Beschluss: Kenntnisnahme

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Bergkamen nimmt den mündlichen Bericht der Verwaltung zur Kenntnis.


 Bürgermeister Schäfer berichtet über die vorangegangene Beratung im nichtöffentlichen Teil in der zwei Beschlüsse mit unterschiedlichen Mehrheiten gefasst worden sind. Hier ist die Zustimmung zum Vergleichsangebot erfolgt sowie die Beauftragung der Verwaltung, sämtliche Swapgeschäfte zu beenden. Der Vergleich enthält eine Verschwiegenheitsklausel. Daher verliest er folgende gemeinsame Sprachregelung:

 

„Die Stadt Bergkamen und die EAA sind übereingekommen, ihre – zuletzt in zweiter Instanz vor dem OLG Hamm geführte – Auseinandersetzung um Verluste der Stadt Bergkamen aus Swapgeschäften mit der früheren WestLB im Vergleichswege beizulegen. Im Rahmen dieses Vergleichs wird sich die EAA mit einem angemessenen Betrag an den Verlusten der Stadt Bergkamen aus Swapgeschäften beteiligen. Über den genauen Inhalt des Vergleichs haben die Parteien, wie in derartigen Fällen üblich, Stillschweigen vereinbart.“

 

Die Auswirkungen der beiden zuvor genannten Beschlüsse sollen laut Bürgermeister Schäfer nun öffentlich diskutiert werden. Zudem ist der Punkt 3 zu Tagesordnungspunkt 1 des nichtöffentlichen Teiles, der Prüfauftrag an die Gemeindeprüfungsanstalt, auf diesen Tagesordnungspunkt verschoben worden. Er betont, dass ihm eine Dokumentation wichtig sei, wie seinerzeit die Verfahren innerhalb der Verwaltung abgelaufen sind. Ebenso die Beteiligung der Aufsicht, aber auch die Einbindung der Politik. Die genauen Fragestellungen werden noch mit den Fraktionsvorsitzenden abgestimmt.

 

Im Anschluss lässt er über diesen Prüfauftrag abstimmen.

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Bergkamen beauftragt die Verwaltung, die Gemeindeprüfungsanstalt NRW zu beauftragen, die Verfahrensabläufe bei den Abschlüssen der Derivatgeschäften einschließlich der Beteiligung der politischen Gremien zu überprüfen.

 

Abstimmungsergebnis:      Einstimmig zugestimmt

 

 

 

Kämmerer Lachmann beleuchtet im Anschluss die Auswirkungen auf den städtischen Haushalt. Entgegen der letzten Annahme eines negativen Jahresergebnisses der Stadt von 8,6 Mio. € und eines positiven Jahresergebnisses des SEB vom 1,6 Mio. € geht er derzeit aufgrund der Notwendigkeit der Bildung von Rückstellungen von zusätzlichen negativen Jahresergebnissen der Stadt von 17,6 Mio. € in 2014 und 2,4 Mio. € in 2015 und des SEB von 10,4 Mio. € in 2014 und 0,6 Mio € in 2015 aus. Zwischen Stadt und SEB können sich hier noch Verschiebungen ergeben. Die finalen Beträge ist dann den veröffentlichten geprüften Jahresabschlüssen der Stadt und des SEB zu entnehmen. Eine Rückstellungsbildung in Höhe der Ausweitung der Auszahlung aus aufzunehmenden Kassenkrediten ist jedoch nicht erforderlich.

 

In 2016 wird sich der Bestand der Kassenkredite der Stadt Bergkamen um diesen Betrag erhöhen. Der vom Rat im Doppelhaushalt 2016/17 für alle Szenarien vorgegebene Kassenkreditrahmen muss jedoch deutlich nicht ausgeschöpft werden.

 

Die Risiken der Haushaltsplanung 2016 wurden bei den Haushaltsplanberatungen offen kommuniziert. Insbesondere die Entwicklungen im Sozial- und Jugendbereich sowie die Gewerbesteuer bleiben Positionen, die auch zum jetzigen Zeitpunkt mit erheblichen Unsicherheiten behaftet bleiben.

 

Bei den weiteren Positionen fangen insbesondere Verbesserungen gegenüber dem Planungsansatz bei der Kreisumlage von € 560.000,- und des Gemeindeanteils an der Einkommenssteuer von € 343.000,- die aus den zusätzlichen Kassenkrediten resultierende zusätzliche Zinsbelastung von circa € 400.000,- auf.

 

Hinsichtlich der Auswirkungen auf den in den nächsten Tagen bekanntzumachenden Doppelhaushalt 2016/17 weist er abschließend auf Folgendes hin:

 

  1. Die Handlungsfähigkeit der Stadt bleibt aufgrund des positiven Eigenkapitals zum 31.12.2015 erhalten.

 

  1. Es sind hieraus keine Steuer-/Gebührenanhebungen notwendig.

 

  1. Die Ergebnisabführungen des SEB können voraussichtlich in der geplanten Höhe für die Jahre 2016 und 2017 erfolgen.

 

  1. Die Durchführung der KP III - Maßnahmen sowie sonstiger neuer Investitionen (z.B. Feuerwehrfahrzeuge, Straßen, Wasserstadt Aden) kann erfolgen.

 

SPD-Fraktionsvorsitzender Schäfer betont die Wichtigkeit des Vergleichsabschlusses. Ohne diesen Vergleich hätte man eine Drohverlustrückstellung bilden müssen, die zu einer Überschuldung geführt hätte. Die Stadt wäre dann in den Nothaushalt gerutscht. Seine Fraktion hält es daher aus wirtschaftlichen Gründen für geboten, dem Vergleichsangebot zuzustimmen. Da die Hürden bei Weiterführung des Prozesses zu hoch liegen, ist es nun notwendig einen Schlussstrich zu ziehen.

 

CDU-Fraktionsvorsitzenden Heinzel empfindet die ganze Situation für die Stadt existenzbedrohend. Er reflektiert den Einstieg im Jahr 2004, in dem der Haupt- und Finanzausschuss nach kritischen Nachfragen den Einstieg in ein Schuldenportfoliomanagement begrüßt und festgelegt hat, einmal jährlich in diesem Ausschuss zu dem Thema zu berichten. Die Mitglieder haben dies zur Kenntnis genommen. In der Verwaltung gab es keinen mit inhaltlichem Sachverstand, daher hat man sich einer externen Beratung bedient. Dann hat man immer wieder negative Geschäfte durch Neueinpreisung modifiziert bis der Rat im Jahr 2011 die Reißleine gezogen hat. Bis zu diesem Beschluss lief seiner Meinung nach das gesamte Verfahren verwaltungsintern. Seine Fraktion hat allerdings immer nach dem Risiko gefragt. Nun sucht er den Verantwortlichen, da der Öffentlichkeit nicht suggeriert werden darf, dass kein Verantwortlicher gefunden werden soll. Seine Fraktion hat die Vorlage im nichtöffentlichen Teil abgelehnt, da die Verwaltung und nicht die Politik nun das Verfahren beenden soll.

 

Bürgermeister Schäfer weist noch einmal auf den einstimmigen Beschluss des Rates aus dem Jahr 2011 hin, alle Swaps einzustellen und nicht mehr zu bedienen. Dieser Beschluss hat zu einem Teil die Schadenhöhe ausgemacht. Bis zum Jahr 2010 hat die WestLB im Haupt- und Finanzausschuss nach teilweiser kritischen Befragung immer positiv berichtet. Erst nach dem BGH-Urteil aus 2011 sind bundesweit über 1000 Kommunen auf die Problematik aufmerksam geworden. Auch sieht er die Zuständigkeit des Rates für den Beschluss, da dieser die Einleitung des Prozesses beschlossen hat und nun auch die Beendigung beschließen muss. Die Zinsoptimierungsgeschäfte sind als einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung betrachtet worden und trotzdem dem Haupt- und Finanzausschuss zur Kenntnis gegeben worden. Hier hätte der Rat allerdings auch von seinem jederzeitigen Rückholrecht Gebrauch machen können. Abschließend erklärt er, dass die jährliche Zinsbelastung äußerst ärgerlich ist, trotzdem ist noch die beste Lösung für die Stadt gefunden worden.

 

CDU-Stadtverordneter Eder kritisiert die Verharmlosung der finanziellen Auswirkungen. Eine jährliche Zinsbelastung ist vorhanden, eine Tilgung ist auf Jahre hinaus nicht zu erkennen, ebenso wie der Aufbau der Rücklagen.

 

Bündnis 90/Die Grünen-Fraktionsvorsitzender Wehmann betont, dass alle im Jahr 2004 Beteiligten die Geschäfte wohlwollend zur Kenntnis genommen haben. Seine Fraktion hat dem Vergleichsvorschlag zugestimmt, da sie sich der Verantwortung bewusst ist und immer Beteiligte des Verfahrens waren. Für ihn ist die Zustimmung zum Vergleich alternativlos. Er kritisiert die CDU-Fraktion, da diese keine Alternativen nennt. Letztendlich hätte die Reißleine sicher eher gezogen werden müssen. Er hofft, dass zukünftig über solche Geschäfte nie wieder beraten werden muss.

 

Auch Bündnis 90/Die Grünen-Stadtverordneter Grziwotz kritisiert, dass die CDU-Fraktion keine Verantwortung übernehmen möchte. Ihm fehlt eine Antwort, wie man stattdessen aus dieser Situation kommen kann.

 

BergAUF-Fraktionsvorsitzender Engelhardt spricht seine generelle Kritik an dem System von Zins und Zinseszins aus. Die Zinsoptimierung hat er von Anfang an misstrauisch betrachtet und daher immer die entsprechenden Nachfragen gestellt. In der Darstellung des Kämmerers sieht er eine Verharmlosung der Situation, da keine Lösung in Aussicht gestellt wird, wie die Schulden getilgt werden können. Bei der Fortführung des Prozesses hätte für die Stadt Bergkamen durchaus ein besseres Ergebnis erzielt werden können.

 

Hier erwidert Bündnis 90/Die Grünen-Fraktionsvorsitzender Wehmann, dass BergAUF die Spekulationsgeschäfte kritisiert, mit der Fortführung des Prozesses aber weiter spekuliert. Der heutige Beschluss dient für ihn der Risikobegrenzung.

 

Nach Auffassung von FDP-Stadtverordneten Lohmann-Begander ist die Politik nie richtig gefragt worden, ob sie die Derivatgeschäfte haben wollen. Von übergeordneten Stellen wurde dies jedoch empfohlen. Sie stellt sich die Frage, warum nicht eher die Reißleine gezogen worden ist. Außerdem will sie für die Zukunft solche Geschäfte ausgeschlossen haben.

 

Hier sichert Bürgermeister Schäfer noch einmal ausdrücklich zu, dass es solche Geschäfte in Zukunft nicht mehr geben wird.

 

SPD-Fraktionsvorsitzender Schäfer stellt klar, dass er die Schadenhöhe nicht verharmlost. Er vermisst bei der CDU-Fraktion eine klare Linie, da die Klageerhebung im Jahr 2011 einstimmig beschlossen worden ist. Wenn also jetzt kein Vergleich gewünscht wird, müsste der Prozess weitergeführt werden. Dieses Verhalten hält er für inkonsequent und trägt nicht zur Problemlösung bei. Ausdrücklich begrüßt er die Beauftragung der GPA. Das Ergebnis dieser Prüfung bleibt abzuwarten, daher sollten jetzt Schuldzuweisungen unterbleiben. Für ihn kann sich die Politik jedenfalls nicht aus der Verantwortung ziehen.

 

Laut CDU-Fraktionsvorsitzendem Heinzel haben vier Personen viermal im Jahr zusammen gesessen und die Geschäfte abgeschlossen. Für ihn mussten diese Personen gewusst haben, was sie getan haben. Die Beweisaufnahme vor dem OLG Hamm ist für die Stadt Bergkamen unglücklich verlaufen, was sicherlich auch mit den Aussagen beider Parteien zu tun hat. Er selbst sieht sich als Laie und muss sich auf Aussagen von Beratern und der Stadtverwaltung verlassen können. Der Politik ist nie die Frage gestellt worden, ob sie solche kritischen Geschäfte haben möchte.

 

Bürgermeister Schäfer stellt klar, dass die Gespräche von 2004 bis 2007 viermal jährlich gelaufen sind. Danach haben die Gespräche immer dann stattgefunden, wenn ein Vertrag geändert werden musste. Dies geschah dann stets auf Empfehlung der WestLB. Für ihn hat die Stadt Bergkamen, anders als andere Kommunen, von Anfang an über die Geschäfte berichtet.

 

Für Bündnis 90/Die Grünen-Stadtverordneten Sparringa geht es der CDU nicht um die Lösung der Schuldenproblematik sondern um die Frage der Schuld. Er hat das Gefühl, dass die CDU aus rein populistischen Gründen eine anlehnende Haltung einnimmt. Das BGH-Urteil lässt keinen Zweifel aufkommen, dass die Stadt Bergkamen den Prozess verlieren würde. Sobald der GPA-Bericht vorliegt, wird seine Fraktion diesen bewerten. Nun geht es zunächst darum, einen größeren Schaden von der Stadt abzuwenden.