Sitzung: 03.12.2019 Ausschuss für Stadtentwicklung, Strukturwandel und Wirtschaftsförderung
Beschluss: Kenntnisnahme
Vorlage: 11/1754
Herr Dr.
Dannebom (Leiter Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Unna) berichtet
über den aktuellen Sachstand zum Strukturstärkungsgesetz an
Steinkohlekraftwerksstandorten (Präsentation siehe Anlage).
Ergänzend
hierzu erläutert Dr. Dannebom, dass der Kreis Unna sowohl in
Nordrhein-Westfalen als auch bundesweit die vom Steinkohleausstieg am stärksten
betroffene Region mit Auswirkungen für beispielsweise rund 1.100 Beschäftigten
oder 1,51 Millionen Euro Einkommensteuerfall sei. Als besonders betroffen
werden Standorte definiert, die einen Wertschöpfungsverlust von mindestens 0,2%
aufweisen. Dies treffe für insgesamt neun Standorte in Deutschland zu.
Für diese
Regionen stehen eine Milliarde Euro an Strukturhilfen zur Verfügung (Vergleich:
40 Milliarden Euro für Kommunen, die durch Braunkohlereviere betroffen sind).
Die Verteilung dieser Hilfe ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Analog
zur Verteilung Bund / Land (90% / 10%) müsste also der Kreis Unna bei
geschätzten 200 Millionen Euro an Hilfe einen Eigenanteil von 20 Millionen
bereitstellen.
Ebenfalls
noch nicht abschließend vereinbart ist die Möglichkeit, dass förderfähige
Gemeinden und Gemeindeverbände Projekte mit Partnern im „regionalen Umfeld“
anmelden. Der Begriff des regionalen Umfelds ist im Gesetzgebungsverfahren
weiter zu präzisieren. Nach heutigem Verständnis wären zum Beispiel
Kooperationen des Kreises Unna mit Hochschulen in Dortmund oder Hamm denkbar.
Da das
bisher lediglich als Referentenentwurf vorliegende Kohleausstiegsgesetz die
Grundlage des Strukturstärkungsgesetzes bildet, werde der Abschluss noch Zeit
in Anspruch nehmen. Auf die Entwicklungen der Großen Koalition und damit
verbundenen Entscheidungen werde hingewiesen.
Dr.
Dannebom erläutert das Verfahren des integrierten Handlungskonzeptes, das durch
die Business Metropole Ruhr GmbH als Wirtschaftsförderung auf der Ebene des
Landes Nordrhein-Westfalen moderiert werde. Dieses Gesamtkonzept werde nach dem
bottom-up-Prinzip erstellt, setze sich also aus den einzelnen regionalen
Entwicklungskonzepten der betroffenen Regionen zusammen, und entscheide unter
Vorsitz einer zentralen Kommission abschließend über die eingebrachten
Projektvorschläge. Zeitlich geplant sei die Umsetzung einzelner Projekte
bereits ab Mitte des Jahres 2020.
Erster
Beigeordneter Dr.-Ing. Peters ergänzt, dass ohne geeignete Flächen eine
Wirtschaftsförderung nicht möglich sei. Daher sei bereits das Steag-Gelände als
Kooperationsstandort ausgewiesen worden. Dies solle durch den Kreis Unna und
die Wirtschaftsförderung auch so öffentlich kommuniziert werden, um die Stadt
Bergkamen zu unterstützen.
Bereits gemeldete
Projekte würden anhand der geänderten Zielsetzungen und aktuell definierten
Rahmenbedingungen neu bewertet. Die Entwicklung förderfähiger Projekte würde
selbstverständlich durch den zuständigen Ausschuss für Stadtentwicklung,
Strukturwandel und Wirtschaftsförderung begleitet.
Herr
Schäfer stellt folgenden Fragekatalog aus dem politischen Gremium vor, die Herr
Dr. Dannebom beantwortet:
Was ist Ziel des REK (Regionales
Entwicklungskonzept)?
Das
Leitziel des Regionalen Entwicklungskonzeptes sei, die bestehende industrielle
Struktur des Kreises Unna zu nutzen und weiterzuentwickeln, um den Kreis Unna
zu einer Modellkommune für die Bewältigung des Strukturwandels im Einklang mit
dem Klimaschutz zu transformieren.
Was legitimiert die WFG zur Entwicklung
des Konzepts?
Die WFG
ist der Motor der Region Kreis Unna. Eine politische Legitimation liege nicht
ausdrücklich vor. Die derzeitige Chance werde als historisch einmalig
beurteilt, so dass eine Legitimation aus der Sache heraus bereit bestehe.
Hierbei sehe sich die WFG als Partner aller Betroffenen und Bündelungsstelle
sämtlicher Interessen.
Was ist konkreter Anlass?
Ein
Regionales Entwicklungskonzept werde per Gesetz und durch das Land
Nordrhein-Westfalen bzw. die Business Metropole Ruhr GmbH (BMR) eingefordert.
Wie ist das REK eingebettet in die
Entwicklung des Kreises insgesamt? Gibt es Rückgriffe auf frühere
Entwicklungskonzepte wie z. B. den „Zukunftsdialog Kreis Unna“ aus 2007?
Bei der
Erstellung seien sämtliche Erkenntnisse und Grundlagen berücksichtigt worden,
die bisher im Kreis Unna vorliegen. Da das Konzept noch nicht beschlossen sei,
könnten auch weitere Punkte eingearbeitet werden.
Es geht sehr stark um die
wirtschaftliche Entwicklung. Wie korrespondiert das mit der Entwicklung in
anderen wichtigen Themenbereichen wie z.B. Demografie, Wohnen, Verkehr,
Freizeit, Tourismus?
Der
textliche Teil des REK zeige, dass selbstverständlich die angefragten und
weitere Themenfelder neben dem wirtschaftlichen Aspekt berücksichtigt seien und
dass gesamtheitlich und miteinander verzahnt gedacht werde.
Gibt es bereits Projektideen? Wer kann
Projekte melden? Wie weit muss die Projektidee ausgearbeitet sein?
Derzeit
liegen 84 Projektanmeldungen vor. Eine erste Sichtung habe gezeigt, dass diese
Projekte jedoch inhaltlich noch nicht ausgearbeitet seien und häufig auch keine Förderfähigkeit
aufwiesen. Als Beispiel sei genannt, dass größtenteils
Gewerbeflächenentwicklungen gemeldet worden seien, von denen jedoch nur der
nicht-rentierliche Bereich förderfähig sei. Im Gegensatz hierzu stünden die
Kraftwerksstandorte.
Entwickelt
wurde daher das Muster eines Projektsteckbriefs, der die Meldung von Projekten
vereinfache und Pflichtinformationen abfrage.
Wie werden einzelne Projekte
qualifiziert? Wer entscheidet, welche Projekte aufgenommen werden?
Nach dem
benannten bottom-up-Prinzip würden die eingereichten Projektanträge über den
Kreis Unna in seiner beratenden und sichtenden Funktion an das
Entscheidungsgremium weitergeleitet.
Wie stellt sich die Zusammenarbeit
bzw. der Zusammenhang WFG und BMR dar?
Die BMR
sei bisher von der WFG zu den vier Projektenwicklungsphasen eingeladen worden.
Wann, durch wen und mit welcher
Verbindlichkeit finden politische Beschlussfassungen statt?
Das REK
werde in die politischen Gremien der einzelnen Kommunen, in den Aufsichtsrat
der WFG und in den Kreistag zur Beratung bzw. Beschlussfassung eingebracht.
Wie ist die Zeitschiene?
Derzeit
arbeite die WFG hinsichtlich des REK inhaltlich vor, um für die politischen
Prozesse mehr Zeit zur Verfügung zu haben.
Warum soll der gesamte Kreis von
Mitteln aus dem Strukturstärkungsgesetz profitieren, wenn die aufzugebenden
Kraftwerkstandorte bzw. geschlossenen Bergwerke, die Halden mit Ihren Vor- und
Nachteilen sowie riesige Flotationsteiche, die eine erhebliche Restriktion für
den Strukturwandel darstellen, alle im Nordkreis liegen?
Die
kleinste Einheit ist nach den gesetzlichen Vorgaben der Kreis. Daher erfolge
auch eine Unterstützung des Kreises in Gänze und nicht eine Stärkung
ausschließlich einer Gemeinde.
Wo sehen Sie persönlich konkrete
Fördermöglichkeiten / interessante Projekte in Bergkamen?
Dr.
Dannebom warnt, die Kohleförderung nicht für Projekte einzusetzen, die auch
durch andere Fördermöglichkeiten gestärkt werden könnten. Ein Beispiel in der
Stadt Bergkamen könnte die Entwicklung von Flächen auf dem Chemiestandort sein.
Herr Weiß
kritisiert das beabsichtigte Vorgehen. Das Strukturstärkungsgesetz solle an den
Steinkohlestandorten wirken, und das seien im Kreis Unna lediglich die Städte
Bergkamen, Lünen und Werne. Es bestehe die Gefahr, dass nun andere Kommunen
innerhalb des Kreisgebietes aber auch angrenzend wie z.B. Dortmund allein aus
ihrer stärkeren Ausgangslage heraus bessere Projekte meldeten. Es sei nicht
sichergestellt, dass die Entscheidung auf Landesebene ungeachtet der besonderen
Bedürftigkeit z.B. Bergkamens zugunsten dieser Projekte ausfiele.
Herr
Heinzel hinterfragt die Art des Verfahrens. Unverständlich sei, warum nicht die
im Kreis Unna betroffenen und genannten Kommunen eine Einheit für sich
bildeten, da möglicherweise schon Bergkamen, Lünen und Werne für sich die Hürde
von 0,2 % erreichten. Dies sei nie überprüft worden. Zudem sei paradox, wenn
das Land Nordrhein-Westfalen einerseits die Ausweisung neuer Gewerbeflächen
ablehne, zugleich aber nun eine Weiterentwicklung einfordere und fördere. So
sei zu erwarten, dass die Fördergelder aus Bergkamen herausfließen.
Dr.
Dannebom sichert zu, dass sich die WFG für faire Ziele und den größten Effekt
von Fördergeldern einsetze. Hierbei können Maßstäbe wie Arbeitslosenquoten in
Betracht gezogen werden. Die bisherige Diskussion im Aufsichtsrat habe gezeigt,
dass kreisweit noch ein Wir-Gefühl fehle. Herauszustellen sei in diesem Zuge,
dass z.B. die Stärkung des ÖPNV innerhalb des Kreisgebietes eine Stärkung aller
Kommunen bedeute. Daher werbe die WFG für Solidarität untereinander. Zudem sei
es nun an den Kommunen selbst, Projektvorschläge zu entwickeln und
einzubringen, um bestmögliche Ergebnisse für sich zu generieren.
Erster
Beigeordneter Dr.-Ing. Peters informiert, dass Herr Dammermann erklärt habe,
Finanzierung von Kraftwerkabbruchkosten separat zu klären.