Beschluss:
Der
Integrationsrat nimmt die Ausführungen des Referenten im Ministerium für
Inneres und Kommunales des Landes NRW zur Kenntnis.
Zu Beginn der Sitzung betont Bürgermeister
Roland Schäfer in einer kurzen Ansprache, dass es in Bezug auf die extremen,
religiös motivierten Gruppierungen in Bergkamen bisher keine Vorkommnisse gab.
Michael Utsch,
Projektleiter der Ausstellung „Die missbrauchte Religion – Islamisten in
Deutschland“ beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), weist anhand einer Powerpointpräsentation
auf den Ausstellungstermin in Bergkamen hin. Die Wanderausstellung des BfV wird
vom 29.11. bis 12.12.2013 im Einkaufszentrum „Turm-Arkaden“, Töddinghauser
Straße 139 – 141, zu besichtigen sein.
Zentrales Anliegen
ist es, die Unterschiede des Islam als Weltreligion und dem Islamismus als
extremistische Ideologie klar deutlich zu machen.
Im Anschluss
referiert Dr. Korkut Bugday vom Landesverfassungsschutz im Ministerium für
Inneres und Kommunales in NRW zum ersten Tagesordnungspunkt „Wenn Religion zur
Gefahr werden kann – religiös motivierter Extremismus unter Muslimen“. Er
thematisiert:
die Aufgaben des
Verfassungsschutzes,
die „Grauen Wölfe“,
den Unterschied
zwischen Islam und Islamismus,
die
Fethullah-Gülen-Bewegung und
den Salafismus.
Zu den originären
Aufgaben des Verfassungsschutzes zählen u. a. laut § 3 Abs. 1 Verfassungsschutzgesetz
NRW insbesondere die Beschaffung, Sammlung, Aus- und Bewertung von
Informationen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie den
Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden. Dazu zählt
die Beobachtung des politisch bzw. religiös motivierten Extremismus. Dr. Bugday
weist darauf hin, dass der Verfassungsschutz keine Exekutivbefugnisse hat. Das
Trennungsgebot von Polizei als bekämpfende und strafverfolgende Institution und
dem Verfassungsschutz als beobachtende Institution ist ein Merkmal der
wehrhaften Demokratie.
Die idealistische
Bewegung der „Ülkücü“, der „Grauen Wölfe“, wird unter dem Aspekt
Ausländerextremismus vom Verfassungsschutz beobachtet. Durch das übersteigerte
Nationalbewusstsein wird der meist jugendlichen Anhängerschaft dem Türkentum
und dem Islam als türkische Identität höchste Bedeutung beigemessen. Die
Gruppierung ist dem türkischen rechtsextremen Spektrum zuzurechnen, daher
existiert eine antidemokratische Einstellung. Die Bewegung setzt sich aus
organisationsungebundenen Anhängern und Dachvereinen zusammen. Die Ideologie
der „Grauen Wölfe“ zielt auf eine türkische Jugendkultur ab, die insbesondere
durch soziale Netzwerke im Internet aktiv ist, um ultranationalistische,
rassistische Inhalte zu verbreiten und andere Ethnien abzuwerten. Es herrscht
eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit vor, sodass Feindbilder (Kurden,
Juden, Homosexuelle) verfestigt werden – entgegen dem Demokratieverständnis.
Darin lauert eine geistig moralische Gefahr. Die ideologische Vorstellung einer
Vereinigung aller Turkvölker soll der Machterhaltung des türkischen
Nationalsozialismus dienen. Dies verdeutlicht auch der Ülkücü-Eid:
„Ich schwöre bei Allah, dem Koran,
dem Vaterland, bei meiner Flagge
Meine Märtyrer, meine Frontkämpfer
sollen sicher sein
Wir, die idealistische
türkische Jugend, werden unseren Kampf gegen
Kommunismus, Kapitalismus,
Faschismus und jegliche Art von
Imperialismus fortführen
Unser Kampf geht bis zum letzten
Mann, bis zum letzten Atemzug,
bis zum letzten Tropfen Blut
Unser Kampf geht weiter, bis die
nationalistische Türkei, bis das Reich
Turan erreicht ist
Wir, die idealistische
türkische Jugend, werden niemals aufgeben, nicht
wanken, wir werden siegen, siegen,
siegen
Möge Allah die Türken schützen und
sie erhöhen“
Die Mitgliederzahlen
belaufen sich in der gesamten Bundesrepublik auf 7.000, in NRW auf 2.000 junge
Männer und Frauen.
Zur Unterscheidung
zwischen Islam und Islamismus weist Dr. Bugday auf das Verständnis von
zentralen Begriffen des Islam hin:
Bedeutung |
im Islam |
im Islamismus |
Islam |
als Religion verschiedene
Auslegungen möglich Vielfalt |
eine politische
Ideologie geschlossenes
Weltbild Vereinheitlichung |
Koran |
die Offenbarung |
die Verfassung |
Scharia |
die Pflichtenlehre
als ethisch-moralische Auslegung |
ein Gesetz und
politisches Ordnungsmodell |
Im nächsten Punkt
seines Vortrages geht der Referent auf die Fethullah-Gülen-Bewegung ein. Diese
wird nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie wird in der öffentlichen
Darstellung als bildungsorientiert präsentiert. Ob hinter den
„Bildungsvereinen“ auch andere Ziele stehen, ist für Außenstehende nicht
transparent. Dass die Rolle Fethullah Gülens nicht klar definiert werden kann
und somit Zweifel am wirklichen Bildungsauftrag der Anhänger bestehen, wird in
einer kurzen Diskussion unter den Teilnehmern deutlich.
Vereinzelte Zuhörer
wehren sich dagegen, sowohl die Grauen Wölfe als auch die
Fethullah-Gülen-Bewegung auf die gleiche Stufe wie die extremistischen
Organisationen zu positionieren.
Die zurzeit aktivste
und radikalste Strömung innerhalb der islamistischen Szene in NRW ist
die der Salafisten.
Es gibt zwei Hauptströmungen, den „politischen Salafismus“, dem ca. 90 %
angehören, und den „jihadistischen Salafismus“ mit 10 % Anhängerschaft. Die
Übergänge beider Strömungen sind fließend. Aktuell sind 150 deutsche
Staatsbürger mit und ohne Migrationshintergrund an Kampfhandlungen in Syrien
beteiligt. 90 Personen werden vermisst.
Die Zahl der
Anhänger hat sich seit 2011 verdreifacht. Von 500 Personen in 2011 auf 1.500
Personen bis September 2013. Man sollte sich bei der Größe der Anhängerzahl
jedoch nicht täuschen lassen, denn auch nur ein Extremist kann einen immensen
Schaden anrichten und eine Vielzahl an Menschen töten.
Dem Salafismus
gehören hauptsächlich junge Menschen an, immer häufiger auch weibliche,
teilweise schon mit 16 Jahren. Es handelt sich um Muslime und nicht-Muslime,
multi-ethnisch. Sie tragen „islamische“ Kleidung und kommunizieren auf deutsch.
Die Propagandaauftritte erfolgen in Internetnetzwerken, Chatrooms,
Islamseminaren und bei öffentlichen Auftritten mit Infoständen in Städten. Ziel
ist das Missionieren zur Gewaltorientierung und extremen Radikalisierung gegen
die Ungläubigen und die Demokratie.
Dr. Bugday
appelliert an die Zuhörer, den Jugendlichen das angedeihen zu lassen, was ihnen
die Salafisten anbieten, nämlich soziale Wärme, Anerkennung, Spaß, Freude und
Halt in der Gruppe. Nur dadurch besteht die Möglichkeit die Heranwachsenden
davor zu bewahren, sich einer extremistischen Gruppe anschließen zu wollen.