNV betraut, wobei die von der VKU zu erbringenden Leistungen und die dazu notwendige Finanzierung durch den Kreis als Aufgabenträger vorab definiert werden.
In die Betrauungsregelung werden die Finanzierungsbeiträge aller Nahverkehrsplan-relevanten Verkehre der VKU aufgenommen und damit diese Finanzierungsströme gebündelt. Hierunter fallen:
- Verlustübernahme (Defizitausgleich)
- Verlustausgleich nach Methode § 45a (Schülerlinienverkehr)
- Kostendeckung Regionalverkehre (Lünen, Selm und Werne)
- Kostendeckung Ortsverkehre (Selm und Werne)
- Kostendeckung Neuverkehre (Schwerte)
Konkret wird vorab ein “Ausgleichssatz pro Km” definiert. Ändern sich die zuvor festgelegten Parameter gravierend, wie z.B. die Treibstoffkosten oder die Landeszuschüsse für den ÖPNV, ist eine entsprechende Regelung enthalten, wonach sich die Beteiligten ggf. über eine Anpassung der Finanzierungsbeiträge verständigen werden.
Hiervon ausgenommen ist das sogenannte “Einnahmerisiko” der VKU. Wenn die vorher definierten Fahrgeldeinnahmen der VKU unter einem Garantiebetrag liegen, trägt die VKU das diesbezügliche Risiko und muss diese Defizite selbst kompensieren. Dem gegenüber muss die VKU etwaige Gewinne über dem definierten Garantiebetrag verrechnen bzw. weiterleiten .
Vor diesem Hintergrund gibt es im Ausgleichsbetrag einen Risikoaufschlag, welcher aber nicht zu Gewinnen bei der VKU führt, da durch die letztendliche Spitzabrechnung gesichert ist, dass die VKU nur ihre tatsächlichen Kosten finanziert bekommt.
Eine dbzgl. Beschlussfassung im Kreistag des Kreises Unna und der entsprechende Abschluss dieser Vereinbarung kann erst erfolgen, wenn alle beteiligten Gemeinden der Refinanzierungsvereinbarung zugestimmt haben. Die Betrauungsregelung soll rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft treten. (s. Anlage 1)
Refinanzierungsvereinbarung
Die Refinanzierungsvereinbarung regelt im Innenverhältnis die Finanzverteilung zwischen dem Kreis und den beteiligten Kommunen.
Die zukünftigen Defizit- bzw. Kostenberechnungen im Rahmen der Refinanzierungsvereinbarung werden nach den o.g. bisherigen Vereinbarungen durchgeführt. Materiell bleibt also die bisher praktizierte Finanzverteilung zwischen dem Kreis und den Partnern unverändert.
Unter der Voraussetzung, dass alle Vertretungen der beteiligten Gemeinden dem Abschluss der Refinanzierungsvereinbarung zustimmen, kann auch diese nach einer entsprechenden Beschlussfassung im Kreistag rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft treten. (s. Anlage 2)
Bestandteile dieser Vorlage
sind:
1. Das Deckblatt
2. Die Sachdarstellung und der Beschlussvorschlag
3. 2 Anlagen
Der Bürgermeister In Vertretung Dr.-Ing. Peters Techn. Beigeordneter |
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Amtsleiter Styrie |
Sachbearbeiter Freimund |
Sichtvermerk StA 20 Mölle |