Mit Bezugnahme auf den Antrag „Eliminierungsanlagen durch die RAGder Fraktion BergAUF vom 19.04.2021, erläutert Herr Engelhardt die Inhalte des Antrags wie folgt:

 

„PCB steht für Polychlorierte Bi-Phenyle, das ist eine Stoffgruppe mit verschiedenen Varianten, die allesamt in der Natur nicht vorkommen, extrem giftig sind und von Säugetieren kaum abgebaut werden können. Sie reichern sich im Fettgewebe an und wirken sich besonders auf die Nervenzellen im Gehirn sehr schädlich aus, was vor allem Kinder stark negativ beeinflusst: Wachstumshemmungen, Verhaltensstörungen und Veränderungen des Immunsystems wurden festgestellt, auch m Blut von Bergleuten wurden gefährliche Konzentrationen nachgewiesen, langfristig entsteht auch Krebs. Nicht um sonst wurde auf den Konferenzen von Johannesburg im Jahr 2000 und Stockholm im Jahr 2001 jegliche Herstellung, Verwendung, Inverkehrbringung und Exposition in die Umwelt weltweit verboten.

Der Wasserexperte Dr. Harald Friedrich, einst Mitarbeiter im Landesumweltministerium und inzwischen auch Whistelblower, machte nach einer Recherche in Bundestagsprotokollen bekannt:

Bis Mitte der 1980er Jahre wurden von der Ruhrkohle AG große Mengen PCB mit dem nicht brennbaren Hydrauliköl unter Tage gebracht, über rund 1200 t sind unter Tage geblieben. Da sie nicht irgendwie gebunden sind, stellen sie eine Gefahr für die ganze Menschheit und für die hiesigen Bergbauregionen im Besonderen dar, solange sie mit dem Grubenwasser in Flüsse und Weltmeer eingeleitet werden dürfen. Rein rechnerisch würde die Menge ausreichen, um die gesamte Menschheit tausendfach auszulöschen, liegt doch die tödliche Dosis für den Menschen doch bei wenigen Milligramm. Bereits im Fettgewebe von Eisbären ist PCB allgegenwärtig, Experten sehen dies als eine Ursache für die nachlassende Fähigkeit der Eisbären zur Fortpflanzung.

Falls noch jemand von Ihnen, liebe Ausschussmitglieder, bis heute denkt, wir von BergAUF wollten halt aus Prinzip irgendwie den Großkonzernen ans Bein pinkeln, dann sollten sie mit diesem Denkansatz aufräumen! Wir greifen die RAG an, ja. Wir sind auch der Meinung, wir alle zusammen müssten diesem Konzern, der jahrzehntelang hier aus der Arbeit der Kumpels und auf dem Rücken der ganzen Stadt riesige Gewinne machte und riesige Subventionen kassierte, viel entschiedener die Stirn bieten. Zumal die RAG beim PCB das Blaue vom Himmel lügt.

Diese Aussage ist zwar nicht „von der Kunstfreiheit gedeckt“, aber einen Sekt würden wir dennoch aufmachen Deshalb würden wir trotzdem aufmachen, wenn uns die RAG dafür vor Gericht ziehen würde. Denn dahinter stehen harte Fakten.

Über viele Jahre behauptete die RAG gebetsmühlenartig, es sei kein PCB im Grubenwasser. Sie stützte sich dabei im Einklang mit der Bezirksregierung auf eigene, völlig unwissenschaftliche Messungen. Als die Messungen des LANUV von 2015 erhöhte Konzentrationen von PCB im Grubenwasser bzw. in der Lippe nachwiesen, begann die RAG eine neue Taktik: Sie behauptet seitdem, mit dem Anstieg des Grubenwassers würden 90% des PCB, da es an Schwebstoffen anhaftet, gefahrlos in die Tiefe sinken. Obwohl die „Pilotanlage“ auf Haus Aden dann zeigte, dass nur 30% des PCB an Schwebstoffen anhaftet, sollen weiterhin 90% mit den Schwebstoffen absinken? Welch offenkundiger Unsinn!

Was man stattdessen tun sollte, zeigt das Gutachten von IWW/Spiekermann zur PCB-Eliminierung, das auf einer Sitzung der Kreis-SPD 2015 im Beisein von RAG-Vertretern vorgestellt wurde. Über 90% des PCB könnte demnach mit sogenannten PCB-Eliminierungsanlagen mit Aktivkohlefilterbecken herausgefiltert werden. Das würde die RAG Investitionen von ca. 11 Mio € pro Anlage und etwa 1 Mio. jährlichen Unterhalt kosten. Ein Klacks bei einem derzeitigen Vermögen der RAG von 18 tausend 400 Millionen €, also 18,4 Mrd. €.

Hier muss unbedingt das Verursacherprinzip gelten! Es kann nicht angehen, dass die RAG ihr Milliarden-Kapital in zig Unternehmen weltweit investiert, und gleichzeitig die Menschheit mit PCB vergiftet. Auch die Tatsache, dass es noch andere PCB-Einträge in die Umwelt gibt, kann da nicht als Ausrede gelten.

Deshalb halten wir es für dringend geboten, dass wir als gewählte Vertreter der Bergkamener Bevölkerung uns dafür stark machen, dass die RAG an allen Grubenwasserstandorten solche PCB-Eliminierungsanlagen gemäß dem IWW/Spiekermann-Gutachten bauen lässt und damit sofort beginnt. Damit sie bereit stehen, wenn die Einleitung von Grubenwasser in Lippe, Rhein und Ruhr wieder aufgenommen wird. Auch im Sinne der zukünftigen Bewohner*innen der Wasserstadt Aden dürfte das wichtig sein. Was wäre es für ein Unglück, wenn PCB-verseuchtes Grubenwasser z.B. bei einem Störfall ungereinigt in Gärten oder Häuser fließt! Wer wollte das verantworten?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

 

(Anmerkung: Auf der Sitzung wird ein veränderter Beschlussvorschlag der Verwaltung eingebracht und dem Beschlussvorschlag im Antrag der Fraktion BergAUF entgegengestellt, worauf eine Abstimmung über die beiden Alternativen vertagt wurde.)

 

Herr Engelhardt bat im Anschluss an seinen Redebeitrag diesen Vortrag mit in das Protokoll aufzunehmen.

 

  • Herr Reichling verweist auf die Stellungnahme der Verwaltung, welche den Fraktionen im Vorfeld der Ausschusssitzung am heutigen 29.04.2021 zugeleitet wurde. Hier schlägt die Verwaltung folgende alternative Beschlussfassung vor, welche dieselbe Zielsetzung verfolgt wie es der Beschlussvorschlag der Fraktion BergAUF vorsieht:

 

Der Rat der Stadt Bergkamen fordert die Ruhrkohle auf die Erkenntnisse aus der PCB-Pilotanlage am Standort Haus Aden aufzubauen und  rechtzeitig bis zur Wiederaufnahme des Pumpbetriebs der Grubenwasserhaltung eine geeignete großtechnische Anlage zur möglichst vollständigen PCB-Entfernung aus dem Grubenwasser in Betrieb zu nehmen.
Die Zeit bis zur möglichen Wiederaufnahme der Grubenwassereinleitung sollte zudem genutzt werden, um sich einstellende Veränderungen in der Lippe unterhalb der Einleitungsstelle in Folge der zurzeit nicht stattfindenden Grubenwassereinleitung zu erfassen, zu dokumentieren und entsprechende Schlüsse für das wasserrechtliche Verfahren zu ziehen.

 

  • Herr Pufke befürwortet die Ausführungen der Verwaltung. Aufgrund des geringen Zeitraums zur tiefgreifenden Prüfung des Beschlussvorschlags der Verwaltung, beantragt Herr Pufke jedoch in der heutigen Sitzung keinen Beschluss zu fassen und diesen Tagesordnungspunkt auch im Haupt- und Finanzausschuss sowie im Rat zu vertagen, um somit ausreichend Zeit zur Beratung für die Fraktionen zu generieren.

 

  • Herr Riller und Herr Brückner sprechen sich ebenfalls für eine Vertagung der Beschlussfassung aus.

 

  • Der Ausschussvorsitzende vertagt die Beschlussfassung über den Antrag.