Sitzung: 29.04.2021 Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
Vorlage: 12/0204
Mit Bezugnahme auf den Antrag „Eliminierungsanlagen durch die RAG“ der Fraktion BergAUF vom 19.04.2021, erläutert Herr Engelhardt die Inhalte des Antrags wie folgt:
„PCB steht für Polychlorierte
Bi-Phenyle, das ist eine Stoffgruppe mit verschiedenen Varianten, die allesamt
in der Natur nicht vorkommen, extrem giftig sind und von Säugetieren kaum
abgebaut werden können. Sie reichern sich im Fettgewebe an und wirken sich
besonders auf die Nervenzellen im Gehirn sehr schädlich aus, was vor allem
Kinder stark negativ beeinflusst: Wachstumshemmungen, Verhaltensstörungen und
Veränderungen des Immunsystems wurden festgestellt, auch m Blut von Bergleuten
wurden gefährliche Konzentrationen nachgewiesen, langfristig entsteht auch
Krebs. Nicht um sonst wurde auf den Konferenzen von Johannesburg im Jahr 2000
und Stockholm im Jahr 2001 jegliche Herstellung, Verwendung, Inverkehrbringung
und Exposition in die Umwelt weltweit verboten.
Der Wasserexperte Dr. Harald
Friedrich, einst Mitarbeiter im Landesumweltministerium und inzwischen auch
Whistelblower, machte nach einer Recherche in Bundestagsprotokollen bekannt:
Bis Mitte der 1980er Jahre
wurden von der Ruhrkohle AG große Mengen PCB mit dem nicht brennbaren
Hydrauliköl unter Tage gebracht, über rund 1200 t sind unter Tage geblieben. Da
sie nicht irgendwie gebunden sind, stellen sie eine Gefahr für die ganze
Menschheit und für die hiesigen Bergbauregionen im Besonderen dar, solange sie
mit dem Grubenwasser in Flüsse und Weltmeer eingeleitet werden dürfen. Rein
rechnerisch würde die Menge ausreichen, um die gesamte Menschheit tausendfach
auszulöschen, liegt doch die tödliche Dosis für den Menschen doch bei wenigen
Milligramm. Bereits im Fettgewebe von Eisbären ist PCB allgegenwärtig, Experten
sehen dies als eine Ursache für die nachlassende Fähigkeit der Eisbären zur
Fortpflanzung.
Falls noch jemand von Ihnen,
liebe Ausschussmitglieder, bis heute denkt, wir von BergAUF wollten halt aus
Prinzip irgendwie den Großkonzernen ans Bein pinkeln, dann sollten sie mit
diesem Denkansatz aufräumen! Wir greifen die RAG an, ja. Wir sind auch der
Meinung, wir alle zusammen müssten diesem Konzern, der jahrzehntelang hier aus
der Arbeit der Kumpels und auf dem Rücken der ganzen Stadt riesige Gewinne
machte und riesige Subventionen kassierte, viel entschiedener die Stirn bieten.
Zumal die RAG beim PCB das Blaue vom Himmel lügt.
Diese Aussage ist zwar nicht „von der Kunstfreiheit gedeckt“, aber
einen Sekt würden wir dennoch aufmachen Deshalb würden wir trotzdem aufmachen,
wenn uns die RAG dafür vor Gericht ziehen würde. Denn dahinter stehen harte
Fakten.
Über viele Jahre behauptete die
RAG gebetsmühlenartig, es sei kein PCB im Grubenwasser. Sie stützte sich dabei
im Einklang mit der Bezirksregierung auf eigene, völlig unwissenschaftliche
Messungen. Als die Messungen des LANUV von 2015 erhöhte Konzentrationen von PCB
im Grubenwasser bzw. in der Lippe nachwiesen, begann die RAG eine neue Taktik:
Sie behauptet seitdem, mit dem Anstieg des Grubenwassers würden 90% des PCB, da
es an Schwebstoffen anhaftet, gefahrlos in die Tiefe sinken. Obwohl die
„Pilotanlage“ auf Haus Aden dann zeigte, dass nur 30% des PCB an Schwebstoffen
anhaftet, sollen weiterhin 90% mit den Schwebstoffen absinken? Welch
offenkundiger Unsinn!
Was man stattdessen tun sollte,
zeigt das Gutachten von IWW/Spiekermann zur PCB-Eliminierung, das auf einer
Sitzung der Kreis-SPD 2015 im Beisein von RAG-Vertretern vorgestellt wurde.
Über 90% des PCB könnte demnach mit sogenannten PCB-Eliminierungsanlagen mit
Aktivkohlefilterbecken herausgefiltert werden. Das würde die RAG Investitionen
von ca. 11 Mio € pro Anlage und etwa 1 Mio. jährlichen Unterhalt kosten. Ein
Klacks bei einem derzeitigen Vermögen der RAG von 18 tausend 400 Millionen €,
also 18,4 Mrd. €.
Hier muss unbedingt das
Verursacherprinzip gelten! Es kann nicht angehen, dass die RAG ihr
Milliarden-Kapital in zig Unternehmen weltweit investiert, und gleichzeitig die
Menschheit mit PCB vergiftet. Auch die Tatsache, dass es noch andere
PCB-Einträge in die Umwelt gibt, kann da nicht als Ausrede gelten.
Deshalb halten wir es für
dringend geboten, dass wir als gewählte Vertreter der Bergkamener Bevölkerung
uns dafür stark machen, dass die RAG an allen Grubenwasserstandorten solche
PCB-Eliminierungsanlagen gemäß dem IWW/Spiekermann-Gutachten bauen lässt und
damit sofort beginnt. Damit sie bereit stehen, wenn die Einleitung von
Grubenwasser in Lippe, Rhein und Ruhr wieder aufgenommen wird. Auch im Sinne
der zukünftigen Bewohner*innen der Wasserstadt Aden dürfte das wichtig sein.
Was wäre es für ein Unglück, wenn PCB-verseuchtes Grubenwasser z.B. bei einem
Störfall ungereinigt in Gärten oder Häuser fließt! Wer wollte das verantworten?
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit.“
(Anmerkung: Auf
der Sitzung wird ein veränderter Beschlussvorschlag der Verwaltung eingebracht
und dem Beschlussvorschlag im Antrag der Fraktion BergAUF entgegengestellt,
worauf eine Abstimmung über die beiden Alternativen vertagt wurde.)
Herr Engelhardt bat im Anschluss an seinen Redebeitrag diesen Vortrag mit in das Protokoll aufzunehmen.
- Herr Reichling verweist auf die
Stellungnahme der Verwaltung, welche den Fraktionen im Vorfeld der
Ausschusssitzung am heutigen 29.04.2021 zugeleitet wurde. Hier schlägt die
Verwaltung folgende alternative Beschlussfassung vor, welche dieselbe
Zielsetzung verfolgt wie es der Beschlussvorschlag der Fraktion BergAUF
vorsieht:
Der
Rat der Stadt Bergkamen fordert die Ruhrkohle auf die Erkenntnisse aus der
PCB-Pilotanlage am Standort Haus Aden aufzubauen und rechtzeitig bis zur Wiederaufnahme des
Pumpbetriebs der Grubenwasserhaltung eine geeignete großtechnische Anlage zur
möglichst vollständigen PCB-Entfernung aus dem Grubenwasser in Betrieb zu
nehmen.
Die Zeit bis zur möglichen Wiederaufnahme der Grubenwassereinleitung sollte
zudem genutzt werden, um sich einstellende Veränderungen in der Lippe unterhalb
der Einleitungsstelle in Folge der zurzeit nicht stattfindenden
Grubenwassereinleitung zu erfassen, zu dokumentieren und entsprechende Schlüsse
für das wasserrechtliche Verfahren zu ziehen.
- Herr Pufke befürwortet die Ausführungen
der Verwaltung. Aufgrund des geringen Zeitraums zur tiefgreifenden Prüfung
des Beschlussvorschlags der Verwaltung, beantragt Herr Pufke jedoch in der
heutigen Sitzung keinen Beschluss zu fassen und diesen Tagesordnungspunkt
auch im Haupt- und Finanzausschuss sowie im Rat zu vertagen, um somit
ausreichend Zeit zur Beratung für die Fraktionen zu generieren.
- Herr Riller und Herr Brückner sprechen
sich ebenfalls für eine Vertagung der Beschlussfassung aus.
- Der Ausschussvorsitzende vertagt die
Beschlussfassung über den Antrag.