Sitzung: 19.08.2015 Rat der Stadt Bergkamen
Beschluss: Mit Stimmenmehrheit zugestimmt
Abstimmung: Ja: 36, Nein: 5
Vorlage: 11/0372
Beschluss:
Der Rat der Stadt Bergkamen stimmt der Planung der Landesregierung NRW zu, eine
Zentrale Unterbringungseinrichtung - ZUE als Landeseinrichtung zur Aufnahme von
800 - 1000 Flüchtlingen auf Bergkamener Stadtgebiet zu betreiben.
Da der Aufbau und die Inbetriebnahme einer ZUE für einen längeren Nutzungszeitraum nicht zeitnah zu realisieren ist, stimmt der Rat der Stadt Bergkamen ebenfalls den Planungen des Landes NRW zu, kurzfristig auf Bergkamener Stadtgebiet eine temporäre Einrichtung in Leichtbauweise inkl. der notwendigen Infrastruktur zu errichten und zu betreiben. Der temporäre Betrieb wird voraussichtlich ein Jahr betragen.
Zu Beginn geht Bürgermeister Schäfer auf den enormen Anstieg von
Flüchtlingen nach Deutschland mit der daraus verbundenen Zuweisungen nach
Bergkamen ein. Seit Anfang August hat sich die Situation derart zugespitzt,
dass eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen wie bisher nicht mehr möglich
ist. Daher musste nach Bewertung aller städtischen Liegenschaften die Turnhalle
an der Lessingstraße in eine Unterkunft für Flüchtlinge umgewandelt werden. Zusätzliches
städtisches Personal ist bereits jetzt erforderlich. Die heute vorgeschlagene
Lösung ist aus Sicht der Verwaltung die bessere Entscheidung für die
Bürgerschaft.
Beigeordnete Busch erläutert anhand von Folien, die der Niederschrift
als Anlage beigefügt sind, die aktuelle Situation. Seit dem Jahr 2014 ist die
Zahl der Zuweisungen stark angestiegen. Bereits im ersten Quartal des Jahres
2015 sind alle städtischen Liegenschaften bewertet worden, um notfalls
kurzfristig Menschen unterbringen zu können. Erster geeigneter Standort ist
nach dieser Bewertung die Turnhalle an der Lessingstraße. Hier können nach den
Landesvorgaben 60 Menschen untergebracht werden. Zudem ist eine Versorgung
durch das angrenzende DRK gewährleistet. Da die wöchentlichen Zuweisungen seit
Anfang August so stark angestiegen sind, dass eine Unterbringung in
angemietetem Wohnraum nicht mehr möglich war, musste diese Turnhalle zur
Unterbringung benutzt werden. Dort sind derzeit 43 Flüchtlinge untergebracht.
Vermutlich mit der nächsten Zuweisung ist die Kapazität dieser Turnhalle
erschöpft. Zudem wurden weitere Zuweisungen im Wege der Amtshilfe von rund 150
Flüchtlingen angekündigt. Dies erfolgt mittlerweile nun auch für Kommunen in
der Größe von 40.000 – 60.000 Einwohnern und wird nicht auf das Kontingent der
normalen Zuweisungen angerechnet. Es erfolgt lediglich die Sachkostenerstattung
durch das Land. Der personelle und organisatorische Mehraufwand bleibt bei der
Kommune. Da die Zuweisungen im Wege der Amtshilfe innerhalb weniger Stunden
erfolgen, müsste für diesen Fall eine der drei großen Turnhallen im Stadtgebiet
umfunktioniert werden. Hier schildert Beigeordnete Busch die Schwierigkeiten
bei der Beschaffung von Betten, des Sicherheitsdienstes und des Caterings.
Sollte im Stadtgebiet allerdings eine Zentrale Unterbringungseinrichtung
(ZUE) des Landes eingerichtet werden können, erfolgen mit Inbetriebnahme der
ZUE keine weiteren Zuweisungen mehr. Dies gilt auch für Zuweisungen im Wege der
Amtshilfe.
Die Bezirksregierung hat, ohne dass die Stadt Bergkamen informiert war,
Flächen der RAG im Stadtgebiet besichtigt, auf denen eine ZUE zur Aufnahme von
800 - 1000 Flüchtlingen betrieben werden sollen, besichtigt. Die
Bewirtschaftung einer solchen Einrichtung erfolgt komplett durch das Land (Personal
und Sachmittel). Sowohl ärztliche als auch pädagogische Betreuung ist dann
sichergestellt. Diese Besichtigung sei nach Mitteilung der Bezirksregierung
allerdings erfolglos verlaufen. Daher hat die Verwaltung selbst Standorte für
eine ZUE überprüft. Da diese Überlegungen noch anstehen, hat die
Bezirksregierung die Zuweisung im Wege der Amtshilfe derzeit ausgesetzt. Nach
Betrachtung der Flächen im Stadtgebiet bleibt im Ergebnis eine Fläche auf dem
Gelände von Grimberg 3/4 übrig. Die dort vorhandenen Gebäude müssten ertüchtigt
werden. Zudem würden mobile Wohncontainer aufgestellt. Bis zum Bezug dieser
Einrichtung würde allerdings ca. ein Jahr vergehen. So lange würde das Land
eine Zeltstadt auf der Fläche des Wellenbad-Parkplatzes errichten. Sofern die Nutzung
des Wellenbadparkplatzes in die nächste Badesaison geht, könnte östlich des
Wellenbades ein Behelfsparkplatz durch das Land geschaffen werden. Seitens der
Geschäftsführung der GSW wurde hierzu bereits Zustimmung gegeben.
Abschließend erklärt Beigeordnete Busch, dass man nun am Scheideweg
steht. Ohne eine ZUE ist mit mindestens monatlichen Zuweisungen von 60
Flüchtlingen sowie den rund 150 Flüchtlingen im Zuge der Amtshilfe zu rechnen.
Dann müsste unverzüglich auf eine der drei großen Sporthallen, die für 150
Personen nutzbar wäre, sowie den Schacht III – 70 Personen – zugegriffen
werden.
Bürgermeister Schäfer rechnet damit, dass es durch diese ZUE in den
nächsten zweieinhalb Jahren zu keinen weiteren Zuweisungen mehr kommt. In
dieser Zeit können die Flüchtlinge, die auch in Ferienwohnungen oder
Gaststätten untergebracht sind, dezentrale Wohnungen beziehen. Ebenso kann die
Turnhalle an der Lessingstraße wieder für den Schul- und Vereinssport genutzt
werden. In diesem Zusammenhang verdeutlicht er die Auswirkungen auf den Schul-
und Vereinssport, sollte es zu einer Zuweisung im Wege der Amtshilfe kommen.
Daher schlägt die Verwaltung die bessere Alternative vor, für einen begrenzten
Zeitraum den Wellenbad-Parkplatz zu nutzen, damit die ZUE auf dem RAG-Gelände
aufgebaut werden kann. Die Verweildauer in einer ZUE beträgt zwischen drei
Wochen und drei Monaten.
Für SPD-Fraktionsvorsitzenden Schäfer geht es in erster Linie um
Menschen, denen geholfen werden muss. Er geht auf die neusten Prognosen zu den
Flüchtlingszahlen ein und verdeutlicht die Auswirkungen auf Bergkamen. Nach
kontroverser Diskussion in seiner Fraktion sieht die SPD in einer zentralen
Einrichtung die beste Lösung. Er fordert
die Verwaltung auf in den Gesprächen mit der Bezirksregierung zu klären, dass
bis zur Errichtung der ZUE keine Zuweisungen im Wege der Amtshilfe erfolgen.
Außerdem ist die Nutzung des Wellenbad-Parkplatzes zeitlich zu begrenzen mit
der entsprechenden Rückbauverpflichtung. Abschließend appelliert er an den
Bund und die EU, ein Flüchtlingskonzept zu entwickeln.
CDU-Fraktionsvorsitzender Heinzel lobt zunächst die Verwaltung, da die
Fraktionen frühzeitig und jederzeit informiert worden sind. Er fragt sich,
warum sich in der EU nur zwei Länder um die Flüchtlingsfrage kümmern. In NRW
besteht ein dringender Bedarf an zentralen Einrichtungen. Für die CDU ist eine
ZUE die beste Lösung. Seiner Fraktion ist die Belastung für den Ortsteil
Weddinghofen bewusst. Trotzdem muss eine Stadt wie Bergkamen dies aushalten
können. Er erklärt die Zustimmung seiner Fraktion zum Vorschlag der Verwaltung
und den Ergänzungen der SPD-Fraktion. Für die Menschen in Weddinghofen ist die
zeitliche Abfolge darzustellen.
Über Erfahrungen mit Flüchtlingskindern aus seiner Jugendeinrichtung
berichtet Bündnis 90/Die Grünen-Vorsitzender Wehmann. Er fordert einen
Flüchtlingsgipfel. Seiner Meinung nach sind die Aufnahmekapazitäten in
Deutschland noch nicht erschöpft. Ein Mitglied seiner Fraktion ist Leiter einer
zentralen Flüchtlingseinheit des Landes. Das dort vorhandene Personal kann von
der Stadt Bergkamen nicht zur Verfügung gestellt werden. Seine Fraktion wird
daher der Vorlage zustimmten. Wichtig ist nun, dass die Bergkamener Bevölkerung
entsprechend mitgenommen wird.
BergAUF-Fraktionsvorsitzender Engelhardt kann sich vielen Punkten seiner
Vorredner anschließen. Für seine Fraktion ist allerdings eine dezentrale
Unterbringung die beste Lösung. Obwohl Flüchtlingsverbände seit 2013 auf die
Lage hingewiesen haben, hat der Bund nicht gehandelt. Der Bund hat die komplette
Finanzierung zu übernehmen. Massenunterkünfte müssen vermieden werden,
Zeltstädte sind abzulehnen. Den Wellenbad-Parkplatz hält er wegen möglicher
Übergriffe für ungeeignet, das RAG-Gelände ist aus seiner Sicht nicht
ausreichend befestigt sowie sind die alten Hallen unbrauchbar. Seine Fraktion
lehnt den Vorschlag der Verwaltung daher ab und appelliert stattdessen an die
Bevölkerung, Flüchtlinge aufzunehmen.
FDP-Stadtverordnete Lohmann-Begander erklärt ihre Zustimmung zur ZUE als
sinnvollste Lösung. Bergkamen ist gefordert, Solidarität zu zeigen.
Bürgermeister Schäfer erwidert zu den Äußerungen des
BergAUF-Fraktionsvorsitzenden Engelhardt, dass es sich nicht um Zelte im
eigentlichen Sinn handelt, sondern um klimatisierte und beheizte
Leichtbauhallen. Eine Ablehnung des Beschlussvorschlags würde eine kurzfristige
Zuweisung von rund 150 Flüchtlingen im Zuge der Amtshilfe bedeuten. Es müsste
auf die Römerberg-Sporthalle zugegriffen werden. Da aufgrund der bundesweiten
Flüchtlingsproblematik Betten schwierig zu beschaffen sind, müssten die
Flüchtlinge zunächst auf Turnmatten schlafen. Ebenso ist man dann für die
medizinische Versorgung zuständig.
Weiterhin berichtet er über das heutige Gespräch mit dem Innenminister
sowie die zentralen Forderungen des Städte- und Gemeindebundes. Die von den
Fraktionen geforderten Zusagen der Bezirksregierung wird er bei dem Gespräch am
25.08. vortragen. Sollte die Bezirksregierung diese Zusagen nicht treffen, wird
er den Rat zu dem Thema nochmals einberufen. Ansonsten wird im Anschluss an die
Gespräche zu einer Bürgerversammlung unter Beteiligung der Bezirksregierung und
des Trägers der Einrichtung eingeladen.
Abschließend dankt er im Namen aller Fraktionen den ehrenamtlichen
Helfern im Stadtgebiet.
Vor der Abstimmung
verweist Bürgermeister Schäfer nochmals auf die SPD-Forderungen.