Beschluss: Kenntnisnahme

Beschluss:

 

Der Betriebsausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 


Der Betriebsleiter des SEB Herr Ulrich teilt den aktuellen Sachstand zu der Entscheidung des OVG Münster und den Folgen für die Gebührenkalkulationen im Abwasserbereich mit. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat mit seinem Urteil (Az.: 9 A 1090/20) seine seit 28 Jahre geltende, ständige Rechtsprechung zur kalkulatorischen Abschreibung und Verzinsung von langlebigen Anlagegütern im Rahmen der Kalkulation von Benutzungsgebühren teilweise aufgegeben und geändert. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil gegen das Urteil eine Nicht-Zulassungsbeschwerde (Az.: 9 B 15.22) beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eingereicht wurde.

 

Die Landesregierung hat aktuell einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 6 Kommunalabgabengesetz (KAG NRW) in den Landtag eingebracht und die Plenarwoche bzw. Beratung wird am 7. bis 9. Dezember stattfinden. Herr Ulrich erläutert weiter, dass der Gesetzentwurf die größten Probleme der OVG-Rechtsprechung minimiert hat. Aufgrund der ausstehenden Beratung und Entscheidungsfindung wird der Betriebsausschuss und Rat Anfang Dezember die Vorlage zur Gebührenkalkulation 2023 des SEB zur Beratung und Entscheidung einen Vorbehaltsbeschluss (Vorbehaltlich der zur erwartenden Rechtsänderung, wird die Gebührensatzung beschlossen) erhalten. Falls es eine dritte Lesung dieses Gesetzes gibt, dann wird es sehr knapp zum Jahresende und es kann im schlimmsten Fall passieren, dass es zwischen Weihnachten und Neujahr eine Dringlichkeitssitzung gibt zu diesem Sachverhalt.

 

Der Betriebsleiter des SEB Herr Ulrich teilt außerdem mit, dass alle 396 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen nun mit der aktuellen Situation der Rechtsunsicherheit umgehen müssen. Viele dieser Städte/Gemeinden werden dabei noch nach altem Recht (vor der OVG-Entscheidung) kalkulieren, wodurch erstmal nichts falsch gemacht, aber das OVG-Urteil und die Änderungen im § 6 KAG ausgeblendet wird. Eine weitere Möglichkeit ist die Kalkulation 2023 auf der Basis der OVG-Rechtsprechung aufzustellen, mit der Gefahr, dass das OVG-Urteil in der Zukunft nicht rechtskräftig werden könnte. Des Weiteren kann die Gebührenkalkulation 2023 anhand des Gesetzesentwurfes nach § 6 KAG erstellt werden, wo das Problem besteht, dass weitere Änderungen folgen können und das Gesetz in diesem Jahr keine Rechtsfähigkeit erlangt. Es gibt aber, laut Herrn Ulrich, die Hinweise vom Städte- und Gemeindebund und von den Landtagsfraktionen, dass der jetzige Entwurf für Planungssicherheit sorgen soll. Daher hält es Herr Ulrich für legitim, dass die kommende Abwassergebührenkalkulation 2023 auf der Basis des Gesetzesentwurfes des § 6 KAG erstellt wird.      

 

Herr Ulrich begrüßt die Gesetzesänderung des § 6 KAG NRW. Damit ein Hauptproblem im Bereich der Berücksichtigung des Eigenkapitalzinssatzes geregelt werden. Dabei kann für den Anteil des in der Einrichtung gebundenen Eigenkapitals, der sich aus dem 30-jährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten ergebende Nominalzinssatz jeweils ohne einen Abzug der allgemeinen Preissteigerungsrate, verwendet werden. Das OVG-Urteil sieht dagegen vor, dass mit einem 10- jährigen Durchschnitt und einem Abzug der allgemeinen Preissteigerungsrate gerechnet werden soll. Vor der OVG-Rechtsprechung wurde von der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpa NRW) eine 50 Jahre umfassende Zeitspanne empfohlen ohne Abzug einer allgemeinen Preissteigerungsrate. Die Stadt Bergkamen wird auch nach der Änderung des § 6 KAG NRW bzw. aufgrund des OVG-Urteil eine Aufspaltung in Eigenkapital- und Fremdkapitalanteile zur Berechnung der kalkulatorischen Zinsaufwendungen vornehmen. Dabei werden die Eigenkapitalanteile mit dem 30-jährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten in Höhe von 3,25% berücksichtigt, während der Fremdkapitalanteil mit dem Fremdkapitalzins von 2,65% berechnet wird. Die Basis für den Fremdkapitalzins bildet der gewogene Durchschnittszinssatz aus den bestehenden Investitionskrediten des SEB. Der Kämmerer und Betriebsleiter Herr Ulrich zeigt zum Vergleich auf, dass im Geschäftsjahr 2022 ein kalkulatorischer Zins im Abwasserbereich von 4,50% für das Gesamtkapital angesetzt wurde.

 

Die sich nun ergebene Reduzierung im Bereich der kalkulatorischen Zinsen wird aber durch die steigende Inflation in allen Kostenbereichen, die immens gestiegenen Energiekosten und weiteren Faktoren nicht nur ausgeglichen, sondern können auch zu Gebührenerhöhungen führen. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die hohen Abschreibungen des relativ jungen Kanalnetzes, welches durch Bergbauschäden ständig saniert und erneuert werden muss. Durch die ständigen Sanierungen und Erneuerungen des Kanalnetzes wurden seit 1990 insgesamt 140 Millionen Euro in die Stadtinfrastruktur bzw. Kanäle investiert. Herr Ulrich führt weiter aus, dass das Kanalnetz der Stadt Bergkamen im Durchschnitt 33 Jahre alt ist, während andere Städte ohne Bergbauvergangenheit bis zu 100 Jahre alte Kanalinfrastrukturen aufweisen. Ein weiterer Faktor sind die hohen Kosten für die Pumpwerke, welche aufgrund der Bergsenkungen, die Abwässer in die Nachbarstädte zu den Kläranlagen hochpumpen müssen. Diese Sachverhalte zeigen, dass der erhoffte Effekt der erheblichen Gebührenverringerung durch eine Senkung des kalkulatorischen Zinses bei der Stadt Bergkamen ausbleibt. Herr Ulrich führt weiter aus, dass aufgrund dieser Kostenfaktoren die Abwassergebühren 2023 unter Umständen steigen könnten. Derzeit kann für das Schmutzwasser ein Preis von 4,34 € (Vorjahr: 4,24 €) und für das Niederschlagswasser 1,59 € (Vorjahr: 1,81 €) prognostiziert werden.

 

Die durchschnittliche vierköpfige Familie Mustermann in Bergkamen wird dann, laut Herrn Ulrich, für das nächste Jahr wahrscheinlich geringere Abwassergebühren in Höhe von 8,40 Euro zahlen müssen als bisher. Das sah vor einigen Monaten noch ganz anders aus, als das OVG-Urteil gesprochen wurde. Im Falle einer 100%-Umsetzung des Urteils hätte die Durchschnittsfamilie rund 200 Euro weniger zahlen müssen und gleichzeitig wäre im städtischen Haushalt ein Verlust von drei Millionen Euro entstanden.

 

Herr Ulrich weist zum Schluss darauf hin, dass sich der Sachverhalt der kalkulatorischen Zinsen und kalkulatorischen Abschreibung nicht nur auf den Bereich Abwasser bezieht, sondern auch auf die Bereiche Abfall, Straßenreinigung und Winterdienst, Friedhöfe und Märkte/Kirmessen.